Paul Kruger

Pretoria, Südafrika

Foto: Wikimedia commons/1896 (Ausschnitt)

Wir wollen nichts als Frieden und unsere Freiheit.

10.10.1825

14.07.1904

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Wer war eigentlich dieser Paul Kruger, dessen Name noch heute in der südafrikanischen Goldmünze „Krugerrand“ und im „Kruger Nationalpark“ weiterlebt? Paul Kruger, von seinen Landsleuten liebevoll „Ohm Paul“ (Onkel Paul) genannt, war von 1882 bis 1902 Präsident der Burenrepublik Transvaal. Die Buren – was in ihrer Africaans-Sprache nichts anderes heißt als Bauern – waren größtenteils niederländische Farmer und Viehzüchter, die sich seit dem 18. Jahrhundert in Südafrika niedergelassen hatten. Kruger selbst stammte von deutschen Vorfahren ab. Er hatte als junger Mensch den Großen Treck der Buren mitgemacht, die vor der englischen Übermacht am Kap weiter ins afrikanische Landesinnere gezogen waren und dort die Burenrepubliken Transvaal und Oranje-Freistaat gegründet hatten.

Der andauernde Konflikt mit den invasiven Engländern, überhaupt die Erzfeindschaft gegenüber England, bestimmte Paul Krugers gesamtes Leben. Kruger hatte als Farmer viele Hektar Land urbar gemacht und mit seiner Frau Gezina sechzehn Kinder gezeugt. Als Calvinist kannte er große Teile der Bibel auswendig, das Lesen und Schreiben hatte er sich selbst beigebracht. Er sah seinen politischen Auftrag darin, die Heimat der Buren zu schützen und ihre Autonomie mit Gottvertrauen und Kampfesmut gegen die Übermacht der Briten zu verteidigen. Der Widerstandsgeist dieses kleinen rebellischen Burenvolks irritierte die Engländer. Sir Percy Fitzpatrick, ein damaliger Unternehmer und Politiker aus Johannesburg beschrieb diesen burischen Menschenschlag so: „Man kann ebenso wenig in seine Mentalität eindringen wie in die eines Asiaten oder Orientalen. Es gibt Augenblicke, in denen er gegen jeden uns bekannten Verstand zu handeln scheint. Er handelt dann mit einer langsamen, blinden Beharrlichkeit, durch nichts abzulenken oder aufzuhalten. Ein Verhalten, das man sonst nur bei Großwild beobachtet.“

Auch in der Zeit seiner Präsidentschaft blieb der fromme Kruger seinen Prinzipien treu. Bei  Empfängen ließ er warme Milch statt Champagner servieren. Der Morgen im Hause Kruger begann für alle, Familie wie Mitarbeiter, mit Andacht und Gesang zur Heimorgel. Sogar die diensthabende Wache war verpflichtet, sich auf der Veranda zum Gebet einzufinden. Doch die gottesfürchtige Ordnung wurde schlagartig gestört, als riesige Gold- und Diamantvorkommen auf burischem Boden entdeckt wurden. Massen von Glückssuchern überfluteten das Land und die Begehrlichkeiten der englischen Nachbarn wurden weiter angestachelt. Für Paul Kruger war das alles „ein neuer Fluch – Baal, Moloch, Mammon“.

Den britischen Putschversuch 1895 von Leander Jameson unter der Mitwisserschaft des südafrikanischen Premierministers Cecil Rhodes konnten die Buren noch erfolgreich abwehren. Schon damals war dies ein Kampf Davids gegen Goliath. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. schickte dem Burenpräsidenten dann auch umgehend ein Gratulationstelegramm, die umstrittene „Krüger-Depesche“, die den Buren Hoffnung machte, dass Deutschland im burischen Selbstbehauptungskampf auf deren Seite stünde, sollten die Briten erneut angreifen.

Dazu kam es dann auch 1899 im zweiten Burenkrieg. Die Briten machten einen neuen Versuch, sich die Burenrepubliken einzuverleiben. Alle Gesprächsangebote Krugers wurden abgelehnt, dem Burenpräsidenten blieb nichts anderes übrig als den Briten den Krieg zu erklären. Winston Churchill, der als junger Kriegsreporter im Auftrag der Londoner „Morning Post“ vor Ort war, schrieb über die kampfbereiten Buren: „Sie verlassen sich auf zwei Dinge: auf ihre eiserne Kondition und darauf, dass ihr Gott des Alten Testaments die Amalekiter schlagen und in alle Winde zerstreuen wird.“  

Es war der erste große Krieg zwischen Weißen auf dem afrikanischen Kontinent. Kruger brachte sein Unverständnis über das britische Hegemonialstreben in einer Ansprache zum Ausdruck: „Seht das Blut, das nun bereits geflossen ist. Wer trägt die Schuld daran? Wir wollen nichts als Frieden und unsere Freiheit“. Um das kleine dickschädelige Burenvolk zu besiegen, griff England zu brutalen Mitteln. Das Burengebiet wurde mit Stacheldraht abgesperrt, die eingeschlossenen Farmen niedergebrannt und Frauen und Kinder in Lager gesperrt. Zehntausende kamen darin um. Paul Kruger, der nach Europa gereist war und sich dort Unterstützung von Deutschland und den Niederlanden erhoffte, wurde tief enttäuscht. Die europäischen Verbündeten wollten nicht in einen innerafrikanischen Konflikt hineingezogen werden. Angesichts dieser Lage war es für Kruger aussichtslos, nach Südafrika zurückkehren. In seinem Schweizer Exil erfuhr er 1902 von der endgültigen Niederlage des burischen Volkes. Seine Frau Gezina, die krank in Pretoria zurückgeblieben war, war 1901 verstorben. Kruger starb 1904 in der Schweiz und wurde später in Pretoria beigesetzt.

Heute ist sein ehemaliger Amtssitz in Pretoria noch immer ein Abbild jener vergangenen Zeit. Kruger ließ das Haus 1884 im Bungalowstil erbauen, kurioserweise mit Milch, weil die Qualität des Zements so schlecht war, dass man ihn nicht mit Wasser anmischen konnte. Das Krugerhaus verfügte über eine der ersten Strom- und Telefonanschlüsse in der Stadt. Das Inventar im Empfangs-, Arbeits-, Speise- und Schlafzimmer ist größtenteils original erhalten. Im hinteren Teil des Anwesens stehen Krugers Staatskutsche und der komplett ausgestattete Eisenbahnwaggon, den der Präsident für seine amtlichen Reisen durch das Land nutzte. Zwei Ausstellungshallen mit einer Fülle interessanter Dokumente und Exponate ziehen noch tiefer in die Vergangenheit hinein. Sogar das Messer, mit dem sich Kruger nach einem Kampf selbst den Daumen amputierte, ist dort zu sehen.

Dass bei den Auseinandersetzungen von Weißen gegen Weiße auch die indigene Bevölkerung Südafrikas hineingezogen wurde und zu Tode kam, wird oft vergessen. Kruger war Rassist wie sein britischer Gegenspieler Cecil Rhodes, das entsprach dem Zeitgeist. Das Überlegenheitsgefühl der Weißen gegenüber den Schwarzen war eine kaum hinterfragte mentale Konstante jener Zeit. Auch wenn sie sich gegenseitig bekriegten, in der Rassenfrage waren sich die weißen Kolonisatoren Südafrikas voll und ganz einig.