Theodor Heuss

Stuttgart, Deutschland

Foto: Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus/Archiv Schafgans/Theo Schafgans/Lichtbildatelier Bonn (Ausschnitt)

Demokratie ist nie bequem.

31.01.1884

12.12.1963

www.theodor-heuss-haus.de

Sein Leben ist mit keiner anderen deutschen Politikerbiografie vergleichbar. Kein anderer deutscher Politiker, keine andere deutsche Politikerin, war schriftstellerisch so produktiv und so umfassend gebildet wie Theodor Heuss, der erste Bundespräsident der noch jungen Bundesrepublik Deutschland.

Viel lesen, schreiben, ein paar Reisen machen und in Ruhe gelassen werden. Das war sein Wunsch für die Lebensphase nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit als deutscher Bundespräsident. Dafür hatte sich der Schwabe Heuss schon früh für Stuttgart entschieden, „weil diese Stadt die Mitte meiner Heimat ist, wo noch Freundschaft der Vergangenheit lebendig ist und Vertrautheit der Familie.“ 1959 zog er von Bonn in sein neu erbautes Eigenheim in begehrter Stuttgarter Höhenlage – neben das Domizil der Porsches und ganz in die Nähe der berühmten Weißenhofsiedlung. „Dem Heuss sein Häusle“, wie es im Dialekt der heimischen Bevölkerung hieß, war ein aus Bausparverträgen finanzierter Bungalow mit leichter Dachschräge, ein Paradebeispiel für den in der frühen BRD so charakteristischen Haustyp.

Wohn-, Arbeits- und Esszimmer im Erdgeschoss sind weitgehend original erhalten, im Stil der 50er/60er Jahre gediegen und unprätentiös eingerichtet. Vor allem die Werke zeitgenössischer Künstler wie Max Liebermann, Ernst Ludwig Kirchner, Bernhard Pankok, Carl Hofer, Reinhold Nägele weisen Theodor Heuss als Connaisseur aus, der sich Zeit seines Lebens mit Kunst, Design und Literatur auseinandergesetzt hatte. Die Porträts seines Sohnes Ernst Ludwig und seiner Ehefrau Elly stammen von der Stuttgarter Malerin Käte Schaller-Härlin. Elly Heuss-Knapp – Lehrerin, Frauenrechtlerin, Autorin und Politikerin – war bereits 1952 verstorben.

Die Ruhestandswünsche des Witwers Heuss erfüllten sich dann allerdings mehr schlecht als recht. Eine überbordende Korrespondenz und viele gebetene und ungebetene Besuche störten den ersehnten Rückzug in die Privatheit. „Gelegentlich habe ich die schwäbische Grobheit als Hilfskraft aktiviert“, schrieb Heuss dazu an Konrad Adenauer. Seine Memoiren blieben unvollendet, knapp vier Jahre waren ihm in seinem Alterswohnsitz vergönnt. Heuss starb dort 1963 im Alter von 79 Jahren. Auf dem Stuttgarter Waldfriedhof ist der Altbundespräsident zusammen mit seiner Frau Elly begraben.

Theodor Heuss hat das Bild des deutschen Bundespräsidenten entscheidend geprägt. Seine Amtszeit von 1949 bis 1959 fiel in keine leichte Zeit. Das Vertrauen des Auslands in Deutschland musste langsam und vorsichtig erst wieder aufgebaut werden, das Vertrauen der Deutschen in die Demokratie ebenfalls. Theodor Heuss war dafür der richtige Mann zur richtigen Zeit. Sein fast 60-jähriges politisches Engagement in liberalen Parteien, seine Lebenserfahrungen in vier politischen Systemen – Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und frühe BRD – verliehen ihm für dieses Amt die nötige Legitimation. Was die NS-Vergangenheit der Deutschen anbelangt, stellte er sich von Anfang an gegen eine leichtfertige Schlussstrich-Mentalität: „Wie könnten wir leben als einzelne, wenn all das, was an Leid, Enttäuschung und Trauer uns im Leben begegnet, uns immer gegenwärtig sein würde! Und auch für die Völker ist es eine Gnade vergessen zu können. Aber meine Sorge ist, dass manche Leute in Deutschland mit dieser Gnade Missbrauch treiben und zu rasch vergessen wollen.“

Seine selbstentworfenen Reden – Heuss brauchte keine Redenschreiber –, stilistisch brillant und lebensklug, wie auch sein gemütvolles, bodenständiges Auftreten, machten ihn in der deutschen Bevölkerung zu einem beliebten, ja väterlichen Staatsoberhaupt. Nicht ausstehen konnte er es allerdings, wenn er zum „Papa Heuss“ stilisiert wurde: „Die sanften Filzpantoffeln, die man jetzt meinem geschichtlichen Bild unterschieben will, lehne ich ab; dazu habe ich ein zu tätiges und, wie ich ruhig sage, zugleich produktives Leben geführt.“ Dieses überaus produktive Leben von Theodor Heuss lässt sich in der informativen Begleitausstellung in all seinen Facetten nachverfolgen.

Sein Name lebt weiter. Mit dem Theodor-Heuss-Preis und der Theodor-Heuss-Medaille etwa werden alljährlich bürgerschaftliches Engagement und Zivilcourage ausgezeichnet. „Demokratie ist nie bequem“, davon war Heuss überzeugt. Unter den Preisträgerinnen und Preisträgern finden sich viele würdige Nachfolger seiner politisch-liberalen Gedankenwelt.

Theodor Heuss und Elly Knapp wurden übrigens 1908 vom befreundeten Albert Schweitzer in Straßburg getraut.