Adolf Dietrich
Berlingen, Schweiz

Foto: Thurgauische Kunstgesellschaft
09.11.1877
04.06.1957
Adolf Dietrich war ein Heimatmaler im wahrsten Sinne. Sein Auge galt ganz seiner unmittelbaren Umgebung. Bis auf wenige Anlässe war er nie aus seinem Dorf am Schweizer Bodenseeufer herausgekommen. In dem bescheidenen Häuschen in Berlingen wurde er als siebtes Kind einer Kleinbauernfamilie geboren. Dort hat er ein Leben lang gewohnt und gearbeitet und dort ist er gestorben. Diese vergleichsweise kleine Welt bot Adolf Dietrich dennoch eine Fülle an Motiven, die ausreichten für ein ganzes Lebenswerk: die Landschaft, der Untersee, das Dorf, die Menschen, die Gärten, Pflanzen, Früchte und Tiere. Schon als Kind hatten ihn diese Phänomene fasziniert, „das Blau des Himmels und Wolken, Pflanzen und die Blumen erregten mein Interesse und den Wunsch, diese Wundersachen nachzuahmen.“ Und Adolf Dietrich wollte all diesen Phänomenen künstlerisch gerecht werden durch genaue, zugeneigte Wahrnehmung.
Sein Volksschullehrer erkannte früh die zeichnerische Begabung des jungen Dietrich und empfahl eine Lithographenlehre. Doch die Eltern konnten sich eine solche Ausbildung nicht leisten. Der Bub musste mit zum Lebensunterhalt der Familie beitragen, zunächst als Maschinenstricker, später als Wald- und Bahnarbeiter. Adolf Dietrich blieb nur wenig Zeit, um seiner Malleidenschaft nachzugehen. Er kam nie in den Genuss einer künstlerischen Ausbildung, Zeichnen und Malen hat er sich selbst beigebracht. Auch deshalb irritiert manchmal der eigenwillige perspektivische Aufbau seiner Bilder.
Häufig wurde Dietrich als „Schweizer Rousseau“ bezeichnet, weil seine Kunst der Naiven Malerei Henri Rousseaus ähnelt. Ebenso häufig wurde er auch der Neuen Sachlichkeit zugeordnet, deren Hauptvertreter Otto Dix seit 1936 ganz in der Nähe am deutschen Bodenseeufer lebte. Aber Dietrich war Einzelgänger, auch in künstlerischen Belangen. Es waren vor allem die intensive Farbgebung und der Realismus seiner Bilder, die ihn mit diesen Kunstrichtungen verbanden.
Anhand von Skizzen und später Schwarzweiß-Fotografien malte er seine Bilder – Aquarelle, Gouachen, Ölbilder – daheim in der Stube, anfänglich auf Karton, dann auf Holz und seltener auf teurer Leinwand. Dietrich besaß keine Staffelei, seine Bilder entstanden an einem einfachen Holztisch. In seiner Kammer im ersten Stock fand sein Leben und Arbeiten statt. Von dort aus konnte er auf das Barockgärtchen auf der anderen Straßenseite blicken, das einem Schweizer Minister und Diplomaten gehörte. Fasziniert hat Dietrich diesen Ziergarten, der in seiner vornehmen Korrektheit so gar nicht zu den ortsüblichen Bauerngärten passte, immer wieder in Bilder gebannt. Dank dieser Vorlagen konnte das Gärtchen originalgetreu wieder hergerichtet werden und komplettiert heute in schöner Weise das Dietrich-Haus.
Erst spät wurde Adolf Dietrich, der sich selbst als „Malermeister von Berlingen“ bezeichnete, von der Kunstszene entdeckt und gefeiert, zunächst in Deutschland, dann in der Schweiz und in internationalen Ausstellungen. Doch Zeit seines Lebens fremdelte er mit dem Kunstbetrieb, malte und lebte allein in seinem Häuschen bis zu seinem Tod. Adolf Dietrich hat seiner unmittelbaren Lebenswelt in seinen Bildern ein Denkmal gesetzt. Die „Wundersachen“ der Heimat malend festzuhalten und zu würdigen, das ist diesem Heimatmaler im besten Sinne gelungen.