Gustave Moreau

Paris, Frankreich

Foto: Wikimedia commons/Gustave Moreau (Ausschnitt)

Ich glaube nur an das, was ich nicht sehe und allein an das, was ich fühle.

06.04.1826

18.04.1898

musee-moreau.fr

André Breton träumte davon, des Nachts mit einer Laterne in das Haus von Gustave Moreau einzudringen, um eine gemalte Fee „im Dunkel zu überraschen“. „Es ist ein mächtiger Zauber“, schwärmte er über das auch heute noch staunenswerte Pariser Domizil, das sich der Maler Gustave Moreau erschaffen hatte – ein Sanktuarium, fern der sich schon damals immer schneller drehenden Welt mit ihrem Vernunft- und Fortschrittsglauben. Moreaus Welt hingegen war die der Träume, der Geheimnisse, der Empfindungen: „Ich glaube nur an das, was ich nicht sehe und allein an das, was ich fühle; mein Gehirn und meine Vernunft scheinen mir vergänglich und von einer zweifelhaften Wirklichkeit zu sein; allein mein inneres Gefühl halte ich für ewig und unanzweifelbar zuverlässig.“

In der Bibel, in der griechischen, römischen und  orientalischen Mythologie fand der Maler die Motive für seine farbkräftigen, oftmals mit edlem Goldton imprägnierten Werke. Die Phantastik seiner Bildmotive inspirierte noch nachfolgende Künstler wie die Fauves, darunter seinen Schüler Henri Matisse, sowie Surrealisten wie Salvador Dali und André Breton. Aber auch Zeitgenossen wie der Fin-de-Siècle-Romancier Joris-Karl Huysmans waren fasziniert von der spannungsgeladenen Erotik und unterschwelligen Gewalt in Moreaus Bildern. „Seine Malerei, von merkwürdiger Wirkung und gewollter Originalität, ist eine Malerei für die anspruchsvollen, überfeinerten Seelen“, so Théophile Gautier, ein anderer Zeitgenosse. Kunstgeschichtlich stand Moreau zwar der Romantik und dem aufkommenden Symbolismus nahe, sein eklektizistisches Werk ist dennoch nicht eindeutig einer klaren Richtung zuzuschreiben. Seine Kunst war wie er selbst, solitär und eigenwillig.

Seit 1852 lebte er in dem herrschaftlichen Stadthaus nahe dem Montmartre, das seine gutsituierten Eltern erworben hatten und das er über deren Tod hinaus allein bewohnte. 1895/96 verwirklichte er zusammen mit dem Architekten Albert Lafon seinen langgehegten Plan, das Haus schon zu Lebzeiten in ein Museum umzuwandeln. Materiell unabhängig, war er nie gezwungen gewesen, seine Bilder zu verkaufen. „Ich liebe meine Kunst so sehr, dass ich nur glücklich bin, wenn ich sie allein für mich selbst machen kann.“ So war es Moreau ein Bedürfnis, seinem Lebenswerk Raum zu schaffen, es museal zu inszenieren und als Ensemble zu bewahren: „Ich denke an meinen Tod und an das Schicksal meiner armen kleinen Arbeiten und an alle die Werke, die ich mit Mühe zusammengetragen habe. Vereinzelt werden sie untergehen, vereint werden sie ein wenig von der Idee Zeugnis ablegen, wer ich als Künstler bin und in welcher Umgebung ich meinen Träumen nachhing.“

Für seine immense Sammlung ließ er den zweiten und dritten Stock zu hohen Atelier- und Ausstellungsräumen ausbauen und sie durch eine gusseiserne Wendeltreppe im Art-Nouveau-Stil miteinander verbinden. Aber auch die neugeschaffenen Räume reichten nicht aus, um die enorme Fülle an Gemälden, Zeichnungen und Aquarellen zu präsentieren, mit denen die Wände regelrecht tapeziert sind.

In der ersten Etage lag die ehemalige Wohnung seiner Eltern, die Moreau nach deren Tod weiterhin bewohnte: enge, überladene Räume im Dämmerlicht, voller Bilder, Fotografien, Antiquitäten und persönlicher Erinnerungsstücke. Das Arbeits- und Empfangszimmer liegt zur Straßenseite hin. Am Esszimmer vorbei erreicht man das Schlafzimmer und das sich anschließende Boudoir. Für seine langjährige, geradezu obsessiv geheimgehaltene Geliebte Alexandrine Dureux hatte Moreau nach deren Tod 1890 dieses Gedenkzimmer eingerichtet.

Alles im Haus folgt einem fein durchdachten Arrangement. Moreaus Wunsch war es, dem französischen Staat dieses intime Refugium zu vererben, um daraus ein öffentliches Museum zu machen und „diese Sammlung zu erhalten und sie als Ganzes zu bewahren, sodass man stets die Summe der Arbeit und der Mühen des Künstlers zu seinen Lebzeiten ermessen kann.“ So haben wir Heutigen das Glück, in die sorgsam gehütete Weltabgeschiedenheit Gustave Moreaus einzutreten und die bizarren Träume und Sehnsüchte einer vergangenen Zeit leise zu erahnen.