Francesco Foscari
Venedig, Italien
Pax tibi Marce evangelista meus.19.06.1373
01.11.1457
Über Jahrhunderte war der Dogenpalast die staatliche Machtzentrale und der architektonische Mittelpunkt der Seerepublik Venedig. Vom Dogenpalast aus steuerte der venezianische Adel die Geschicke des durch Handel und Krieg zu Reichtum und Einfluss gekommenen Landes, hier hatte der Doge seinen Sitz und hier konzentrierten sich die wichtigsten staatlichen Organe von Regierung und Verwaltung. Noch Giacomo Casanova, der im 18. Jahrhundert im legendären Bleigefängnis unterm Dach einsaß, hat diesen Machtapparat am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Auch wenn die Innenräume des Dogenpalastes mehrfach dem herrschenden Zeitgeschmack entsprechend umgestaltet wurden, weist seine äußere Erscheinung ihn weiterhin als ein Bauwerk venezianischer Gotik aus, in der sich Stilelemente der nordeuropäischen Gotik mit orientalischen Architektureinflüsse zu einer einzigartigen Symbiose verbinden.
Unter den rund 120 Dogen, die im Laufe der Jahrhunderte in diesem Palast gelebt und geherrscht haben, war Francesco Foscari derjenige, der das Dogenamt am längsten, nämlich von 1423 bis 1457, innehatte. Und wie kaum ein anderer hat er sich in die Architektur des Dogenpalastes eingeschrieben. Auf ihn geht die Erneuerung der Westfassade zur Piazzetta zurück, die sogenannte Loggia Foscara. Ferner schloss er die bauliche Lücke zwischen Dogenpalast und Markusdom mit der großartigen Porta della Carta, durch die man auch heute noch in den Innenhof gelangt. Dort ließ Foscari einen gewölbten Verbindungsgang anbauen, der später nach ihm Arco Foscari genannt wurde.
In der Bildsprache der Porta della Carta offenbart sich in nuce das Selbstverständnis Venedigs. Der Doge Francesco Foscari, beeindruckend lebensnah dargestellt, kniet vor dem geflügelten Markuslöwen, dem Sinnbild des Evangelisten Markus. Seit die Venezianer im 9. Jahrhundert die Reliquien des heiligen Markus aus Alexandria geraubt hatten, galt er als Schutzpatron Venedigs. Der Markuslöwe mit aufgeschlagenem Buch und den Worten „Pax tibi Marce evangelista meus“ (Friede sei mit dir, Markus, mein Evangelist) wurde das Wahrzeichen der Republik Venedig. Foscari, dargestellt mit Brokatmantel, Stab und Corno, einer für die Dogen typischen Kappe mit hornartiger Spitze, huldigt demutsvoll der Staatsidee Venedigs. Denn der Doge galt zwar als Oberhaupt der venezianischen Republik, zugleich aber auch als ihr erster Diener.
Ganz so selbstlos dienend, wie es die Republik Venedig für die Rolle des Dogen vorsah, scheint Francesco Foscari dann aber doch nicht gewesen zu sein. Denn die architektonischen Spuren, die er im Dogenpalast hinterlassen hat, sprechen für seinen starken Machtwillen und seinen Hang zur Selbstdarstellung. Francesco Foscari stammte aus einer wohlhabenden venezianischen Adelsfamilie und nach zwei lukrativen Heiraten strotzte er nur so vor Reichtum. Sein privater Wohnsitz Ca‘ Foscari am Canal Grande, den er während seiner Amtszeit hatte bauen lassen, dessen Fertigstellung er allerdings nicht mehr erlebte, galt als einer der prächtigsten spätgotischen Stadtpaläste im damaligen Venedig.
Die Karriere Foscaris lief strategisch geplant auf das Dogenamt zu. Sogar sein Wappen scheint diesen Weg ahnungsvoll vorgezeichnet zu haben. Als einziges unter den bedeutenden venezianischen Adelsgeschlechtern nämlich trugen die Foscari den Markuslöwen mit aufgeschlagenem Buch in ihrem Familienwappen.
Francesco Foscari, wie es hieß von attraktiver Erscheinung und majestätischem Auftreten, galt als guter Redner. Doch sein selbstbewusster Regierungsstil war nicht jedermanns Sache. Mit Widerstand hatte er zeitlebens zu kämpfen. In seine Amtszeit fiel die weitere kriegerische Expansion des venezianischen Herrschaftsgebiets, gleichzeitig erlebten der Handel und die Baukultur in Venedig einen weitreichenden Aufschwung. Verglichen mit seinem privaten luxuriösen Lebensstil lebte es sich in den Mauern des Dogenpalastes allerdings relativ bescheiden. Die Wohnung für den Dogen und seine Angehörigen bestand aus etwa zwanzig Räumen, die im Zwischengeschoss lagen und durch Treppen miteinander verbunden waren. Jeder Doge brachte nach der Ernennung den eigenen Hausrat mit, der nach seinem Tod von den Erben innerhalb von drei Tagen wieder ausgeräumt werden musste. Deshalb gibt es heute aus Foscaris Lebenszeit keine originale Einrichtung mehr. Auch Brände haben später zur Umgestaltung der Dogenappartements geführt.
Der Doge war vielfältigen Pflichten und strengen Vorgaben ausgesetzt. Das kluge politische Regelwerk, gesteuert vom venezianischen Adel, war darauf angelegt, die Macht des Einzelnen in Grenzen zu halten. Francesco scheint diese Grenzen ausgereizt zu haben, sein Sohn Jacopo aber hat sie überschritten. Obwohl die Söhne der Dogen wohlweislich von allen staatlichen Ämtern ausgeschlossen waren, ließ sich Jocopo, verwöhnt und in Saus und Braus lebend, verbotenerweise mit ausländischen Mächten ein. Auch ein Mord wurde ihm von politischen Gegnern angehängt. Der greise Francesco Foscari musste erleben, wie sein einziger Nachkomme ─ alle anderen Kinder hatte die Pest hinweggerafft ─ in die Verbannung geschickt wurde und dort elendiglich starb. Verbittert und gebrochen kam er wie es hieß seinen Amtsgeschäften nicht mehr nach und wurde abgesetzt ─ ein ungeheurer Affront, denn das Dogenamt wurde stets auf Lebenszeit vergeben. Nur wenige Tage nach dieser schmachvollen Entlassung verstarb Foscari. Sein imposantes Wandgrab befindet sich bis heute in der Apsis der Frarikirche.
Die Tragödie von Vater und Sohn hat in späteren Jahrhunderten zahlreiche Künstler inspiriert. Das Versdrama von Lord Byron wurde zur Vorlage für Giuseppe Verdis Oper „Die beiden Foscari“. Und auch Maler wie etwa Eugène Delacroix waren fasziniert von diesem historischen Stoff.
1797 überfiel die Armee Napoleon Bonapartes Venedig, plünderte und zerstörte, was ihr in die Finger kam. Die stolze Seerepublik Venedig kapitulierte, der letzte Doge dankte ab. Auch die Skulptur Francesco Foscaris an der Porta della Carta – heutzutage eine Nachbildung ─ fiel den Tumulten zum Opfer. Symbolträchtiger hätte das Ende der Seerepublik nicht sein können: das zentrale Herrschaftszeichen Venedigs, der kniende Doge vor dem Markuslöwen, lag zerbrochen am Boden.
Foto: Lazzaro Bastiani, ca. 1460 (Ausschnitt)