Otto I. von Griechenland

Athen, Griechenland

Foto: Wikimedia commons (Ausschnitt)

Griechenland, mein Griechenland, mein liebes Griechenland.

01.06.1815

26.07.1867

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Als Hermann Fürst von Pückler-Muskau im März 1836 in Athen zur Audienz bei König Otto I. geladen war, traf er „in dem Beherrscher Griechenlands einen schön gewachsenen jungen Mann von einnehmenden Zügen und gewinnendem Benehmen.“ Auch in der Konversation „verriet er nicht selten die von seinem erlauchten Vater ererbte Liebe zur Kunst.“ Dieser Vater war kein Geringerer als König Ludwig I. von Bayern, der maßgeblich den Lebensweg und die Lebenshaltung seines Sohnes Otto mitbestimmt hatte.

Ludwig I. galt als begeisterter Verehrer der griechischen Antike. Nicht nur hatte er sein Land Baiern durch die Übernahme des griechischen Y in Bayern umbenennen lassen, auch seine Hauptstadt München hatte er durch imposante klassizistische Repräsentationsbauten zu einem regelrechten „Isar-Athen“ herausgeputzt. Und selbstverständlich gehörte er wie damals halb Europa zu den Unterstützern des griechischen Freiheitskampfes gegen die Türken, sah man doch Griechenland als die Wiege der europäischen Zivilisation und Kultur, das es galt, aus der jahrhundertelangen osmanischen Herrschaft herauszulösen.

Doch trotz der philhellenischen Solidaritätswelle gelang es den Griechen nach erfolgreichem Unabhängigkeitskampf nicht, ihr instabiles Land aus eigener Kraft zu befrieden. Daher begrüßte die griechische Nationalversammlung den Vorschlag der Großmächte England, Frankreich und Russland, einen europäischen Fürsten zum König von Griechenland zu bestimmen. Die Wahl fiel schließlich auf Ludwigs zweitältesten Sohn Otto. Der Wittelsbacher schien alle Voraussetzungen für dieses Amt zu erfüllen, denn das verhältnismäßig kleine Bayern war neutral und stand nicht in Konkurrenz zu den Interessen der Großmächte.  

Anfang 1833 kam der 17-jährige Otto auf einem englischen Flagschiff in der provisorischen Hauptstadt Nauplia (Nafplion) an, im Gefolge Tausende bayerische Soldaten und Beamte. „Kein Wölkchen zeigte sich. Ungetrübt thronte über uns die ätherische Himmelskuppel, geschmückt mit dem freundlichen, heiteren Blau, Bayerns und Griechenlands Nationalfarbe“, schrieb er seinem Vater über den herzlichen Empfang der Griechen. Doch welche Ernüchterung, welche Enttäuschung. Vom einstigen Glanz des antiken Griechenlands, von den emphatisch verehrten Idealen seines Vaters war weit und breit keine Spur. Vielmehr traf Otto auf ein verwüstetes, verarmtes Land.

Es galt daher, zunächst die Grundlagen für eine funktionierende Verwaltung und Infrastruktur zu legen, Ordnung in die Rechtsprechung, das Gesundheits-, Bildungs- und Bankwesen zu bringen. Sogar das Bierbrauen nach bayerischem Reinheitsgebot wurde eingeführt. Bis zu Ottos Volljährigkeit führte ein bayerischer Regentschaftsrat die Staatsgeschäfte. Bereits nach einem Jahr wurde die Hauptstadt nach Athen verlegt. Otto und seine frisch angetraute Gemahlin Amalie von Oldenburg bezogen 1836 die erste provisorische Residenz, das heutige Athener Stadtmuseum.

Es ist ein vergleichsweise bescheidenes Gebäude, in dem einige Räume mit originalen Erinnerungsgegenständen und originalem Mobiliar des Königspaars ausgestattet sind. Leider lässt die recht unkoordinierte Sammlung viele Fragen offen. Vieles bleibt historisch ungenau und erklärungsbedürftig. 1841 konnten Otto und Amalie schließlich in das von Friedrich von Gärtner erbaute Residenzschloss einziehen, das nun ganz andere architektonische und repräsentative Dimensionen aufwies.

Der junge König hatte schnell die neugriechische Sprache erlernt und trug griechische Landestracht, die Fustanella, den traditionellen weißen Faltenrock. Doch sein neoabsolutistischer Regierungsstil über die Köpfe der Griechen hinweg erregte zunehmend Unmut. Nach einem Aufstand musste Otto 1844 einer Verfassung und der Einführung der konstitutionellen Monarchie zustimmen, seine bayerischen Soldaten und Beamten wurden aus dem Dienst entlassen. Otto versuchte weiterhin, als Regent sein Bestes zu geben, aber die notorisch leere Staatskasse und die außenpolitische Abhängigkeit von den Großmächten, die ihrerseits eigene strategische Interessen verfolgten, machten es ihm nicht leicht. Hinzu kam seine Weigerung, zum griechisch-orthodoxen Glauben überzutreten, für den streng römisch-katholischen Otto ein Ding der Unmöglichkeit. Auch seine Kinderlosigkeit, die die Gründung einer künftigen griechischen Dynastie vereitelte, steigerte die Unzufriedenheit der Griechen. Ihre Hoffnungen, die sie in den Wittelsbacher gesetzt hatten, sahen sie nicht erfüllt. 1862 kam es zum zweiten Mal zur Rebellion, Otto musste Griechenland Hals über Kopf verlassen – das Ende der Wittelsbachischen Epoche in Griechenland.  Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger begann. Nachdem Ferdinand II. von Portugal abgesagt hatte, fiel die Wahl auf  den jungen Prinzen Wilhelm aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg.

Seine letzten Lebensjahre verbachte Otto in der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz in Bamberg. Aber wirklich heimisch wurde das Königspaar in seinem unfreiwilligen Exil wohl nicht. Weiterhin wurde die griechische Tracht getragen und zu bestimmten Tageszeiten griechisch gesprochen. Otto starb mit 52 Jahren an Masern. Bestattet werden wollte er in der griechischen Landestracht. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: „Griechenland, mein Griechenland, mein liebes Griechenland.“

Doch so glücklos wie es zunächst den Anschein hat, ist Ottos dreißigjährige Regentschaft nicht gewesen. Seine verdienstvollen Spuren sind bis heute in Athen sichtbar. Viele klassizistische Bauten wie die Universität, die Staatsbibliothek, die Akademie der Wissenschaften, das Observatorium, das Nationalmuseum und natürlich das Residenzschloss, heutzutage das Parlamentsgebäude, sind städtebauliche Zeugen seiner Regierungszeit. Auch die Akropolis sähe heute anders aus, wenn nicht zu Ottos Zeiten mit dem Aufbau des Ruinenfeldes begonnen worden wäre und geplante Neubauten verhindert worden wären. 1874 erhoben sich daher bereits wieder wohlwollende Stimmen in der griechischen Nationalversammlung wie etwa die des Abgeordneten Messinesis: „Ich habe Otto in der Opposition bekämpft, hart bekämpft bis zum letzten Augenblick, aber wir schulden diesem Manne unendlichen Dank, denn er legte den Grundstein für unser heutiges nationales Bestehen.“