Gerhard von Kügelgen

Dresden, Deutschland

Foto: Wikimedia commons (Ausschnitt)

An Gottes Segen ist alles gelegen.

06.02.1772

27.03.1820

museen-dresden.de

Dresden um 1800 – die Stadt an der Elbe habe „eine große, feierliche Lage", schwärmte Heinrich von Kleist. Ihn und zahlreiche Künstler der Frühromantik zog es an diesen Ort, und das „Haus Gottessegen“ in der Dresdner Neustadt war einer ihrer geselligen Treffpunkte. Dort lebte der Historien- und Porträtmaler Gerhard von Kügelgen mit seiner vierköpfigen Familie. Das Haus, zwischenzeitlich mehrfach verändert, gehört zum Ensemble barocker Stadthäuser, die das Bombardement im Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstanden haben. So sind in der Kügelgenschen Wohnung etwa die bemalten Holzdecken aus dem 17. Jahrhundert original erhalten. Noch immer ist an der Hausfront der jahrhundertealte Wahlspruch in Goldlettern zu lesen „An Gottes Segen ist alles gelegen“.

Die Familie Kügelgen lebte von 1808 bis 1820 im zweiten Obergeschoss. Die zwölf Zimmer sind um einen kleinen Innenhof herum gruppiert, ein idealer Ort für kindliche Spiele. „Wir durchrannten mit Geschrei die neuen Räume, und da das Gebäude sich im Viereck um den Hof zusammenschloss, war es ein Staatsvergnügen, so immerzu zu laufen und doch unfehlbar wieder am Ausgangspunkte anzulangen, wie Weltumsegler.“ Kügelgens ältester Sohn Wilhelm hat das Leben im Kügelgenhaus liebevoll in seinen „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ festgehalten. Seine Memoiren, erstmals 1870 erschienen, wurden eine beliebte Lektüre im deutschen Bürgertum. Diesen Erinnerungen verdanken wir den lebendigen Eindruck vom Familienleben und Gästekreis im Hause Kügelgen. Dazu gehörte etwa Johann Wolfgang von Goethe, der 1813 nach der Niederlage Napoleons von einem Fenster der Kügelgenschen Wohnung aus den Einmarsch des russischen Zaren und des preußischen Königs beobachtet hatte. Dazu gehörte auch der Maler Caspar David Friedrich, der von Wilhelm als einsam und „menschenscheu“ beschrieben wurde. Gerhard von Kügelgen war Lehrer und Freund des jungen Friedrich und als Professor an der Dresdener Kunstakademie und vielbeschäftigter Porträtmaler der Arriviertere von beiden: „Hätte mein Vater die Fremden, die seine Werkstatt besuchten, nicht regelmäßig auf Friedrich verwiesen und überall Lärm für ihn geschlagen, so würde der bedeutendste Landschaftsmaler seiner Zeit die beiden sehr gegensätzliche Charaktere waren, bezeugen auch Georg Friedrich Kerstings Gemälde von 1811, die als Reproduktionen im Kügelgenhaus zu sehen sind. Die zwei Bilder zeigen die Künstler in ihren jeweiligen Schaffensräumen. Das Atelier Caspar David Friedrichs „von so absoluter Leerheit“ wirkt klar und geordnet. „Es fand sich nichts darin als die Staffelei, ein Stuhl und ein Tisch, über welchem als einzigster Wandschmuck eine einsame Reißschiene hing, von der niemand begreifen konnte, wie sie zu der Ehre kam. Sogar der so wohlberechtigte Malkasten nebst Ölflaschen und Farblappen war ins Nebenzimmer verwiesen, denn Friedrich war der Meinung, dass alle äußeren Gegenstände die Bilderwelt im Innern stören“, schrieb Wilhelm. Das Atelier Gerhard von Kügelgens hingegen war eine überbordende Kunstwerkstatt. „Das eigentliche Arbeitszimmer meines Vaters, das jedoch fremden Besuchern, die er im Vorzimmer unter seinen fertigen Bildern zu empfangen pflegte, verschlossen blieb, enthielt eine Welt der verschiedenartigsten Gegenstände. Die Wände waren hageldicht bedeckt mit Gipsen, mit Studien und allerlei künstlerischen Kuriositäten, mit seltenen Kupferstichen, Handzeichnungen berühmter  Meister und dergleichen mehr.“ Im Gegensatz zu Friedrich brauchte Kügelgen diese Überfülle. „Er fühlte sich aber behaglich in solcher Anhäufung und behauptete, dass bei leeren Wänden und in aufgekramten Zimmern jede Phantasie verkümmern müsse.“

Das Kügelgen-Atelier wurde am authentischen Ort nachgestaltet. An der Wand gelehnt stehen die Porträts von Schiller und Goethe. Kügelgen hatte alle vier Weimarer Geistesheroen – Goethe, Schiller, Herder und Wieland – porträtiert. Aber im Gegensatz zu Caspar David Friedrich blieb Kügelgen immer ein Künstler der zweiten Reihe. Gerhard von Kügelgen war ein Bewunderer Raffaels und kopierte einige Werke des Renaissancemalers. Die Kopie der Sixtinischen Madonna hatte einen Ehrenplatz im Wohnzimmer der Familie. „Seinen vollen Zauber entfaltete es indessen erst am Weihnachtsabend, wenn die vielen Kerzen brannten und das magisch beleuchtete, wie von innerem Licht durchglühte Bild zu leben schien“, erinnerte sich Wilhelm von Kügelgen.

Dank dieser Schilderungen der Lebensatmosphäre im Hause Kügelgen, in dem heute auch das Museum der Dresdner Romantik seinen Platz gefunden hat, erwachen diese Räume wieder zum Leben. Doch das behagliche Familienidyll und die gesellige Gastfreundschaft im Kügelgenhaus endeten jäh mit dem Tod des Hausherrn. Er, den sein Sohn als einen „Mann von seltener Herzensgüte und von so überaus einnehmendem Wesen“ beschrieb, fiel 1820 auf dem Heimweg von Loschwitz einem brutalen Raubmord zum Opfer. Caspar David Friedrich trauerte auf seine Weise um den Freund. Er schuf ein Gemälde von Kügelgens Grabstätte auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden. Sie erinnert bis heute an diesen angesehenen Künstler der Frühromantik.