Karen Blixen
Rungsted, Dänemark
Ich habe nur einen einzigen Ehrgeiz: Geschichten zu erfinden, sehr schöne Geschichten.17.04.1885
07.09.1962
„Ich hatte eine Farm in Afrika, am Fuß der Ngong-Berge.“ Mit diesem legendären ersten Satz beginnen Karen Blixens Erinnerungen an ihre Jahre in Afrika. Ihr Buch „Jenseits von Afrika“, geschrieben auf dem elterlichen Landgut Rungstedlund nördlich von Kopenhagen, machte die dänische Schriftstellerin weltberühmt.
Das Abenteuer Afrika begann für die 28-jährige Karen im Jahr 1914. Zusammen mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Bror Baron von Blixen-Fineck, einem schwedischen Vetter zweiten Grades, wollte sie in Britisch-Ostafrika mit einer Kaffeeplantage ihr Glück machen. Für Karen, die sich gern mit ihrem neuen Titel „Baronin“ schmückte, war es die ersehnte Gelegenheit, aus der Enge ihres bürgerlich-protestantischen Elternhaus auszubrechen. Mit dem Geld ihrer Familie erwarb das Paar Farmland in der Nähe von Nairobi. Bald jedoch stellte sich heraus, dass Bror weder Interesse noch Begabung für das Farmleben hatte. Meistens war er abwesend, auf Frauen- oder Großwildjagd, ein Hallodri, der mit dem Geld seiner Frau das Leben genoss und, mehr noch, sie bereits nach kurzer Zeit mit Syphilis angesteckt hatte. Zwar konnte die Krankheit eingedämmt werden, aber an den schmerzhaften Folgen litt Karen Blixen ein Leben lang.
Afrika hatte schon bald ihr Herz erobert – die Landschaft, die Menschen, die Tiere. „Eine große Welt von Poesie hat sich mir hier eröffnet und mich in ihren Bann gezogen,“ schrieb sie an die Mutter. „In diese Landschaft brachten wir Weißen, mit unseren schweren Stiefeln und fast immer in Eile, ständig einen schrillen Misston.“ Karen lebte als Herrin der Plantage neben und mit den Eingeborenen, nicht gegen sie wie der Großteil der weißen Oberschicht. Von einigen ihrer Untergebenen fertigte sie, die als junge Frau ein Kunststudium absolviert hatte, sogar Porträts an. Sie gründete für ihre Leute eine Schule und kümmerte sich um die Kranken. Gleichwohl war sie auch ganz dezidiert ein Teil der snobistischen Kolonialgesellschaft, ging gerne auf Empfänge und Safaris.
Voller Elan führte sie die Geschäfte der Plantage. Aber die Kaffeeernte auf dem kenianischen Hochland brachte nicht die erhofften Erträge. Noch einmal griff die Familie ihr finanziell unter die Arme, allerdings unter der Bedingung, dass Bror sich komplett aus dem Farmgeschäft zurückzuziehen habe. Der hatte sowieso andere Pläne und wollte die Scheidung.
Ein anderer Mann, ihre große Liebe, der englische Aristokrat Denys George Finch Hatton, trat in Karens Leben. Er zog sie nicht nur erotisch, sondern auch intellektuell-künstlerisch an. „Ich bin, wie ich glaube, für Zeit und Ewigkeit an Denys gebunden, gezwungen, den Erdboden zu lieben, auf den er tritt, über die Maßen glücklich zu sein, wenn er hier ist, und jedes Mal Schlimmeres als den Tod zu erleiden, wenn er geht“, bekannte sie ihrem Bruder Thomas. Vermutlich erinnerte Denys sie auch an ihren geliebten Vater Wilhelm, ebenfalls ein gebildeter, wagemutiger Mann, der sich, Karen war damals knapp zehn Jahre alt, nach einer Syphilisdiagnose das Leben genommen hatte. Doch zu ihrem Leidwesen ließ sich Denys nicht wirklich binden und verpflichten, entzog sich der Geliebten immer wieder. Auch ihre Fehlgeburten, ausgelöst durch die Vorerkrankung, trieben Karen in Depression und Einsamkeit. 1929 trennten sich die beiden.
Mit der Kaffeeplantage ging es weiter bergab. Brände, Dürreperioden, Missernten und sinkende Weltmarktpreise machten Karen zu schaffen. Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als ihre Farm zu verkaufen. Dann die Nachricht, dass Denys mit seinem Flugzeug abgestürzt und zu Tode gekommen war. Nun hatte sie alles verloren. 1931 im Alter von 46 Jahren kehrte sie heim aufs ländliche Familienanwesen. Geschieden, bankrott und erschöpft, „ein Schatten von einer Frau“, so ihr Bruder Thomas, kam sie in Dänemark an. Was für eine Schmach, aus dem selbstbestimmten, freiheitlichen Leben, das sie über 17 Jahre lang in Afrika geführt hatte, herauskatapultiert zu werden, bei ihrer Mutter Ingeborg Dinesen unterzukommen und vom Geld der Familie abhängig zu sein. Hatte sie nicht einmal aus Afrika ihrer Tante geschrieben: Ich „möchte lieber hier draußen sterben, wenn es denn sein sollte, statt wie eine Fliege in einer Flasche zu leben“?
Sie sah nur eine Rettung, sich auf ihre Begabung des Schreibens und Geschichtenerzählens zu besinnen, die sie schon als junges Mädchen für sich entdeckt und erprobt hatte. „Ich habe nur einen einzigen Ehrgeiz: Geschichten zu erfinden, sehr schöne Geschichten.“ 1934 kam in den USA unter dem Pseudonym Isak Dinesen ihr Erzählband „Sieben phantastische Geschichten“ heraus. Ein erster Erfolg, dann 1937 der Triumph mit „Jenseits von Afrika“. Nun war sie wieder die Grande Dame. Sie wurde eingeladen und gefeiert, genoss ihre extravaganten Auftritte. Als ihre Mutter 1939 starb, wurde sie auch Herrin in Rungstedlund. In diesem Haus, in dem sie als Karen Christentze Dinesen geboren worden und im Kreis von vier Geschwistern aufgewachsen war, wohnte bis zum Lebensende.
Der gediegen-gemütlich eingerichtete Gutshof, umgeben von Wald und Wiesen, ist noch immer mit großenteils originalem Mobiliar eingerichtet. Karens Arbeitszimmer mit Blick zum Hafen versammelt ihre afrikanischen Devotionalien, Speere, Schilde, Gewehre und gerahmte Fotografien von Denys. Noch heute ist eine Leidenschaft Karens – „Ich könnte ohne Blumen nicht leben“ – in den blumengeschmückten Räumen lebendig. Sie liebte es, wie eine Künstlerin Sträuße zu komponieren: „Es ist jedes Mal so, als würde man ein Bild malen.“
Mit dem Alter nahmen die Schmerzen weiter zu. Die Schwermetalle, die ihr wegen der Syphilisbehandlung verabreicht worden waren, hatten ihren Körper zerstört. Gespenstisch abgemagert soll sie nur noch von Champagner, Austern und Zigaretten gelebt haben. Sie starb mit 77 Jahren in Rungstedlund. Auch ihr Grab unter einer alten Buche befindet sich dort. „Wir müssen das Leben prägen, während wir Macht darüber haben, dass es sich nicht, wenn wir aus ihm herausgehen, ohne Spur schließt“, heißt es in ihrer Erzählung „Der Einsiedler“. Karen Blixen hat große Spuren hinterlassen.