Auguste Rodin

Meudon, Frankreich

Foto: Wikimedia commons/Dornac (Ausschnitt)

Ich mache einen wahren Kult um den nackten Körper.

12.11.1840

17.11.1917

www.meudon.musee-rodin.fr

Das Genie Rodins wurde früh von hellsichtigen Zeitgenossen erkannt und bewundert. Für sie war sein Anwesen in Meudon eine umschwärmte Wallfahrtsstätte. Und noch heute hat dieser Ort nichts von seiner Magie verloren. Alle bekannten, manchmal bis zum Überdruss reproduzierten Werke Auguste Rodins erhalten hier eine neue Kraft und Präsenz: „Der Denker“, „Der Kuss“, das Balzac- und das Victor-Hugo-Denkmal und natürlich die „Bürger von Calais“. Hier in der am Südwestrand von Paris liegenden „Villa des Brillants“ zog der Bildhauer Auguste Rodin 1893 zur Miete ein. Bereits 1895 konnte er das Haus käuflich erwerben. Meudon wurde bis zum Lebensende sein Wohn- und Arbeitsort, wenngleich der Künstler parallel dazu in Paris noch ein weiteres Atelier unterhielt.

Eine Baumallee führt auf das schmucke, aus dem 17. Jahrhundert stammende Backsteinhaus zu. Der weitläufige, zur Seine hin abfallende Garten umrahmt das Wohnhaus mitsamt Rodins Arbeits- und Archivräumen. Für seine Sammlung antiker Kunstwerke ließ er ein eigens dafür bestimmtes Gebäude errichten, das ihm die Möglichkeit bot, die Skulpturen von allen Seiten und auch von der Galerie aus zu studieren. Im danebenliegenden Hauptatelier waren seine Gipsmodelle, oftmals Vorstudien für die Bronze- und  Marmorskulpturen, aufgestellt, die auf den Besucher Stefan Zweig „wie ein steinerner Wald“ gewirkt hatten. Auch sein Schriftstellerkollege Rainer Maria Rilke, eine Zeitlang Rodins Privatsekretär und Verfasser einer Rodin-Monografie, schwärmte 1902 von diesem faszinierenden Atelierraum: „Es ist ein ungeheuer großer und seltsamer Eindruck, diese große helle Halle mit allen ihren weißen, blendenden Figuren.“ Ihm schien, „dass alle diese hundert Leben ein Leben sind – Schwingungen einer Kraft und eines Willens.“ Mit den Jahren wuchs Rodins Kunstsammlung weiter an. Ab 1908 wurde deshalb in Paris noch das Hôtel Biron angemietet, ein Stadtpalais, das heute das Pariser Rodin-Museum beherbergt.

In Meuron lebte Rodin zusammen mit Rose Beuret, die er mit 76 Jahren nach fünfzigjähriger Lebensgemeinschaft  heiratete – einen Monat vor ihrem und wenige Monate vor seinem eigenen Tod. Im Erdgeschoss der "Villa des Brillants" liegen das Ess- und das Wohnzimmer sowie der Ateliersalon, in der ersten Etage die Schlafzimmer. Die Räume sind mit einfachem Landhausmobiliar und sparsamem Dekor ausgestattet. Rodin war ein von seiner Arbeit besessener Künstler. Sogar während der Mahlzeiten ließ er sich angeblich das verkleinerte Modell der Skulptur, an der er gerade arbeitete, auf den Tisch stellen, um es unablässig studieren zu können: „Wo habe ich die Skulptur verstehen gelernt? Unterwegs, wenn ich die Bäume im Wald betrachtete oder die Wolkenbildungen verfolgte, im Atelier beim Studium des Modells, überall, nur nicht in den Schulen“, resümierte er.

Die Leidenschaft für den menschlichen Körper ließ ihn nie los: „Ich mache einen wahren Kult um den nackten Körper.“ Wie ein Schöpfergott modellierte er seine Figuren so lange, oft über Jahre, bis sie in seinen Augen vollendet waren. Vollendet hieß für Rodin aber keineswegs akademisch idealisiert oder allegorisch überhöht. Ihn faszinierten gerade das Fragmentarische, das über die Nachahmung der Natur Hinausgehende, die energetisch bewegte Oberfläche. Seine Bürger von Calais ließ er nicht etwa auf einem zeittypischen Denkmalsockel thronen, er stellte sie vielmehr in ihrer ganzen Unmittelbarkeit ebenerdig mittenhinein in die Schar der Betrachtenden.

Der Renaissance-Künstler Michelangelo mit seiner kraftvollen Skulpturensprache war das große Vorbild. Auch Rodin selbst wiederum wurde für viele nachfolgende Künstler der Moderne zum Vorbild. Im Garten von Meudon ließ er die nach einem Brand übriggebliebene barocke Fassade des Château d’Issy aufbauen. Heute bildet sie den imposanten Hintergrund der Rodin-Grabstätte. Dieser Platz mit der monumentalen Denker-Figur könnte kompositorisch nicht schöner sein: Das Meisterwerk ehrt seinen toten Meister.