Wolfgang Amadeus Mozart
Wien, Österreich
Ich versichere Sie, dass hier ein herrlicher Ort ist – und für mein Metier der beste Ort von der Welt.27.01.1756
05.12.1791
„Eine Erscheinung wie Mozart bleibt immer ein Wunder, das nicht weiter zu erklären ist.“ Halten wir uns deshalb gar nicht erst mit Erklärungsversuchen zu seinen unsterblichen Werken auf wie etwa der „Zauberflöte“, dem „Don Giovanni“ oder noch populärer der „Kleinen Nachtmusik“ und werfen Goethes Diktum folgend lieber gleich einen Blick in seine ehemalige Wiener Wohnung in der Domgasse. Sie ist die einzig erhalten gebliebene unter den mehr als ein Dutzend Unterkünften, in die sich Mozart während seiner zehnjährigen Wiener Zeit einquartiert hatte. Darüber hinaus ist sie die größte, kostspieligste und herrschaftlichste von allen. Hier hat Mozart vergleichsweise am längsten – nämlich zweieinhalb Jahre – gelebt.
Vermutlich waren es auch die zweieinhalb intensivsten, produktivsten und glücklichsten Jahre in seinem kurzen Leben. Mozart war beim Einzug 28 Jahre alt und auf dem Höhepunkt seiner Karriere. In nur drei Jahren hatte er die Musikstadt Wien erobert, hatte sich in den adligen und großbürgerlichen Kreisen und selbst am kaiserlichen Hof einen Namen gemacht. Dieser Erfolg bestätigte im Nachhinein seine Entscheidung von 1871, seiner Geburtsstadt Salzburg und damit auch dem Vater Leopold und dem damaligen Dienstherrn Fürsterzbischof Colloredo den Rücken zu kehren. Bis zu diesem Zeitpunkt war Mozart der mehr oder weniger gut funktionierende Sohn und Untertan gewesen. Jahrelang war er als gefeierter Kinderstar zusammen mit seiner musikalisch gleichfalls hochbegabten Schwester Nannerl vom stolzen Vater zu Auftritten quer durch Europa geschleppt worden und hatte die Herzen des adligen Publikums im Sturm erobert, auch das der Kaiserin Maria Theresia am Wiener Hof.
Der Bruch mit Vater und Dienstherr war ein Befreiungsschlag gewesen, ungewöhnlich und mutig in der damaligen Zeit, denn eine selbstgewählte Existenz als freischaffender Künstler war alles andere als selbstverständlich. Mit Klavier- und Kompositionsunterricht, mit Auftritten als Klaviervirtuose, mit selbständig organisierten Konzerten und mit Kompositionen, einige im Auftrag Kaiser Josephs II., brachte es Mozart zu einem nicht unbeträchtlichen Vermögen. Der Vater in Salzburg blieb dennoch beleidigt und besorgt. Die Heirat Mozarts 1782 mit Constanze Weber war dann der nächste Paukenschlag. „Ich versichere Sie, dass hier ein herrlicher Ort ist – und für mein Metier der beste Ort von der Welt“, beschwichtigte Mozart den väterlichen Groll. Denn das Leben in Wien kam seinem freigeistigen, unkonventionellen Wesen mehr als entgegen, bot doch die Stadt dem jungen Paar reichlich Gelegenheit, auf den Putz zu hauen und das Leben zu genießen, mit „Leckereien und Küssereien“, ja auch „Sauereien“, wie es mozarttypisch in den Briefen heißt. Nun musste auch eine entsprechend repräsentative Wohnung her: die Beletage in der Domgasse ganz in der Nähe des Stephansdoms – vier Zimmer, zwei Kabinette, eine Küche. Mit Constanze und dem neugeborenen Sohn Carl Thomas zog Mozart dort im September 1784 ein.
Vom Leben der Mozarts sind heute nur die leeren Räume übriggeblieben. Noch nicht einmal deren genaue Funktion ist bekannt. Wo war zum Beispiel das Speisezimmer, wo das Arbeitszimmer? Authentisch sind lediglich die vergoldeten Fensterrahmen und die prächtige Stuckdekoration im Kabinett, die vom vormaligen Besitzer Alberto Camesina stammt. Auch originales Inventar sucht man vergeblich. Dennoch gelingt es dem über drei Stockwerke sich erstreckenden Museum erstaunlich gut, Mozart und seine Welt zum Leben zu erwecken und Lust auf eine Zeitreise ins 18. Jahrhundert zu machen.
Geschäftig und laut muss es hier damals zugegangen sein. Zwei Kleinkinder, 1786 kam ein weiterer Sohn auf die Welt, Klavierschüler, Logiergäste, Tagesgäste, dazu ein Hündchen und ein Singvogel. Dann gab es eine Köchin und ein Stubenmädchen, die vermutlich nachts in der Küche schliefen, sowie einen Diener, der sein Bett gewöhnlich im Durchgangsraum aufstellte und morgens wieder abbaute. Vater Leopold, 1785 auf Besuch bei seinem Sohn in Wien, berichtete in seinen Briefen nach Hause von „Schererei und Unruhe“. Für Wirbel sorgte auch, dass Mozart für seine Konzerte immer den eigenen Hammerflügel zum Auftrittsort transportieren ließ. Trotz des für damalige Verhältnisse komfortablen Lebensstandards wurde es in der Wohnung anscheinend nie richtig warm, „es schneiet ganz erbärmlich und geht ein erstaunlicher Wind, der die ohnehin wenig geheizten Zimmer jämmerlich anbläst“, klagte der Vater. Während seines Aufenthalts stattete auch Joseph Haydn einen Besuch im Hause Mozart ab und soll Vater Leopold versichert haben: „Ich sage Ihnen vor Gott, als ein ehrlicher Mann, Ihr Sohn ist der größte Komponist, den ich von Person und dem Namen nach kenne.“
Der ganze Trubel scheint der Schaffenskraft Mozarts keinen Abbruch getan zu haben, im Gegenteil. „Figaros Hochzeit“ komponierte er hier, ebenso zahlreiche Klavierkonzerte und Kammermusikwerke. Rastlosigkeit und Umtriebigkeit kennzeichneten zeitlebens sein Wesen. „Auch sonst war er immer in Bewegung mit Händen und Füßen, spielte immer mit etwas, z.B. mit seinem Chapeau, Taschen, Uhrband, Tischen, Stühlen, gleichsam Klavier“, so die Schwägerin Sophie. Neben Komponieren, Unterrichten und Einstudieren nahm die Leidenschaft für das Spiel viel Raum in seinem Leben ein. Mozart liebte besonders das Karten- und Billardspiel. „Er spielte hoch, ganze Nächte durch. Er war sehr leichtsinnig, seine Frau hat’s ihm nachgesehen“, wissen wir von einem seiner Mitspieler. Doch dieser Lebenswandel hatte seinen Preis. Obwohl Mozart vergleichsweise gut verdiente, lebte das Paar über seine Verhältnisse. Hinzu kamen Spielschulden, die Mozart des Öfteren zwangen, verzweifelte Bettelbriefe zu versenden.
Seine überbordende Kreativität, seine Maßlosigkeit im Leben und im Arbeiten zehrten an den Kräften. In seinem 35. Lebensjahr, mitten in der Arbeit am „Requiem“, erkrankte Mozart schwer und verstarb bald darauf. Die ärztliche Allerweltsdiagnose „hitziges Frieselfieber“ gibt bis heute Anlass zu vielerlei Spekulationen über die Todesursache. Nach der Einsegnung im Stephansdom wurde sein Leichnam zusammen mit anderen auf dem Friedhof St. Marx in einem der Zeit entsprechenden Reihengrab beerdigt. Die Grabstätte existiert heute nicht mehr. In unserer Vorstellungskraft aber lebt Mozart in der Wiener Domgasse weiter und natürlich in seiner unsterblichen Musik.