Friedrich II. von Preußen
Potsdam (Schloss Sanssouci), Deutschland
Wenn ich dort bin, werde ich ohne Sorge sein.24.01.1712
17.08.1786
Gleich zu Beginn des Schlossrundgangs, im Vestibül, erwartet die Besucher der Ares Ludovisi, die marmorne Kopie eines antiken Standbildes – eine Art Leitmotiv für Sanssouci: Der Kriegsgott hat Schild und Helm abgelegt, eine kleine Erosfigur umschlingt sein rechtes Bein. Der Krieg ist, vorläufig, vorbei, das Spiel kann beginnen. War es diese Vorstellung, die den Preußenkönig Friedrich II. zum Bau des Sommerschlosses Sanssouci bewog, die Vorstellung, sich hier fern von Staatsgeschäften und blutigen Feldzügen „sans souci“ (ohne Sorge) seinen musischen und intellektuellen Interessen widmen zu können? Und dass in diesem Schloss tatsächlich komponiert, musiziert, gedichtet, studiert und philosophiert wurde, ist vielfach bezeugt und bildlich festgehalten, am schönsten von Adolph von Menzel im „Flötenkonzert“ und in der „Tafelrunde“.
Friedrich der Große ließ Schloss Sanssouci 1745 bis 1747 nach eigenen Skizzen vom Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff im Rokokostil errichten. Auf einer Anhöhe thronend, umgeben von kunstvoll angelegten Weinterrassen und barocken Zier- und Nutzgärten, bietet es einen weiten Blick über das brandenburgische Land. Weintrauben sind das wiederkehrende dekorative Motiv sowohl in den zwölf Innenräumen als auch an der Außenfassade, wo 36 Bacchantinnen und Bacchanten das Gebälk stützen. Einstöckig sollte das Schloss nach dem Willen des Bauherrn sein, die Zimmer mit ebenerdigem Zugang zur Terrasse. Entstanden ist ein Kleinod, inzwischen Unesco-Weltkulturerbe, das in seinen ästhetisch vollendeten Proportionen seinesgleichen sucht.
Im überkuppelten Mittelbau liegt der prunkvolle ovale Marmorsaal, der zentrale Gesellschaftsraum des Weinbergschlosses. Von hier aus gehen der Westflügel zu den fünf Gästezimmern und der Ostflügel zu den fünf Königszimmern ab: die langgestreckte Galerie, das Audienzzimmer, das Konzertzimmer mit dem Notenpult und der Flöte Friedrichs des Großen, das Arbeits- und Schlafzimmer. Am Rande und nicht zur Enfilade gehörend liegt die kreisrunde, zedernholzgetäfelte Bibliothek mit dem originalen Bücherbestand des Monarchen. Die über 2000 Bände, zumeist in dessen französischer Muttersprache, sind mit einem V für Vigne (Weinberg) gekennzeichnet. Dieses geistige Refugium nutzte Friedrich, ein homo politicus und homo philosophicus gleichermaßen, regelmäßig für seine Studien. Von Voltaire, der 1750 bis 1753 in Sanssouci ein- und ausging, wurde er anerkennend als „Fürst-Philosoph“ bezeichnet.
Die Wohnräume waren als sogenannte Appartement double angelegt: Hinter den parkseitig liegenden Zimmern reihten sich auf der Nordseite die über Tapetentüren zugänglichen Dienerkammern aneinander. In Sanssouci finden sich viele solcher Anlehnungen an die französische Schlossarchitektur, aber statt der traditionellen Königinnenzimmer war der Ostflügel den Gästen des Königs vorbehalten, und zwar allein den männlichen Gästen. Friedrich umgab sich bei seinen legendären abendlichen Tischgesellschaften und Flötenkonzerten ausschließlich mit Männern. Frauen durften im Schloss nur als steinernes oder marmornes Dekor in Gestalt antiker Göttinnen oder Bacchantinnen in Erscheinung treten. Auch seine Ehefrau Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, mit der er 1733 zwangsverheiratet worden war, war von dieser Männerwelt strikt ausgeschlossen. Sie lebte, in großem Abstand und von Friedrich kaum beachtet, im Schloss Schönhausen.
Voltaire war zweifellos der prominenteste Langzeitgast in Sanssouci. Für Friedrich war er Lehrer, Berater und Promoter aufklärerischer Ideen, die vielfach in den preußischen Reformen ihren Niederschlag fanden. Das Verhältnis der beiden war jedoch alles andere als spannungsfrei. Der spitzzüngige Voltaire soll sich angeblich darüber beklagt haben, dass er die schlechten Gedichte des Königs zu korrigieren habe: „Wird er denn nie müde, mir seine schmutzige Wäsche zum Waschen zu schicken.“ Nach drei Jahren verließ Voltaire im Unfrieden das Schloss.
Aber auch Friedrich war nicht einfach im gesellschaftlichen Umgang. Seine verletzende Schroffheit und Spottlust, seine in späteren Jahren zunehmende Misanthropie wurden von vielen beklagt. So begrüßte er seine Gemahlin nach der Rückkehr aus dem Siebenjährigen Krieg kaltherzig mit den Worten: „Madame sind korpulenter geworden“.
Sanssouci wurde nicht für die Ewigkeit gebaut. Friedrich der Große hatte keine eigenen Nachkommen, er legte keinen Wert auf nachhaltige Reparaturen. Schon vor dem Baubeginn hatte er 1744 auf der oberen Terrasse eine Gruft anlegen lassen, in der er laut seinem Testament „ohne Prunk, ohne Pomp und bei Nacht“ beigesetzt werden wollte. „Wenn ich dort bin, werde ich ohne Sorge sein“, soll er bei einer Besichtigung der Grabstätte gesagt haben.
Friedrich von Preußen, im Volksmund auch der „Alte Fritz“ genannt, starb 1786 im Schloss Sanssouci im Sessel seines Arbeits- und Schlafzimmers. Sein Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. hielt sich nicht an den testamentarischen Willen des Monarchen. „Er wollte lieber neben seinen Hunden als zwischen seinen Vorfahren liegen“, urteilte er über den Verstorbenen. Er ließ Friedrichs Sarg in der Potsdamer Garnisonkirche neben dessen Vater, dem sogenannten Soldatenkönig, aufstellen, jenem Vater, der den Sohn in jungen Jahren mit Härte und Drill zurechtgebogen und verbogen hatte. Erst spät, nach der deutschen Wiedervereinigung und der Rückführung des Sarkophags von der Hohenzollern-Stammburg am Rande der Schwäbischen Alb, kam Friedrich der Große 1991 endlich an seine gewünschte Ruhestätte.
Schon zu Friedrichs Lebzeiten stand der Park allen Interessierten offen und das Schloss konnte besichtigt werden, wenn der König nicht anwesend war. So gab sich auch Marschall Francisco de Miranda bei seinem Besuch 1785 beeindruckt von den prachtvollen Räumen. Zwar seien „Gardinen und Möbel kostbar, sehen aber, da der Gebrauch von Taschentüchern anscheinend unbekannt ist, sehr ekelhaft aus.“
Noch heute reißen die Besucherströme in Sanssouci nicht ab. Friedrich der Große in seiner ganzen menschlichen und politischen Ambivalenz fasziniert weiter. In Sanssouci kann man dieser Ausnahmegestalt sehr nahe kommen, auch wenn die Flecken auf den Gardinen längst verschwunden sind.