Jean Paul

Bayreuth, Deutschland

Foto: Wikimedia commons/Friedrich Meier (Ausschnitt)

Ei was! Nazareth war auch klein.

21.03.1763

14.11.1825

www.jeanpaulstube.de

„Fremd wie einer, der aus dem Mond gefallen ist“, so beschrieb Friedrich Schiller ihn 1796 in einem Brief an Goethe. Dieser Johann Paul Friedrich Richter, der sich in Verehrung für Jean Jacques Rousseau halbfranzösisch Jean Paul nannte, lässt sich nur schwer in literaturgeschichtliche Kategorien zwängen. Zu eigenwillig ist sein Schreibstil, seine überbordende Wort- und Phantasiefülle, sein Metaphern- und Assoziationsreichtum, sein Spaß an Abschweifungen und phantastischen Einschüben. Und wer weiß heute noch, dass er die deutsche Sprache mit so bildmalerischen Wörtern wie „Gänsefüßchen“, „Angsthase“, „Schmutzfink“ oder „Weltschmerz“ bereichert hat.

Hier in der Rollwenzelei war fast zwanzig Jahre lang sein geistiger und kulinarischer Rückzugsort. Zu diesem Wirtshaus, das zwischen Bayreuth und der markgräflichen Eremitage Wilhelmine von Preußens lag, kam er fast täglich aus der Stadt herausgewandert und zog sich in die eigens für ihn hergerichtete Dichterklause oberhalb der Gaststube zurück ─ mütterlich umsorgt und angehimmelt von der Wirtin Anna Dorothea Rollwenzel, die ihm diensteifrig sein Leibgericht Kartoffeln und das maßlos konsumierte fränkische Braunbier, sein „Weihwasser“, heraufbrachte. Seit 1804 war der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Dorfpfarrersohn Jean Paul in Bayreuth sesshaft geworden, nach Jahren des Erfolgs vor allem bei seiner weiblichen Leserschaft, für deren ausufernde Wünsche nach einer Haarlocke vom verehrten Dichterhaupt sogar das Fell seines Pudels herhalten musste.

Dieser Zufluchtsort für seine Schreibwut kam seinem Hang „zum geistigen Nestmachen“ entgegen. In der Rollwenzelei konnte Jean Paul die Stadt und die familiären Störungen hinter sich lassen, den Haushalt mit seiner Frau Caroline, den Kindern und dem zahlreichen Getier, darunter einem wettervorhersagenden Laubfrosch, für dessen Wohlergehen fleißig Stubenfliegen gefangen werden mussten. Übrigens auch der „Wetterfrosch“ ist eine Wortschöpfung Jean Pauls.

Es ist eine einfache Schreibstube, nur mit dem Nötigsten möbliert. „Ei was! Nazareth war auch klein“, erwidert da Jean Paul. Der eiserne Ofen und die Möbel ─ Tisch, Kanapee, Stühle ─ sind original erhalten. Ein Schutzraum der Kreativität mit freiem Blick auf Wiesen und Felder bis hinüber zum Fichtelgebirge. Jean Paul arbeitete auf dem Kanapee sitzend an einem „elenden alten Schreib- und Schmiertisch“, der ganz seinen Wünschen entsprach. Vergeblich sucht man eine umfangreichere Büchersammlung, nur Tisch und Schublade, so heißt es, quollen über von seiner berüchtigten Zettelwirtschaft. Fast täglich arbeitete er in dieser geduckten Kammer, bis ihn die Krankheit in seinem Haus in der Friedrichstraße festhielt. In Bayreuth auf dem Stadtfriedhof ist Jean Paul begraben.

Es gibt im Fränkischen glücklicherweise einige Jean-Paul-Gedenkstätten. In der Rollwenzelei aber, diesem angeblich kleinsten Literaturmuseum Deutschlands, kommt man diesem wunderlichen und wunderbaren Jean Paul wohl am nächsten.