Axel Munthe

Anacapri (Capri), Italien

Foto: Wikimedia commons/Unknown author, ca. 1930 (Ausschnitt)

Offen für Sonne und Wind und Meeresstimmen, gleich einem griechischen Tempel und Licht, Licht, Licht überall.

31.10.1857

11.02.1949

www.villasanmichele.eu

Ein Leben wie ein Roman. Und so liest sich Axel Munthes Lebensrückblick tatsächlich. Munthe inszenierte seine Biografie als eine Abfolge von Außergewöhnlichem und Einzigartigem, auch wenn der Wahrheitsgehalt nicht immer einer kritischen Nachprüfung standhalten würde. Noch nicht einmal der Autor selbst möchte uns dies weismachen. „Einige Szenen dieses Buches“, so bekennt er, „liegen in dem schwer definierbaren Grenzgebiet, dem gefahrvollen Niemandsland – zwischen Tatsache und Phantasie.“ Sein „Buch von San Michele“, erstmals erschienen 1929, wurde ein internationaler Bestseller. Munthes Leben als Arzt und Munthes Leben als Schöpfer seines Traumhauses „San Michele“ trafen damals offensichtlich den Nerv einer breiten Leserschaft.

Der Keim zu seinen Hausplänen wurde schon früh gelegt. Im Alter von neunzehn Jahren bereiste Axel Munthe zum ersten Mal die Insel Capri und entdeckte hoch oben auf einer Felskuppe bei Anacapri die Ruine der mittelalterlichen Kapelle San Michele. Die Erinnerung an den „Genius dieser Stätte“ ließ ihn fortan nicht mehr los. Munthe studierte Medizin und promovierte mit 23 Jahren an der Pariser Sorbonne. Die Hypnose-Experimente des Neurologen Jean-Martin Charcot, bei dem auch Sigmund Freud in die wissenschaftliche Lehre gegangen war, beeinflussten ganz entscheidend seinen weiteren beruflichen Weg. Munthe, der zunächst in Paris, später in Rom als Arzt praktizierte, legte seinen Therapieschwerpunkt auf psychosomatische Krankheitsbilder. „Vertrauen erwecken“ war sein ärztliches Geheimnis. „Ein Arzt, der diese Gabe hat, vermag nahezu Tote zu erwecken.“ Und der Erfolg gab ihm Recht. Nachdem sich ihm auch die schwedische Kronprinzessin und spätere Königin Victoria als Patientin anvertraut hatte, konsultieren ihn immer öfter Mitglieder des Hoch- und Geldadels. Munthe wurde zum Modearzt mit exquisiter Praxis direkt an der Spanischen Treppe im ehemaligen Haus des Dichters John Keats. Seine prominenten Patienten machten ihn reich. So reich, dass er die Menschen in den Armenvierteln kostenlos behandeln konnte und sowohl beim Choleraausbruch in Neapel als auch beim Erdbeben in Ischia helfend zur Stelle war. „Zum Glück hatte ich auch andere Patienten, sogar reichlich, und sie bewahrten mich davor, restlos zum Scharlatan zu werden“, gestand Munthe.

Der wachsende Wohlstand ermöglichte es ihm schließlich, das Grundstück um die Kapelle San Michele herum zu erwerben und in den 1890er Jahren seinen Haustraum auf Capri in die Tat umzusetzen. Zum Vorschein kamen dabei auch Reste einer römischen Villa aus der Zeit von Kaiser Tiberius, der in den letzten Jahren seiner Herrschaft von Capri aus das Römische Reich regiert hatte.

Auf diesem geschichtsträchtigen Boden entstand dann in den folgenden Jahren die Villa San Michele – ganz nach Munthes Vorstellungen, von einem weiteren Architekten war nie die Rede. „Das Haus war klein, es hatte nicht viele Zimmer, aber ringsherum waren Terrassen, Loggien und Pergolen, um Sonne, Meer und Wolken zu betrachten. Die Seele braucht mehr Raum als der Körper“, schwärmte der stolze Hausherr. Die weißgetünchte Villa fügt sich gut in die bergige Umgebung und die traditionelle Architektur Capris ein. Sie steckt voll sorgfältig arrangierter Antiquitäten und Kunstschätze aus den verschiedensten Epochen. Dominierend ist die griechische und römische Antike mit kostbaren Mosaikfußböden und Skulpturen, teils Originalen, teils Kopien. Und wie in Munthes Biografie lässt sich auch da auf den ersten Blick das Echte vom Unechten nur schwer unterscheiden. Der überwältigenden Gesamtkomposition aber tut dies keinen Abbruch, im Gegenteil, die Villa zog viele Bewunderer an. Oscar Wilde, Rainer Maria Rilke und Henry James etwa statteten ihr einen Besuch ab, auch Hermann Göring warf ein begehrliches Auge auf das Anwesen.

Durch eine Säulenhalle hindurch öffnet sich das Haus zum terrassiert angelegten Garten. Eine Zypressenallee mit einem künstlich angelegten Bächlein führt zur Kapelle hinüber, die der Hausherr als Bibliothek und Musiksaal nutzte. Und ganz hinten auf der Balustrade dann der wohl bekannteste Glanzpunkt: die jahrtausendealte steinerne Sphinx, die majestätisch auf den atemberaubenden Golf von Neapel hinausblickt. Jean Paul übrigens, ein von Munthe geschätzter Autor, hat in seinem Roman „Titan“ die Form der Insel Capri mit einer Sphinx verglichen.

Das Haus zelebriert die Schönheit der antiken Kunst. Es ist „offen für Sonne und Wind und Meeresstimmen, gleich einem griechischen Tempel und Licht, Licht, Licht überall.“ Auch an anderen Orten gab es zeitgleich Bauherren, deren Domizile sich ebenfalls an der griechischen und römischen Antike ausrichteten, so etwa Franz von Stuck in München, Théodore Reinach an der Côte d’Azur oder ein Jahrhundert zuvor Goethe in Weimar und Wilhelm von Humboldt in Berlin.

Auch wenn Munthe in seinem Erinnerungsbuch das ein oder andere hinzufabulierte, eines war er tatsächlich: ein Tierfreund und Tierschützer. Alle Arten von Tieren, besonders Hunde, waren seine ständigen Begleiter. Auch gegen die traditionelle Singvögeljagd kämpfte er erfolgreich an und initiierte auf Capri ein Vogelschutzgebiet.

Es entbehrt nicht der Tragik, dass Axel Munthe diesen ehrgeizig erschaffenen Sehnsuchtsort nur wenige Jahre genießen konnte. Die Welt verdunkelte sich. Seine Sehkraft wurde zunehmend schwächer, ein Auge musste durch ein Glasauge ersetzt werden. Das mediterrane Sonnenlicht, das er so liebte und verehrte, schadete nun. Ab 1907 zog er sich in die Dunkelheit des Turms von Materita zurück, den er nebst anderen Gebäuden in der Umgebung erworben hatte. Dort schrieb er fast erblindet „Das Buch von San Michele“. Die letzten Lebensjahre verbrachte er als Gast des schwedischen Königs in einem Seitentrakt des Stockholmer Schlosses. Dort verstarb er 1949. Sein Anwesen auf Capri vermachte er dem schwedischen Staat.

Mitten in all dieser mediterranen Schönheit war der Tod ein ständiger Begleiter. Das Memento mori lugt immer wieder aus der Pracht von San Michele hervor, so zum Beispiel in der Kopie eines pompejanischen Bodenmosaiks, das ein Gerippe mit Weinkaraffe und Wasserkrug zeigt. Eine Mahnung, das Leben zu genießen, solange man es kann? Dann auf nach Capri zur Villa San Michele und genießen, genießen, genießen.