Max Liebermann
Berlin, Deutschland
Ich bin doch nur ein Maler, und was hat die Malerei mit dem Judentum zu tun?20.07.1847
08.02.1935
Die Liebermann-Villa am Großen Wannsee ist ein geradezu idealtypischer Ort des Impressionismus. Und Max Liebermann hat in seinem Spätwerk aus diesem heiteren Reservoir impressionistischer Motive – Wolken, Wasser, Boote, Blumen, Bäume – reichlich geschöpft. Viele seiner Gemälde entstanden hier am Wannsee, einige davon sind heute im Obergeschoss des Hauses zu sehen.
1909 konnte Max Liebermann in der vornehmen Villenkolonie Alsen eines der letzten Grundstücke mit direktem Seezugang erwerben. Mit genauen Vorstellungen, wie sein Domizil auszusehen habe, ging er auf den Architekten Paul Baumgarten zu: „Wenn ich hier am Ufer stehe, so will ich durch das Haus hindurch auf den Teil des Gartens sehen können, der dahinter liegt. Vor dem Haus soll eine einfache Wiese angelegt werden, so dass ich von den Zimmern aus ohne Hindernis auf den See sehen kann. Und links und rechts vom Rasen will ich gerade Wege. Das ist die Hauptsache. Noch etwas, das Zimmer, das in der Achse liegt, soll der Essraum sein.“
1910 verbrachte der Maler zusammen mit Ehefrau Martha und Tochter Käthe zum ersten Mal die Sommermonate im neuen Haus, ein Rückzugs- und Kontrastort zum Berliner Großstadttrubel und zum repräsentativen Stadtpalais der Liebermanns am Brandenburger Tor. „Ich empfinde zum ersten Male in meinem Leben das Gefühl, auf der eigenen Scholle zu sitzen“, schrieb er an den Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark, der ihm bei der Haus-und Gartengestaltung beratend zur Seite gestanden hatte.
Liebermanns architektonische Vorbilder waren der klassizistische Villenbau, aber auch Goethes Gartenhaus im Weimarer Ilm-Park. An der Westfassade des zweistöckigen Gebäudes dominiert eine von zwei dorischen Säulen flankierte Loggia. An der Ostfassade mit Dreiecksgiebel wiederholt sich dieses architektonische Element in der seitlichen Loggia mit eigens von Liebermann gestalteten antikisierenden Fresken. Die Wohnräume im Erdgeschoss hatten direkten Zugang zur Terrasse, im Obergeschoss lagen die Schlafräume und das Atelier des Hausherrn. Auch wenn das originale Mobiliar heute verschollen ist und nur wenige ursprüngliche Bauelemente wieder freigelegt werden konnten, atmet das Anwesen immer noch die Atmosphäre der Liebermann-Ära.
Mit dem Gebäude korrespondiert der Garten, der nach Gemälden und historischen Vorlagen rekonstruiert werden konnte. Er gilt als herausragendes Beispiel für den damals in Mode gekommenen sogenannten Reformgarten. Auf der Westseite zur Straße hin bildet der in niedrige Hecken eingefasste Nutz- und Staudengarten die Längsachse, die bis zur Querachse mit acht geradlinig geschnittenen Lindenbäumen reicht und diesen Gartenbereich vom Hausvorplatz abtrennt. Auf der terrassenförmig angelegten Seeseite dominieren die Zierpflanzen. Drei parallele Wege führen zum See hinunter. Rechterhand liegt der bezaubernde Birkenweg, linkerhand die drei geometrischen Heckenkabinette mit dem rekonstruierten Fischotterbrunnen von August Gaul. Ein Steg mit Aussichtsplattform verlängert die Achsen in den See hinein.
Bis kurz vor seinem Tod verbrachte Max Liebermann regelmäßig die Sommermonate am Wannsee, einem Ort, der durch seine historische Koinzidenz noch heute beklemmend wirkt. Wenige Fußminuten von der Liebermann-Villa entfernt liegt das Gebäude der berüchtigten Wannsee-Konferenz, ebenfalls erbaut von Paul Baumgarten, 1914 für den Fabrikanten Ernst Marlier. Hier beschlossen die Nationalsozialisten im Januar 1942 mit Blick auf denselben See die „Endlösung der Judenfrage“.
Max Liebermann, der große Maler des deutschen Impressionismus und Repräsentant des arrivierten jüdischen Großbürgertums in Berlin, bekam das sich zunehmend verschärfende antisemitische Klima am eigenen Leib zu spüren. Wurde er an seinem 80. Geburtstag noch von höchster Stelle gefeiert und zum Ehrenbürger der Stadt erhoben, so war er wenige Jahre später zur Persona non grata herabgewürdigt worden. Seine Kunst wurde als jüdisch diffamiert. „Ich bin doch nur ein Maler, und was hat die Malerei mit dem Judentum zu tun?“, entgegnete Liebermann. Seiner Ansicht nach habe „Kunst weder mit Politik noch mit Abstammung etwas zu tun“. Verbittert über die gescheiterte jüdische Assimilation verstarb er 1935 in seiner Heimatstadt Berlin. Seine Tochter konnte sich nach den Novemberpogromen 1938 ins amerikanische Exil retten, seine Frau wurde 1940 gezwungen, das Haus am Wannsee an die Deutsche Reichspost abzutreten. Bevor sich die Schlinge mit der Deportation ins KZ Theresienstadt zuziehen konnte, beging Martha Liebermann 1943 Selbstmord.
Das Berliner Stadtpalais der Liebermanns zerstörte der Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs. Ihr Sommerhaus am Wannsee zerstörte die Geschichtsvergessenheit der Nachkriegszeit. Fast, denn dank bürgerschaftlichen Einsatzes kann dieses architektonische Schmuckstück seit 2006 sein glanzvolles Wiedererstehen feiern.