Adalbert Stifter

Linz, Österreich

Foto: Wikimedia commons (Ausschnitt)

Im Kleinen und im Kleinsten verehre ich das Große.

23.10.1805

28.01.1868

stifterhaus.at

„Der Fluss geht ruhig, aber von keinen reizenden Lichtern geschmückt in seinen Ufern fort. Die Kunst sendet ihr heiteres Lächeln zu uns.“ So lässt sich mit Adalbert Stifters Worten seine Lebenssituation in der österreichischen Stadt Linz beschreiben. Der behäbige Alltag mit seiner Frau Amalia steht in unübersehbarem Kontrast zu den gelingenden Lebensentwürfen, denen wir in Stifters literarischen Werken begegnen. Dabei hatte er durch seine Stellung als Schulinspektor und Konservator für die oberösterreichischen Baudenkmale ein Einkommen, das dem Ehepaar ein behagliches Leben ermöglichte mit Theaterbesuchen und  Steckenpferden wie Kakteen- und Seidenraupenzucht. Dennoch plagten ihn zeitlebens Geldnöte. Der gediegene Lebensstil, von dem heute im Museum noch originale Möbel und erlesener Hausrat zeugen, hatte seinen Preis. Auch die opulenten Mahlzeiten trugen wohl zur prekären finanziellen Situation bei. Stifter verschlang Unmengen, literweise Bier und Wein durften dabei nicht fehlen. Nach den seinen Amtsgeschäften abgerungenen Stunden der Schriftstellerei „harrt meiner eine ganze Ente. Mich hungert aber jetzt schon so, dass ich glaube, ich esse zwei.“

1848 waren die Eheleute von Wien nach Linz übergesiedelt. Stifter, der zu Beginn der 1948-Revolution mit deren Freiheitsideen sympathisiert hatte, distanzierte sich aufgrund der zunehmenden Radikalisierung nun auch räumlich davon. In Linz bezog er mit Amalia den repräsentativen Biedermeierbau an der damaligen Unteren Donaulände. Dort im zweiten Stock lebte er bis zu seinem Tod 1868. „Vom Salon aus sieht man auf die Donau und die Berge“, schwärmte er in einem Brief. Heute sind diese Räume Teil des Oberösterreichischen Literaturmuseums. Im ehemaligen Arbeitszimmer, Salon, Schlafzimmer, Speisezimmer und in der Küche sind aus Stifters Besitz Möbel, Haushaltsgegenstände, Schriftstücke und Gemälde ausgestellt. Ja, Stifter war zeitlebens auch Maler.

Sein malendes Dichterauge schaute genau hin. Stifter gilt als meisterhafter Landschafts- und Naturschilderer. „Im Kleinen und im Kleinsten verehre ich das Große“, war sein Credo. Aber gerade dieses kleinteilige, langsame Beschreiben gefällt nicht jedem. „Was wird hier nicht alles betrachtet und geschildert“, lästerte sein Schriftstellerkollege Friedrich Hebbel über den Roman „Nachsommer“, „es fehlt nur noch die Betrachtung der Wörter, womit man schildert, und die Schilderung der Hand, womit man diese Betrachtung niederschreibt.“

Stifter legte in seiner Kunst Wert auf eine „schönere Beleuchtung der Welt“.  In seinem literarischen Kosmos finden die Menschen ihr beschauliches Glück in einem Leben im Einklang mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur, im rechten Maß und in der rechten Ordnung. Dennoch ist Stifter, der aus einer böhmischen Weber- und Flachshändlerfamilie stammte, kein naiv harmonisierender Heimatschriftsteller. „Stifter ist einer der merkwürdigsten, hintergründigsten, heimlich kühnsten und wunderlich packendsten Erzähler der Weltliteratur, kritisch viel zu wenig ergründet“, attestierte ihm etwa Thomas Mann­­­­­­­­­.

Adalbert Stifters Literatur ist Entschleunigungsliteratur. Seine oftmals idealisierten Lebenswelten entwerfen ein Gegenmodell zu seiner eigenen Lebenswelt. Hier gab es die kinderlos gebliebene Ehe mit der Putzmacherin Amalia Mohaupt, zweifellos zweite Wahl nach der unerfüllten Liebe zu Fanny Greip. Hier gab es die verunsichernden politischen, wirtschaftlichen und technischen Umbrüche im Gesellschaftsgefüge. Dann kam die Verdüsterung durch die Krankheit, wahrscheinlich Leberzirrhose, hinzu. Stifters letzte Lebensjahre waren geprägt von Einsamkeit, Leiden und Schwermut. „Meine Wohnung ist mein Königreich. Der Welthändel entschlage ich mich, sie sind so trübselig.“ Ob er sich aus Schmerzensqual oder selbstmörderischer Absicht  mit dem Rasiermesser in die Kehle schnitt, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Stifter verstarb zwei Tage danach auf dem Sofa in seiner Linzer Wohnung. Sein Wunsch war es, wie es in der Vorrede zur Erzählsammlung „Bunte Steine“ heißt, mit seinen literarischen Werken „ein Körnlein Gutes zu dem Baue des Ewigen beizutragen.“ Das ist ihm ohne Zweifel gelungen.