Ernst Fuchs
Wien, Österreich
Erkenntnisse suchen mich heim, die zu finden ich gar nicht gehofft hatte.13.02.1930
09.11.2015
Man mag von Ernst Fuchs halten was man will, eins aber muss man diesem Wiener Künstler zweifellos zugutehalten. Er hat sich mit dem vielen Geld, das ihm seine Kunst einbrachte, nicht nur Edelkarossen in die Garage gestellt, sondern er hat auch ein Wiener Architekturjuwel, die Villa Otto Wagners, vor dem drohenden Verfall gerettet. Heute steht sie glanzvoll und vorbildlich restauriert da und beherbergt das Ernst-Fuchs-Museum.
Otto Wagner, der große österreichische Jugendstilarchitekt, von dem Ikonen wie die Wiener Postsparkasse und die Kirche am Steinhof stammen, baute die Villa vor den Toren Wiens für sich und seine Familie in den Jahren 1886 bis 1888. Eine große Freitreppe führt zu einer Arkadenhalle hinauf, von der aus zwei verglaste Seitenflügel abgehen. Die äußere Architektur lässt sich noch dem Historismus zuordnen, im Inneren aber dominiert der Jugendstil. Zwar ist heute kein originales Inventar mehr vorhanden, aber noch immer zeugen viele dekorative Elemente wie die Tiffany-Glasfenster von Adolf Böhm, das Bad mit Jugendstilmosaiken von Koloman Moser sowie Boden- und Wandverzierungen von der Wohnwelt Otto Wagners.
Nachdem die Kinder aus dem Haus waren, verkaufte Wagner die Villa 1911 und baute sich gleich nebenan ein kleineres Domizil im secessionistischen Stil. Die Wagner-Villa selbst wurde nach der Emigration ihrer neuen jüdischen Besitzer von den Nationalsozialisten konfisziert. Baldur von Schirach nutzte sie als Büro für die Freizeitorganisation der Hitlerjugend. In der Nachkriegszeit verfiel das Gebäude zusehends. Fuchs, der schon immer ein Auge auf das Anwesen gehabt hatte, kaufte die heruntergekommene Villa 1972 aus eigenen Mitteln. Angeblich soll er als Achtjähriger seiner Mutter auf einem Spaziergang versprochen haben: „Mama, wenn ich einmal groß bin, schenke ich dir dieses Haus.“ Und so kam es. Seine Mutter lebte dort bis zu ihrem Tod, Ernst Fuchs selbst hatte dort viele Jahre lang sein Atelier.
Natürlich bewahrt das Haus nicht nur die Spuren Otto Wagners, auch Ernst Fuchs hat ihm kräftig seinen Stempel aufgedrückt – am augenfälligsten wohl im Garten mit dem pompösen Brunnenhaus „Nymphäum Omega“, dem vorgelagerten Moses-Brunnen und der zwischen den ionischen Säulen thronenden Esther-Figur, deren füllige Formen an die Venus von Willendorf erinnern. Für Fuchs war sie „die Urmutter schlechthin“. Im Innern stammen Tapeten, Möbel und zahlreiche großformatige Gemälde von Fuchs. Die elegante Ornamentik und Klarheit der Wiener Secession bilden den dezenten Rahmen für die schreiend bunte Bilderwelt des Ernst Fuchs.
Fuchs war äußerst vielseitig begabt. Er war Maler, Grafiker, Architekt, Bühnenbildner, Autor, Musiker. Er war Mitbegründer der „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“. Und phantastisch sind seine exzentrischen Werke allemal. Hier vereinen sich religiöse, mythologische, visionäre, erotische Motive, auch die Verbindung zum Symbolismus und Surrealismus ist unverkennbar. „Sie sind der Dali der Deutschen“, soll sein Förderer Salvador Dali einst zu Ernst Fuchs gesagt haben.
Seine Kunst polarisiert bis heute. Für die einen ist sie schwülstiger esoterischer Kitsch, für die anderen visionäre Inspirationsquelle. „Erkenntnisse suchen mich heim, die zu finden ich gar nicht gehofft hatte“, sagte Fuchs über sein Schaffen. Und der Erfolg gab ihm Recht. Ernst Fuchs war zu seiner Zeit angesagt. Er verkehrte mit vielen Promis dieser Welt, er porträtierte Falco und Placido Domingo. Zusammen mit Friedensreich Hundertwasser gehörte er im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zu den bekanntesten und schillerndsten österreichischen Künstlerpersönlichkeiten. Der Vater von sechzehn Kindern von sieben Frauen, dessen Markenzeichen seine selbstentworfenen Brokatkappen und der rötlich gekräuselte Bart waren, gefiel sich gerne in der Rolle des Universalkünstlers.
Am Ende, nach Lebensstationen in Paris, den USA, Israel und der Côte d’Azur, zog es ihn wieder zurück in die Wagner-Villa. Dort lebte er bis zu seinem Tod im Untergeschoss, über ihm sein Vermächtnis an die Nachwelt: die sorgfältig inszenierte Fuchs-Wagnersche Kunstsymbiose.