Antoine Bourdelle

Paris, Frankreich

Porträt von Antoine Bourdelle

Foto: Wikimedia Commons (Ausschnitt)

Hier arbeitet die Seele.

30.10.1861

01.10.1929

www.bourdelle.paris.fr

Mitten im Pariser Montparnasse-Viertel liegt ein vergangenheitsbeseelter Ort. Es ist das ehemalige Reich des Bildhauers und Malers Antoine Bourdelle, der hier von 1885 bis 1929 wohnte und arbeitete. In diesem einst lebhaften Künstlerquartier, durchzogen von Werkstätten und Ateliers, mietete sich Bourdelle zunächst nur in einen einzigen Raum ein. Nachdem er zuvor in der väterlichen Möbeltischlerei das Handwerk des Holzschnitzens und in einer Kunstschule in Toulouse Zeichnen und Bildhauerei gelernt hatte, war er nach Paris gekommen, um hier sein Glück zu machen.

Mit den Jahren weitete Bourdelle sein Terrain aus und übernahm nach und nach die angrenzenden Arbeitsräume, um seinen raumgreifenden Werken gerecht zu werden. Denn der Künstler war bekannt für seine monumentalen Skulpturen. Das heutige Ensemble verbindet die Garten- und Hofbereiche mit den alten Klinkerbauten und den modernen Erweiterungsflügeln zu einem harmonischen Ganzen.

In seinen Anfängen stand Antoine Bourdelle stark unter dem Einfluss Auguste Rodins. Kein Wunder, war er doch von 1893 bis 1908 Mitarbeiter des rund zwanzig Jahre älteren Mentors. Spuren von Rodins rauer, expressiver Stilistik finden sich am eindrücklichsten in den Beethoven-Darstellungen. Die Faszination für diesen Musiker ließ Bourdelle lebenslang nicht los, in über 80 Werken versuchte er, sich immer wieder dieser Figur gestalterisch zu nähern. Mit dem Kriegerdenkmal für seine Heimatstadt Montauban löste er sich schließlich auch von der Tradition heroischer Kriegsdarstellungen. Stattdessen vermitteln bei ihm gleichzeitig Pathos und Schrecken einen realistischeren Blick auf das Wesen des Krieges. Seine kraftstrotzende Skulptur „Herakles der Bogenschütze“ verhalf ihm 1910 dann endgültig zum Durchbruch.

Im Laufe der Zeit suchte Bourdelle zunehmend seine eigene Formensprache. Seine plastischen Werke wurden flächiger und verfeinerter, besonders sichtbar in den mythologischen Darstellungen wie dem sterbenden Zentaur, Pallas Athene oder Apollon. Zeitlebens galt Bourdelles Leidenschaft der römischen und griechischen Antike, mit der er sich in seinem Kunstschaffen immer wieder aufs Neue auseinandersetzte. Über den meisterhaften Apollon-Kopf sagte er: „In diesem einzigartigen Werk erkannte Rodin eine endgültige Ablösung. Er vollzog die Trennung und verzieh mir nie. Er hatte Angst vor der Zukunft.“

Auch mit der Gestalt der Penelope wandte sich Bourdelle erneut der antiken Mythologie zu. Allerdings entspricht die Skulptur nicht den klassischen Körperidealen. Vielmehr verbindet sich in ihr der Kopf seiner ersten Ehefrau Stéphanie mit dem Körper seiner jungen griechischen Studentin Cléopâtre, seiner späteren zweiten Ehefrau. Ein persönlicher Zwiespalt, der in der Kunst seinen sichtbaren Ausdruck fand. Mit dem Auftrag, das Théâtre des Champs-Élysées in Paris auszugestalten, näherte sich Bourdelle in den Fassadenreliefs und Innenraumfresken zunehmend dem Symbolismus seiner Zeit.

Wie seine Werke an vielen Orten auf der Welt ihren Platz gefunden haben, so kamen auch seine Studentinnen und Studenten aus allen Himmelsrichtungen zu ihm in die Lehre, unter ihnen so berühmte Namen wie Alberto Giacometti und Otto Gutfreund. Bourdelle galt als ein außergewöhnlich beliebter Lehrer, der an den künstlerischen Eigensinn seiner Schülerschar appellierte und sie ermunterte, ihren individuellen Stil zur Entfaltung zu bringen. „Ich bin kein Schulmeister, kein Lehrer, sondern ein Künstler, der mit euch arbeitet“, pflegte er zu sagen.

Heute versammelt das 1949 eröffnete Museum über 500 Kunstwerke. Einigen begegnet man ganz unmittelbar in Bourdelles ehemaligem Atelier. In diesem hohen, holzgetäfelten Raum wird man nolens volens in die Atmosphäre einer vergangenen Zeit hineingezogen. Beinahe meint man den Künstler in seinem charakteristischen Cordanzug in Aktion zu sehen – ganz seiner Devise verpflichtet: „Das Leben ist kurz. Man muss sich beeilen, seine Arbeit zu tun.“ Vom Zwischengeschoss aus konnte er seine Werke und die Wand mit den Gipsmodellen überblicken. Bourdelles Worte kommen einem da in den Sinn: „Das Atelier bedeutet Einsamkeit zu zweit: Du mit deinem Werk. Hier arbeitet die Seele.“

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