Max Liebermann
Berlin, Deutschland
Foto: Wikimedia commons/Jacob Hilsdorf, ca. 1904 (Ausschnitt)
20.07.1847
08.02.1935
Die Liebermann-Villa am Großen Wannsee ist ein nahezu idealtypischer Ort des Impressionismus. In seinem Spätwerk schöpfte Max Liebermann reichlich aus diesem heiteren Reservoir impressionistischer Motive – Wolken, Wasser, Boote, Blumen, Bäume. Viele seiner Gemälde entstanden hier am See, einige sind heute im Obergeschoss des Hauses zu sehen.
1909 konnte Max Liebermann in der vornehmen Villenkolonie Alsen eines der letzten Grundstücke mit direktem Seezugang erwerben. Mit klaren Vorstellungen, wie sein Domizil aussehen sollte, ging er auf den Architekten Paul Baumgarten zu: „Wenn ich hier am Ufer stehe, so will ich durch das Haus hindurch auf den Teil des Gartens sehen können, der dahinter liegt. Vor dem Haus soll eine einfache Wiese angelegt werden, so dass ich von den Zimmern aus ohne Hindernis auf den See sehen kann. Und links und rechts vom Rasen will ich gerade Wege. Das ist die Hauptsache. Noch etwas, das Zimmer, das in der Achse liegt, soll der Essraum sein.“
1910 verbrachte der Maler zusammen mit seiner Frau Martha und der Tochter Käthe zum ersten Mal die Sommermonate im neuen Haus - ein Rückzugs- und Kontrastort zum Berliner Großstadttrubel und zum repräsentativen Stadtpalais der Familie am Brandenburger Tor. „Ich empfinde zum ersten Male in meinem Leben das Gefühl, auf der eigenen Scholle zu sitzen“, schrieb Liebermann an Alfred Lichtwark, den Direktor der Hamburger Kunsthalle, der ihm bei der Haus-und Gartengestaltung beratend zur Seite stand.
Liebermanns architektonische Vorbilder waren der klassizistische Villenbau wie auch Goethes Gartenhaus im Weimarer Ilm-Park. Die Westfassade des zweistöckigen Gebäudes wird von einer Loggia geprägt, die von zwei dorischen Säulen flankiert wird. An der Ostfassade mit Dreiecksgiebel wiederholt sich dieses Motiv in einer seitlichen Loggia mit eigens von Liebermann gestalteten antikisierenden Fresken. Die Wohnräume im Erdgeschoss öffneten sich zur Terrasse, während im Obergeschoss die Schlafräume und das Atelier des Hausherrn lagen. Auch wenn das originale Mobiliar heute verschollen ist und nur wenige ursprüngliche Bauelemente wieder freigelegt werden konnten, atmet das Anwesen noch immer die Atmosphäre der Liebermann-Ära.
Mit dem Gebäude korrespondiert der Garten, der nach Gemälden und historischen Vorlagen rekonstruiert werden konnte. Er gilt als herausragendes Beispiel für den damals in Mode gekommenen sogenannten Reformgarten. Auf der Westseite zur Straße hin liegt der von niedrigen Hecken eingefasste Nutz- und Staudengarten, dessen Längsachse bis zur Querachse mit acht geradlinig geschnittenen Lindenbäumen reicht. Sie trennt diesen Bereich vom Vorplatz des Hauses.
Auf der terrassenförmig angelegten Seeseite hingegen dominieren die Zierpflanzen. Drei parallele Wege führen hinunter zum Wasser. Rechterhand zieht sich der bezaubernde Birkenweg entlang, linkerhand liegen die drei Heckenkabinette mit dem rekonstruierten Fischotterbrunnen von August Gaul. Ein Steg mit Aussichtsplattform verlängert die Gartenachsen in den See hinein.
Bis kurz vor seinem Tod verbrachte Max Liebermann die Sommermonate regelmäßig am Wannsee - an einem Ort, der heute durch die historische Koinzidenz beklemmend wirkt. Nur wenige Gehminuten von der Liebermann-Villa entfernt liegt das Gebäude der berüchtigten Wannsee-Konferenz, 1914 ebenfalls von Paul Baumgarten für den Fabrikanten Ernst Marlier erbaut. Hier beschlossen die Nationalsozialisten im Januar 1942 - mit Blick auf denselben See - die „Endlösung der Judenfrage“.
Max Liebermann, der große Maler des deutschen Impressionismus und Repräsentant des arrivierten jüdischen Großbürgertums, bekam das sich verschärfende antisemitische Klima am eigenen Leib zu spüren. Wurde er zu seinem 80. Geburtstag noch von höchster Stelle gefeiert und zum Berliner Ehrenbürger ernannt, so galt er wenige Jahre später als Persona non grata. Seine Kunst wurde als jüdisch diffamiert. „Ich bin doch nur ein Maler, und was hat die Malerei mit dem Judentum zu tun?“, entgegnete Liebermann. Für ihn hatte „Kunst weder mit Politik noch mit Abstammung etwas zu tun.“
Verbittert über das Scheitern der jüdischen Assimilation starb er 1935 in seiner Heimatstadt Berlin. Seine Tochter konnte sich nach den Novemberpogromen 1938 ins amerikanische Exil retten. Seine Frau jedoch wurde 1940 gezwungen, das Haus am Wannsee an die Deutsche Reichspost abzutreten. Als ihr 1943 die Deportation ins KZ Theresienstadt drohte, nahm Martha Liebermann sich das Leben.
Das Berliner Stadtpalais der Liebermanns fiel dem Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs zum Opfer, ihr Sommerhaus am Wannsee der Geschichtsvergessenheit der Nachkriegszeit. Beinhahe - denn dank bürgerschaftlichen Engagements konnte dieses architektonische Kleinod 2006 sein glanzvolles Wiedererstehen feiern.