Victor Hugo

Paris, Frankreich

Foto: Wikimedia commons/Étienne Carjat (Ausschnitt)

Wer das Leben hat, hat Paris in sich, auch wenn er davon nichts ahnt.

26.02.1802

22.05.1885

www.maisonsvictorhugo.paris.fr

Seinen Tod 1885 betrauerten Hunderttausende in den Straßen von Paris. Der Sarg Victor Hugos war unter dem trauerbeflorten Arc de Triomphe aufgebahrt und danach ins Panthéon, die nationale Ruhmeshalle Frankreichs, überführt worden. Victor Hugo, Dramatiker, Romancier, Lyriker und Publizist, war und ist einer der großen Nationaldichter der Franzosen. Der Bekanntheitsgrad seiner Romane „Der Glöckner von Notre-Dame“ und „Die Elenden“ („Les Misérables“) hat heutzutage durch Film und Musical einen weiteren Schub erhalten.

In den historischen Umbrüchen des 19. Jahrhunderts wandelte sich Victor Hugo vom Royalisten zum Republikaner, mischte sich in die politischen Auseinandersetzungen ein und bezog entschieden Stellung für Humanität und Gerechtigkeit. In vielem war er seiner Zeit voraus. Er trat für die Abschaffung der Todesstrafe und die Gründung eines vereinigten Europas ein. Die Not, Armut und Erniedrigung der unteren Gesellschaftsschichten beschrieb und bekämpfte er sowohl in seinen sozialkritischen Werken als auch aktiv in seinem politischen Engagement. „Die wahre Unterteilung der Menschen ist diese, die im Licht und die im Finstern. Die Zahl derer im Finstern mindern, die Zahl derer im Licht mehren, das ist das Ziel“, heißt es in den „Elenden“. Doch seine liberal-republikanische Haltung brachte ihn in Opposition zu Louis-Napoléon Bonaparte, der sich 1852 durch einen Staatstreich zum französischen Kaiser Napoléon III. erhoben hatte. Victor Hugo wurde gezwungen, Paris zu verlassen und ins Exil zu gehen. Neunzehn Jahre lang bekämpfte er von den Kanalinseln Jersey und Guernsey aus das Regime des „kleinen Bonaparte“. Erst nach dessen Sturz 1871 konnte er wieder in seine Herzensstadt Paris zurückkehren: „Wer das Leben hat, hat Paris in sich, auch wenn er davon nichts ahnt. Und erst recht, wer es kennengelernt hat.“

Die Wohnung an der Place des Vosges mitten im Marais-Viertel war Hugos Lebensmittelpunkt vor der Exilzeit. Als 30-jähriger, damals schon ein weithin bekannter und erfolgreicher Autor, bezog er 1832 zusammen mit seiner Frau Adèle und den vier Kindern das 280 m² große repräsentative Domizil im zweiten Stock. Hier lebte er sechzehn Jahre, so lange, wie in keiner anderen seiner zahlreichen Pariser Wohnstätten.

Heute erzählt dieser Ort, übrigens das erste französische Dichtermuseum überhaupt, von den unterschiedlichen Lebensphasen Victor Hugos. Auch wenn die L-förmig angelegte Wohnung nun eine veränderte Raumaufteilung aufweist und nur die ersten beiden Zimmer die Wohnsituation vor den Exiljahren zeigen, vermitteln die Möbel, persönlichen Gegenstände, Manuskripte und Porträts einen guten Eindruck vom damaligen Leben der Familie Hugo. Charles Dickens, der 1847 seinen Dichterkollegen besucht hatte, fasste seine Erinnerung daran so zusammen: „Wir saßen zwischen alten Rüstungen, alten Wandteppichen, alten Truhen, düstren alten Stühlen und Tischen, pompösen alten Baldachinen aus alten Palästen, und die goldenen Löwen schienen mit altersschweren goldenen Kugeln zu kegeln. Die Atmosphäre bei den Hugos war inszeniert als romantisches Schauspiel und erinnerte an ein Kapitel aus einem seiner eigenen Bücher.“  

An das Empfangszimmer und den mit rubinrotem Damast bespannten Salon, von dem aus man einen schönen Blick auf die Ziegelsteinfassaden und Arkadengängen der Place des Vosges hat, schließen sich die Räume aus den Exiljahren in Guernsey an. Das Zimmer in chinesischem Stil mit den Monogrammen VH und JD und das Esszimmer mit den schweren, dunklen Holzmöbeln stammen aus dem Haus von Hugos Geliebter. Victor Hugo hatte die Schauspielerin Juliette Drouet 1832 kennengelernt, zu einer Zeit als sich das Ehepaar Hugo bereits auseinandergelebt hatte. „Juju“, wie Victor Hugo sie nannte, schickte ihrem verehrten „Toto“ tägliche Liebesbotschaften. Über fünfzig Jahre lang begleitete Juliette den Schriftsteller quasi als Zweitfrau – auch ins Exil.  

Der hinterste Raum blieb schon damals Hugos Schlafzimmer vorbehalten. Von dort führte eine Treppe hinunter, damit der Dichter, so heißt es, unbeobachtet seinen amourösen Abenteuern nachgehen konnte. Die Einrichtung stammt aus Hugos letzter Pariser Wohnung, darunter auch sein Stehpult und das massive Bett mit gedrechselten Holzsäulen, in dem er 1885 verstarb.

Die engsten Angehörigen konnten Victor Hugo nicht auf seinem letzten Weg ins Panthéon begleiten. Sowohl seine Ehefrau Adèle als auch seine Geliebte Juliette waren bereits tot, ebenso drei seiner vier Kinder: die beiden Söhne und die Tochter Léopoldine, die 1843 als Jungvermählte auf einem Ausflug zusammen mit ihrem Ehemann ertrunken war. Nur Adèle, die jüngste Tochter, überlebte ihren Vater geistig verwirrt in einer psychiatrischen Anstalt. Sie alle vermochten nicht um den Mann und Vater zu trauern. An ihrer Stelle trauerte ganz Frankreich um seinen großen Dichter Victor Hugo.