Louis Armstrong
New York City, USA

Foto: Wikimedia Commons/Harry Warnecke and Gus Schoenbaechler, 1947 (Ausschnitt)
04.08.1901
06.07.1971
Es gibt ihn, den legendären American Dream. Der Jazztrompeter und -sänger Louis Armstrong ist ein Paradebeispiel dafür. Von ganz unten schaffte er es nach ganz oben und zog kurz vor seinem Tod das Fazit: „Ich denke, ich hatte ein wunderschönes Leben. Ich hatte keine Wünsche, die ich mir nicht erfüllen konnte, und ich habe nahezu alles erreicht, weil ich dafür gearbeitet habe.“
Aufgewachsen im Armenviertel von New Orleans, mit einem Vater, der sich schon bald in die Büsche schlug, und einer Mutter, die sich als Gelegenheitsprostituierte verdingte, verbrachte Louis die ersten Jahre bei seiner Großmutter. Nach der fünften Klasse musste er die Schule verlassen, um mit Handlangerjobs zum Lebensunterhalt beizutragen. Wie er selbst rückblickend sagte, war es ein Leben unter „Kirchenleuten, Glücksspielern, Gaunern, Zuhältern, Dieben, Prostituierten und einem Haufen Kinder.“ Und so problematisch das Elendsmilieu für die kindliche Entwicklung wohl gewesen sein mag, eines hatte die Hafenstadt New Orleans gewiss zu bieten: Musik, genauer gesagt die damals noch junge Jazzmusik. Hier gab es an jeder Ecke Musikbars und „um Leute anzulocken, spielten die Musiker auch draußen vor dem Laden. Wir Kinder standen dann auf der anderen Straßenseite, hörten zu und tanzten.“
Vielleicht war es ein Glück, dass der junge Louis in der Silvesternacht 1912 mit dem Revolver seines gerade aktuellen Stiefvaters aus Übermut in die Luft schoss und daraufhin im Jugendarrest landete. Denn dort bekam er weitere musikalische Anregungen und die Möglichkeit, auf dem Kornett, einem trompetenähnlichen Instrument, zu spielen. Nach seiner Entlassung tingelte er durch Bars und Kneipen und heuerte als Musiker auf einem Mississippi-Dampfer an. Sein musikalisches Talent blieb nicht unbemerkt. 1922 ging er nach Chicago und später nach New York. Armstrong emanzipierte sich dort mit seinem innovativen Solospiel schnell von seinen Lehrmeistern. 1925 entstanden erste eigene Plattenaufnahmen, 1927 wechselte er endgültig zur härter klingenden Trompete und bald folgte eine Tournee nach der andern. Sein brillantes Spiel, seine Improvisationsgabe, seine musikalische Perfektion waren außergewöhnlich. „Ich und mein Horn, wir kennen uns. Wir wissen, was wir können. Wenn ich da reinblase, ist es, als wären ich und mein Horn ein und dasselbe Ding.“ Sein Trompetenspiel ergänzte Armstrong gekonnt durch Scatgesang, eine improvisierte Aneinanderreihung einzelner Silben.
Als er in den 1950er/60er Jahren wegen seiner angeschlagenen Gesundheit das Trompetenspiel einschränken musste, wechselte er vermehrt zu Gesang und Entertainment, spielte in zahlreichen Filmen und Musicals mit und landete Hits wie „Hello Dolly“ oder „What a wonderful world“. Das Liebeslied „We have all the time in den world“ war gleich in zwei James-Bond-Filmen die unvergessliche Begleitmelodie.
Armstrong war der erste schwarze Weltstar der USA, er machte den Jazz international populär. Zu seinem Markenzeichen wurden sein breites Grinsen, seine rollenden Augen und vor allem sein großer Mund, der ihm den Spitznamen „Satchmo“ eintrug (von satchel mouth, ein Mund so groß, dass ein Schulranzen reinpassen würde). Die Art, wie er seine Trompete und seine charakteristische Reibeisenstimme einsetzte, ging den Menschen unter die Haut. „Musik ist Gefühl. Wenn du richtig spielst, weinen die Leute“, davon war Armstrong überzeugt.
Sein freundliches und offenes Auftreten lag wohl in seinem Wesen. Mag sein, dass es von den durch Marihuana hervorgerufenen „traumhaften Momenten“ noch verstärkt wurde. „Ich rauche es seit vielen Jahren täglich“, bekannte er. Freilich rief seine ewige gute Laune auch Kritiker auf den Plan, die ihm Anbiederung ans weiße Publikum vorwarfen. Man muss Armstrong aber zugutehalten, dass er sich immer wieder öffentlich und privat für die Bürgerrechte der afroamerikanischen Bevölkerung einsetzte.
Seine allürenfreie Bodenständigkeit zeigt sich auch in der Wahl seines Wohnsitzes in Queens, einem Bezirk von New York City, wo er mit seiner vierten Ehefrau Lucille von 1943 bis zu seinem Tod lebte. Die beiden wollten ganz bewusst zurückgezogen unter einfachen Leuten wohnen. Das rote Backsteinhaus wirkt für einen Prominenten wie Armstrong mehr als bescheiden. Die Innenausstattung freilich trägt dann eher die Handschrift von Lucille, tourte ihr vielbeschäftigter Mann doch meist durch die Welt: eine knallig türkislackierte Küche, viel Plüsch und Schnörkel, dazwischen jede Menge Bilder und Erinnerungsstücke. In Armstrongs Büro dominiert schweres, dunkles Holz, der Schreibtisch und die Regale sind angefüllt mit Schallplatten, Notizen und Tonbändern.
Louis Armstrong fühlte sich ausgesprochen wohl in diesem Zuhause und in dieser Nachbarschaft. „Das Haus ist vielleicht nicht das schönste“, schrieb er, „doch wer es betritt, das Heim der Armstrongs, der findet viel Gemütlichkeit und Glücklichsein.“ Seit 2023 ist auf der anderen Straßenseite ein moderner Erweiterungsbau hinzugekommen, der eine Ausstellung zu Leben und Werk des Künstlers, einen Konzertsaal und das Archiv beherbergt. Der Balkon ist eine Referenz an den gegenüberliegenden Balkon des Wohnhauses, auf dem Armstrong gelegentlich für seine Nachbarn Trompete gespielt haben soll. In diesem Haus verstarb der große Jazzmusiker im Schlaf an einem Herzinfarkt, kurz vor seinem 70. Geburtstag. Er ist auf dem Friedhof in Queens begraben.