Robert Graves
Deià (Mallorca), Spanien
Sonne, Meer, Berge, Quellwasser, Laubbäume, die Abwesenheit von Politik und einigen Luxus wie elektrisches Licht und eine Buslinie.24.07.1895
07.12.1985
„Robert Graves – Poeta“ steht auf der schlichten Steinplatte seines Grabes auf dem Friedhof von Deià. In diesem mallorquinischen Dorf am Rande des Tramuntana-Gebirges hatte Robert Graves, der sich in Anlehnung an seinen Urgroßonkel, den deutschen Historiker Leopold von Ranke, auch Ranke-Graves nannte, jahrzehntelang gelebt und der Nachwelt mehr als 120 Bücher hinterlassen – Gedichte, Romane, Abhandlungen.
Graves sah sich selbst in erster Linie als Poeta. Der Dichtung galt seine Leidenschaft, seine Prosa war, wie er selbst sagte, eher eine Beschäftigung, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Und tatsächlich, Robert Graves hat viele Gedichte, darunter viele Liebesgedichte, geschrieben, aber bekannt geworden ist er dennoch durch seine Prosa. Zunächst durch seine Autobiographie „Goodbye to all that“ („Strich drunter!“), die er im Alter von 31 Jahren verfasste und in der er mit den Greueln des Ersten Weltkriegs abrechnete. Als britischer Soldat in Frankreich war er so schwer verwundet worden, dass er irrtümlich für tot erklärt worden war. Seine Kriegstraumata ließen ihn auch später nicht los. Dann waren es seine historischen Romane, allen voran „Ich, Claudius – Kaiser und Gott“, mit denen sein Name spätestens seit der Verfilmung einem breiteren Publikum bekannt wurde. Zudem verfasste er Abhandlungen über die „Griechische Mythologie“ und „Die weiße Göttin“, ein Plädoyer für die Wiederbelebung des magisch-kreatürlichen Matriarchats, das dem funktionalen Denken der westlichen Zivilisation, so Robert Graves, himmelweit überlegen sei.
Das Weibliche wurde von Graves verehrt, ja mystifiziert, auch im eigenen Leben. Mit seiner ersten Ehefrau Nancy Nicholson, einer feministischen Malerin, hatte er vier Kinder. Dann trat die New Yorker Dichterin Laura Riding in sein Leben und wirbelte mit ihrer exzentrischen Persönlichkeit die Beziehungskonstellation im Hause Graves gehörig durcheinander. Die Ménage-à-trois verwandelte sich mit dem irischen Dichter Geoffrey Phibbs, in den sich Laura ebenfalls verliebte, der aber eher Augen für Graves Ehefrau Nancy hatte, in eine Ménage-à-quatre. Der ganze Wirrwarr eskalierte in einer Eifersuchtsszene, in deren Verlauf Laura aus dem vierten Stock sprang, sich sämtliche Knochen brach, aber wie durch ein Wunder überlebte.
Es folgte Graves Trennung von Nancy und die Abreise mit Laura. Auf Empfehlung Gertrude Steins reiste das Paar nach Mallorca und ließ sich dort an der Westküste in Deià nieder. 1932 bauten die beiden am Ortsrand das Haus „Ca N’Alluny“ (Das ferne Haus), eine einfache Finca mit regionaltypischer Natursteinfassade und weitem Blick übers Mittelmeer. Hier habe er alles, was er brauche, bekannte Graves, „Sonne, Meer, Berge, Quellwasser, Laubbäume, die Abwesenheit von Politik und einigen Luxus wie elektrisches Licht und eine Buslinie, die mich bis in die Hauptstadt Palma bringt.“
Erst der Beginn des Spanischen Bürgerkriegs 1936 machte dem paradiesischen Landleben ein Ende. Als Ausländer musste Graves das Land verlassen. Zurück in England ließ er sich in Devon in der Nachbarschaft von Agatha Christie nieder, Laura lebte seit 1939 wieder in den USA. Mit seiner zweiten Ehefrau Beryl Hodge, auch mit ihr hatte er vier Kinder, kehrte Graves 1946 zurück nach Deià. Im Haus von „Don Roberto“, wie er von den Einheimischen respektvoll genannt wurde, gingen in diesen Jahren viele Gäste ein und aus, darunter prominente Namen wie Ava Gardner oder Gabriel Garcia Marquez.
Sein mallorquinisches Landhaus mit dem Wohnzimmer, dem Arbeitszimmer, der Küche und einem prachtvoll angelegten Garten, ist weitgehend im Originalzustand erhalten. Auch die gusseiserne Druckerpresse gibt es noch, auf der einige seiner Bücher im Selbstverlag „Selzin Press“ gedruckt wurden. Im Obergeschoss wird sein Leben und Werk in einem Ausstellungsraum dokumentiert.
In Deià lebte Graves bis zum Lebensende. Mit 90 Jahren ist er dort im Kreis seiner Familie verstorben. Nicht der Roman- und Sachbuchautor Graves soll hier das letzte Wort haben, sondern der Dichter Graves, ganz so, wie er es wohl selbst gewünscht hätte:
„With you for mast and sail and flag,
And anchor never known to drag,
Death’s narrow but oppressive sea
Looks not unnavigable to me.“