Claus von Stauffenberg
Lautlingen, Deutschland
Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird.15.11.1907
21.07.1944
Schloss Lautlingen auf der Schwäbischen Alb war das heimatliche Zentrum der Familie Stauffenberg. Hier hatte Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Kind und Jugendlicher zusammen mit seinen Eltern und den Zwillingsbrüdern Alexander und Berthold über viele Jahre die Ferienzeiten verbracht. Im Ruhestand machten die Eltern, die beide im Dienst des württembergischen Königs gestanden hatten, das bisherige Sommerdomizil zu ihrem dauerhaften Wohnsitz. Viele ausgestellte Fotografien zeigen ein heiteres Familienleben: die drei Brüder im Sandkasten, auf Skiern, im Schlosshof mit Hund Harro, mit Vater und Mutter auf der Schlosstreppe, ebenso Claus und Berthold als junge Männer mit ihrem Dichteridol Stefan George. Der Vater Alfred Graf Stauffenberg war Oberhofmarschall König Wilhelms II gewesen, die Mutter Caroline, geborene Gräfin von Üxküll-Gyllenband, die frühere Hofdame Königin Charlottes. Die Kinder wuchsen in der weiträumigen Stuttgarter Dienstwohnung im Alten Schloss auf, wo 2006 eine ebenfalls sehenswerte Gedenkstätte für die Stauffenberg-Brüder eingerichtet worden ist.
Die Stauffenbergs gehören zu den alteingesessenen schwäbischen Adelsgeschlechtern. Ihr Schloss in Lautlingen, ein dreigeschossiges, schlichtes Herrenhaus mit massivem Mauerring und vier Ecktürmen, stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier in der beschaulichen Alblandschaft konnten sich die drei Brüder frei bewegen und ihren Interessen nachgehen. Claus zog sich oft in den kleinen Nordostturm zum Lesen und Schreiben zurück. Und auch für die erwachsenen Brüder blieb Lautlingen ein wichtiger Bezugspunkt, den sie mit ihren eigenen Familien immer wieder aufsuchten.
Eine Fotografie in der Ausstellung wird in diesem Zusammenhang zum Schlüsselbild. Sie entstand im Spätsommer 1943. Claus inmitten einer fröhlichen Kinderschar, drei seiner eigenen Kinder und die seines Bruders Berthold sind darauf zu sehen. Doch das Familienidyll zeigt Risse. Claus ist versehrt, mit Augenklappe und verbundenem Armstumpf. Bei einem Tieffliegerangriff an der Afrika-Front hatte er im April 1943 ein Auge, die rechte Hand und zwei Finger der linken Hand verloren. Danach hielt sich der Verletzte einige Zeit in Lautlingen zur Genesung auf. In diesen Wochen kamen auch sein Bruder Berthold und der Freund Rudolf Fahrner dazu. Zu dritt entwickelten sie die „Lautlinger Leitsätze“, eine Vision zur Neugestaltung Deutschlands nach der Hitler-Diktatur.
Claus hatte sich nach dem Abitur für eine Militärkarriere entschieden. Nach der anfänglichen Befürwortung von Hitlers nationaler Erneuerungspolitik setzte zunehmend die desillusionierende Erkenntnis über die verbrecherischen Ziele des NS-Regimes ein. Es war nicht allein der desaströse Kriegsverlauf, mehr noch waren es die Gräueltaten an der Zivilbevölkerung und die systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, die Stauffenberg auf Distanz zu Hitler gehen ließen. Nach Berthold, der sich schon länger in Widerstandskreisen bewegte, nahm nun auch Claus engeren Kontakt zum militärischen Widerstand um General Friedrich Olbricht und Henning von Tresckow auf.
Stauffenbergs Entscheidung zum aktiven Widerstand muss ein schwerer innerer Kampf vorausgegangen sein, ein Konflikt zwischen seiner ausgeprägten soldatischen Loyalität und seinem persönlichen Wertesystem, das als letzte Konsequenz auch den Tyrannenmord rechtfertigte. „Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen“, soll er kurz vor seinem Attentat auf Adolf Hitler gesagt haben.
Am 20. Juli 1944 gelang es Oberst Stauffenberg, der Zugang zu Hitlers ostpreußischem Hauptquartier Wolfsschanze hatte, während einer Lagebesprechung seine Aktentasche mit der Bombe in der Nähe Hitlers abzustellen. Wäre der zweite ursprünglich vorgesehene Sprengsatz, der wegen des Zeitdrucks nicht scharf gemacht werden konnte, detoniert, hätte niemand im Raum überlebt. So aber ging Hitler nur leicht verletzt aus der Explosion hervor. Der Umsturzversuch und der Operationsplan „Walküre“ waren gescheitert. Noch in der Nacht wurden der damals 36-jährige Stauffenberg und drei der Mitverschwörer im Hof des Berliner Bendlerblocks standrechtlich erschossen, ihre Leichen verbrannt und die Asche auf Berliner Feldern verstreut. Wenige Wochen danach wurden sowohl sein Bruder Berthold als auch sein Patenonkel in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Hitlers Rache machte auch vor den anderen Familienmitgliedern nicht Halt. Nina, die mit dem fünften Kind schwangere Ehefrau von Claus, und Mika, die Ehefrau von Berthold, wurden sofort verhaftet und interniert, die Mutter Caroline stand im Schloss unter Hausarrest. Die Stauffenberg-Kinder wurden mit dem neuen Nachnamen „Meister“ versehen in einem Kinderheim im Südharz untergebracht. Der Sippenhaft, dieser perfiden Strategie der Nazis, fielen darüber hinaus noch weitere Angehörige Stauffenbergs zum Opfer.
Erst im Sommer 1945 fand die in alle Winde verstreute Restfamilie auf Schloss Lautlingen wieder zusammen. Auch in der Nachkriegszeit blieb Lautlingen das heimatliche Refugium der Stauffenbergs. Nina lebte mit ihren Kindern bis 1953 dort, Stauffenbergs Mutter Caroline bis zu ihrem Tod 1956 und Mika bis 1970. Danach wurde das Schloss an die Gemeinde verkauft. Erst 2007 konnte die Gedenkstätte in der heutigen Form eingeweiht werden. Das ehemalige Wohnzimmer Carolines im ersten Stock ist als Gedächtnisraum mit Fotografien, Mobiliar und Gemälden der Familie eingerichtet, die angegliederte Ausstellung widmet sich der privaten und politischen Geschichte der Stauffenbergs. Dennoch darf nicht vergessen werden, der Name Claus Graf Stauffenberg steht auch stellvertretend für die vielen anderen, die aus Anstand und innerer Verpflichtung heraus den Mut zum Widerstand gegen ein verbrecherisches System hatten und die diesen Widerstand mit ihrem Leben bezahlten.
Will man den Bildungs- und Lebensweg Claus von Stauffenbergs verstehen, der ihn in letzter Konsequenz zum Tyrannenmord führte, helfen sicherlich Bücher und Filme – auch der bekannteste aus Hollywood – , aber wirklich nahe kommt man seiner Lebenswelt im Schloss Lautlingen. Dort findet sich auch die treffende Charakterisierung durch seine Frau Nina: „So ist es ihm, wie uns allen, auch selbstverständlich gewesen, den Sinn des Adels darin zu sehen, dass er Verpflichtung bedeute, die Vorteile, die Erziehung, Stand, Tradition geben mochten, in den Dienst derer zu stellen, die nicht daran teilgehabt hatten. Sei es auch nur durch ein beispielhaftes Leben und Verhalten.“