Gustav Klimt

Wien, Österreich

Foto: Wikimedia commons/Josef Anton Trčka (Ausschnitt)

Ich interessiere mich nicht für die eigene Person als Gegenstand eines Bildes, eher für andere Menschen, vor allem weibliche.

14.07.1862

06.02.1918

www.klimtvilla.at

Dass es diesen Ort heute gibt, verdanken wir einer mutigen Bürgerinitiative. Obwohl Vieles lediglich eine Rekonstruktion ist – und das ist das Verwunderliche – ist es ein ungemein sprechender Ort. Er erzählt die Geschichte der letzten Jahre des bekannten Wiener Jugendstilmalers Gustav Klimt, und er erzählt die Geschichte der letzten Jahre des jüdischen Wiener Großbürgertums.

Gustav Klimt hatte sich 1911 bis zu seinem Tod 1918 hier in der Feldmühlgasse sein Atelier eingerichtet. Damals war es ein schlichtes, ebenerdiges Häuschen inmitten eines weitläufigen Gartens. 1923 erwarb die jüdische Familie Klein dann das Grundstück und ummantelte das Klimtsche Gartenhaus mit einer zweigeschossigen neobarocken Villa. So treffen wir heute auf ein Haus im Haus, eine kuriose Konstruktion. Von Klimts ehemaligem Atelier blieben lediglich der Grundriss und die Aufteilung der Räume erhalten. Alles andere wurde anhand zeitgenössischer Fotografien und Beschreibungen rekonstruiert: das Empfangszimmer mit dem blaugemusterten Teppich und den schwarzgebeizten Holzmöbeln, die ursprünglich aus den von Klimt mitgegründeten Wiener Werkstätten stammten, sowie das Atelier mit dem unvollendeten Gemälde "Die Braut" auf der Staffelei sowie dem überdimensional breiten Bett.

Das Bett weckt natürlich viele Assoziationen und Spekulationen. Überhaupt Klimt und die Frauen. Er wurde von ihnen angezogen und er zog sie an. Sie waren neben den charakteristischen Landschaftsgemälden zweifellos sein Lieblingsmotiv: „Ich interessiere mich nicht für die eigene Person als Gegenstand eines Bildes, eher für andere Menschen, vor allem weibliche, noch mehr jedoch für andere Erscheinungen.“ Klimt in seinem langen, blauen Malerkittel – der Wiener Schriftsteller Arthur Schnitzler verglich ihn einst mit einem Faun – umgab sich in seinem Atelier meist mit einer Schar junger nackter Modelle. Die Mädchen stammten aus kleinen Verhältnissen. Klimt studierte ihre Körper und ihre Bewegungen und schuf, oft als Vorstudie für spätere Gemälde, zahllose erotische Zeichnungen. Mit der Darstellung nackter, hochschwangerer Frauen provozierte er den zeitgenössischen Kunstgeschmack. Übrigens hatte der zeitlebens unverheiratet gebliebene Klimt sieben uneheliche Kinder mit seinen Modellen. Sinnlichkeit, Begehren, Lust waren gängige Themen im Fin de Siècle, nicht zufällig zeitgleich auch bei einem anderen berühmten Wiener, dem Nervenarzt Sigmund Freud.

Doch nicht nur die süßen Mädel aus der Vorstadt saßen Klimt Modell, auch die eleganten Damen aus der Wiener Bourgeoisie ließen sich gerne von ihm malen. Besonders das jüdische Großbürgertum gehörte zu seinen Verehrern, Auftraggebern und Sammlern. Die Klimt-Porträts dieser jüdischen Frauen wurden in deren Salons als dekorative Repräsentationskunst und zugleich als selbstbewusstes Bekenntnis zur Kunstmoderne inszeniert.

Im Wiener Milieu der Avantgarde spielte Gustav Klimt eine zentrale Rolle. Er war Mitbegründer und langjähriger Präsident der Wiener Secession. In seinen bekanntesten Gemälden wie etwa dem „Kuss“ umhüllt er die Porträtierten mit einem kostbaren Ornamentteppich, dessen Flächigkeit auch auf den Einfluss asiatischer Kunst hinweist. Nur Gesicht und Hände sind realistisch dargestellt. Von seinem Schüler Egon Schiele wissen wir, dass es in seinem Haus ein Zimmer gab, „an dessen einer Breitwand nur ein großer Schrank mit den schönsten chinesischen und japanischen Kleidern eingebaut war.“ Von diesen kostbaren Stoffen ließ sich Klimt für seine ornamentale Bildsprache inspirieren.

Wie die Bilder in den prachtvollen Häusern des jüdischen Großbürgertums wurden auch deren Bewohner 1938 mit dem „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland in den verheerenden Strudel der Geschichte hineingerissen. Ihre Besitztümer, darunter auch viele Klimt-Gemälde, wurden konfisziert, sie selbst konnten sich ins Exil retten oder fielen dem Holocaust zum Opfer. Auch die jüdische Familie Klein, die Klimts Gartenhaus hatte überbauen lassen, wurde 1939 von den Nazis zum Verkauf ihrer Immobilie und zur Emigration gezwungen.

Es wäre eine eigene Geschichte, wie nach dem Krieg mit der nationalsozialistischen Raubkunst und deren Restitution umgegangen wurde. Am meisten öffentliches Aufsehen hat zweifellos 2006 die spektakuläre Auseinandersetzung um die Rückgabe des Klimt-Porträts der Adele Bloch-Bauer („Goldene Adele“) an deren jüdische Erben erregt. Das Gemälde wurde schließlich für 135 Millionen Dollar nach New York verkauft.

Die heutige Klimt-Villa ist ein wichtiger Ort der Erinnerung – nicht nur an den Künstler selbst, der mit 55 Jahren an einem Schlaganfall starb, sondern auch an die untergegangene Lebenswelt des jüdischen Großbürgertums, das so eng mit Gustav Klimt und seinen Bildern verbunden war.