Christian Wagner

Warmbronn, Deutschland

Foto: Wikimedia commons (Ausschnitt)

Ein zwar kleines, aber wahres, ideales Friedensheim.

05.08.1835

15.02.1918

www.christian-wagner-gesellschaft.de

Er muss ein Sonderling in der schwäbischen Dorfgemeinschaft Warmbronn gewesen sein.  Ein Kleinbauer, der sich weigerte, seine paar Rinder dem Schlachter auszuliefern, der auf seinen Äckern munter das Unkraut sprießen ließ und der drei Gänse vor der Gänselebermast rettete, indem er sie kurzerhand dem Gastwirt abkaufte.

Christian Wagner lebte das, was in seinem ganzen literarischen Werk durchscheint: Achtung vor der Natur und Schonung alles Lebendigen. Aus dieser naturreligiösen Lebenshaltung heraus entsprang sein entschiedener Pazifismus. „Er fühlte die tiefe Zugehörigkeit zwischen Tier, Mensch und Pflanze, Stein und Stern. Und er liebte das alles“, so Kurt Tucholsky über seinen Dichterkollegen.

Erst später, in seinen Fünfzigern, konnte Christian Wagner seine Gedichtbände veröffentlichen und kam zu bescheidenem Ruhm, auch dank seiner Förderer Hermann Hesse und Karl Kraus.  Am bekanntesten wurden seine „Sonntagsgänge“, lyrische Früchte seiner regelmäßigen Sonntagsspaziergänge, die er seinen arbeitsreichen Werktagen abrang. Denn die fünfköpfige Familie musste mit der kleinen Landwirtschaft und Tagelöhnerarbeiten durchgebracht werden.

Das Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert, unter dessen Dach zeitweise drei Familien zusammen lebten, lässt noch heute die karge und beengte Lebensweise erahnen, die im damaligen ländlichen Raum vorherrschte. Christian Wagner ist in diesem Haus geboren und gestorben. Die Wohnstube mit seinem Schreibtisch, die Schlafkammer und die winzige Küche im Erdgeschoss sind original erhalten. Hinter dem Haus liegt ein typischer kleiner Bauerngarten, auf den Wagner wohl von seinem Schreibtisch aus blicken konnte.

Dieser schmächtige Mann mit schlohweißem Haupt- und Backenhaar war Autodidakt. Bereits mit vierzehn Jahren zwangen ihn die Umstände zur Mitarbeit in der elterlichen Landwirtschaft. Geld für eine weitergehende Bildung war wie in so vielen Familien dieser Zeit nicht vorhanden. Auch später lebte er trotz Unterstützung durch Förderer und Verehrer in bescheidenen Verhältnissen. Bis auf wenige Reisen kam er nicht über seine württembergische Heimat hinaus.

In seinem Testament verfügte er, dass das Haus immer in den Händen der Familie bleiben müsse: „Es sollte ein Ort sein, wo bei Schneefall ständig Vögel gefüttert werden. Es sollte ein zwar kleines, aber wahres, ideales Friedensheim darstellen, wo auch die Geächteten der Tierwelt geduldet würden. Wo weder Gift noch Schlinge gelegt werden darf. Wo jedem Jäger, in welcher Form er sich auch präsentierte, der Eintritt versagt sein sollte.“

Die heutige Wagner-Familie im Geiste hat es geschafft, jenem Immobilienjäger den Eintritt zu versagen, der das Gebäude abreißen und auf dem Grundstück einen Supermarkt errichten wollte. Stattdessen gelang ihr 1983 die Eröffnung dieses beschaulichen Museums.

Das schlichte Haus in Warmbronn ist ein Zeugnis dafür, wie aus einem einfachen Leben in Verbundenheit mit allem Kreatürlichen Dichtung entstehen kann. „ All dein Sehnen schmerzvoll im Gemüte/Wird zum Vogelsang und wird zur Blüte“, so hat Christian Wagner die ewige Transformation alles Seins in seinem Gedicht „Wiederverkörperung“ empfunden.