Frida Kahlo

Mexico City, Mexiko

Foto: Wikimedia commons/Guillermo Kahlo (Ausschnitt)

Trotz meiner langen Krankheit fühle ich eine riesige Lebenslust.

06.07.1907

13.07.1954

www.museofridakahlo.org.mx

Was für ein Blau! Hinter diesen kobaltblauen Mauern öffnet sich die Lebenswelt der Frida Kahlo. Es ist ihr Geburtshaus und es ist ihr Sterbehaus. Die meiste Zeit ihres 47 Jahre währenden Lebens hat sie in der Casa Azul, dem blauen Haus, verbracht. Und diese Frida-Welt ist noch immer lebendig, voller Schönheit, Schmerz und Lust. Nicht nur beherbergt das Gebäude viele ihrer Werke, die laut Verfügung ihres Ehemanns Diego Rivera den mexikanischen Staat niemals verlassen dürfen, auch die Wohn- und Arbeitsräume sind ein faszinierendes Abbild ihres Lebens.

Die geräumige, typisch mexikanische Küche mit blauen und gelben Kacheln und Unmengen von Tongefäßen sowie das Speisezimmer nebenan zeugen von der Gastfreundschaft seiner Bewohner. Eine Treppe führt hinauf zu Fridas Privaträumen. Im lichtdurchfluteten Atelier stehen noch ihr Rollstuhl und die Staffelei, ein Geschenk Nelson Rockefellers. Von ihrem Schlafzimmer aus gelangt man hinunter in den von hohen Mauern umschlossenen Innenhof, ein Gartenparadies voller Bäume, Kakteen und subtropischer Pflanzen, in dem sich zu Fridas Zeiten ein halber Zoo tummelte: Hunde, Affen, Katzen, Papageien, ein Reh, ein Adler. Das Haus im Stadtteil Coyoacán südlich von Mexiko City war 1904 von Fridas Vater Wilhelm (Guillermo) Kahlo erbaut worden, ein Ende des 19. Jahrhunderts aus Pforzheim ausgewanderter Fotograf, der sich mit der Mexikanerin Matilde Calderón y González verheiratete. Später in den 1940er Jahren ließ Diego Rivera das Gebäude durch den Architekten Juan O’Gorman vergrößern und den Garten mit Anbauten aus landestypischem Vulkangestein erweitern.

In der Casa Azul wurde viel gezecht, geraucht, gelacht – aber auch viel gelitten. Schmerz und Freude, zwischen diesen Polen bewegte sich das Leben dieser vielschichtigen, unkonventionellen Frau. Der Tod ist im Haus allgegenwärtig in Gestalt der Totenköpfe und Skelettpuppen, die zum Repertoire des traditionellen mexikanischen Totenkults gehören.

Krankheiten begleiteten Frida Kahlo fast ihr ganzes Leben lang. Im Schulalter litt sie an Kinderlähmung, das rechte Bein blieb zeitlebens kürzer und dünner. Der zweite Schlag traf sie im Alter von achtzehn Jahren. Eine Straßenbahn entgleiste, rammte den Bus, in dem Frida mitfuhr, und verletzte sie lebensgefährlich. „Eine vier Meter lange Haltestange war in meine Hüfte eingedrungen, das abgebrochene Ende ragte aus meiner Scheide.“

Die Tortur einer monatelangen Bettlägrigkeit, eingesperrt in einen Gipspanzer, begann. Zurückgeworfen auf sich selbst entdeckte Frida die Malerei. Ein Spiegel, noch heute sichtbar, wurde über dem Himmelbett angebracht, eine Spezialstaffelei ermöglichte es ihr im Liegen zu malen. Und sie malte, was sie sah, und vergewisserte sich so ihres Seins: „Ich bin meine eigene Muse.“

Ihre markante Bildsprache geht nicht in den zeitgleichen Stilrichtungen des Surrealismus und der Neue Sachlichkeit auf. Sie ist vielmehr geprägt vom lateinamerikanischen Lebensgefühl des magischen Realismus, einer spezifischen Mixtur aus Phantasie und Wirklichkeit. Sie male keine Träume, hat Kahlo den französischen Surrealisten um André Breton entgegnet, sie male ihr Leben. Sie, die Autodidaktin, zeigt sich in ihren Bildern schonungslos, intim, radikal, ihren zerschundenen Leib, ihre erschütternden Fehlgeburten und ihr schönes Gesicht. Uns begegnet eine stolze Frau mit den charakteristischen zusammengewachsenen Augenbrauen, dem dezenten Damenbart, das schwarze Haar hochgesteckt und mit Blumen und Bändern geschmückt. Der schwere Schmuck, die langen farbkräftigen Röcke, Blusen und Schultertücher waren ein Bekenntnis zur mexikanischen Volkskultur und verbargen gekonnt die körperlichen Gebrechen. Auf diese Weise inszenierte sie sich sowohl auf ihren Selbstbildnissen als auch im gesellschaftlichen Leben. Es war „der Auftritt einer aztekischen Göttin“, so schilderte es der mexikanische Schriftsteller Carlos Fuentes. Ihre extravagante Garderobe, aber auch ihre Krücken, Beinprotesen und Stützapparate sind in einem Nebengebäude der Casa Azul zu sehen.

Lebenslang hatte Frida Kahlo unter den Unfallfolgen zu leiden, musste sich zahllosen Operationen unterziehen, wurde in Gips- und Stahlkorsette gezwängt, lebte verzweifelt gegen den Schmerz an mithilfe von Alkohol und Drogen oder verwandelte den Schmerz in Kunst. Zum körperlichen Schmerz kam der seelische, die komplizierte, leidenschaftliche Liebe zu Diego Rivera, dem rund 20 Jahre älteren mexikanischen Malerstar, den sie 1929 im Alter von 22 Jahren heiratete. Für ihre Eltern war es die Verbindung eines Elefanten mit einer Taube. Aber dieses äußerlich so irritierend ungleiche Paar verband die Malerei, die kommunistisch-revolutionäre Gesinnung und die Verwurzelung in der indigenen mexikanischen Tradition. Diego betrog Frida oft und in demütigender Weise, sogar mit ihrer jüngeren Schwester Cristina. Skrupellos ließ er sich seine Promiskuität vom Hausarzt als körperliche Notwendigkeit bescheinigen. „Ich war in meinem Leben Opfer zweier schwerer Unfälle. Der erste geschah, als ich von einer Straßenbahn erfasst wurde. Der zweite, der mir widerfuhr, ist Diego“, bekannte Frida. Sie reagierte ihrerseits, hatte Affären mit Frauen und Männern, darunter auch Leo Trotzki, dem sie auf der Flucht vor Stalin knapp zwei Jahre lang im blauen Haus Unterschlupf gewährte. 1939 ließen sich Diego und Frida scheiden, im darauffolgenden Jahr heirateten sie einander erneut.

„Trotz meiner langen Krankheit fühle ich eine riesige Lebenslust“, heißt es noch 1953 im Tagebuch. Wenige Tage vor ihrem Tod schrieb sie auf das ebenfalls in der Casa Azul ausgestellte Wassermelonen-Bildnis „viva la vida“. Ein letztes Bekenntnis. Sie starb 1954, zermartert von körperlichen Qualen. Noch ein Jahr zuvor war ihr das rechte Bein wegen des einsetzenden Wundbrands bis zum Knie amputiert worden. Ob es eine Lungenembolie oder doch Selbstmord war, bleibt im Dunkeln. Diego Rivera hat durch die Verweigerung einer Obduktion allen Nachforschungen einen Riegel vorgeschoben.

Das prähispanische Urnengefäß mit ihrer Asche beschließt den Lebenskreis Frida Kahlos in der Casa Azul. Hinter blauen Mauern bewahrt das Haus die Erinnerung an diese faszinierende Künstlerin, die sich mit staunenswerter Kraft dem Leben stellte.