Justinus Kerner

Weinsberg, Deutschland

Foto: Wikimedia commons/Ottavio d'Albuzzi, 1852 (Ausschnitt)

Preisend mit viel schönen Reden.

18.09.1786

21.02.1862

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Wahrlich ein romantischer Ort, dieses Kernerhaus, am Fuße der mittelalterlichen Burgruine Weibertreu gelegen, inmitten einer mit Weinbergen reich gesegneten württembergischen Landschaft. Dazu ein weitläufiger Garten, der durch einen alten Gefängnisturm begrenzt wird, einst Teil der mittelalterlichen Stadtmauer und bei den Kerners Aussichtspunkt, Gästerefugium, Geisterturm. Motive der Romantik, wohin das Auge blickt.

Der Hausherr Justinus Kerner, Amtsarzt und Dichter, hatte sich 1822 dieses idyllische Refugium in Weinsberg geschaffen. Hierher in das Zentrum der schwäbischen Romantik zog es viele aus Nah und Fern, unter ihnen Ludwig Uhland, Gustav Schwab, Karl August Varnhagen von Ense, Nikolaus Lenau und Eduard Mörike. Kerner war ein großherziger, leutseliger Gastgeber. „Eine schönere und zartere Gastlichkeit ist nicht leicht in einem Hause zu treffen“, schwärmte David Friedrich Strauß über seinen Aufenthalt bei den Kerners. Der Gästeschar boten sich im Alexanderhäuschen und im Geisterturm eine Reihe von Übernachtungsmöglichkeiten. Und reichten die nicht aus, wurden kurzerhand die drei Kinder der Kerners geweckt. Die mussten dann ihre Kammer räumen, die wegen der Dachwölbung „Sargzimmer“ genannt wurde, und sich irgendwo im Haus oder Garten ein Schlafplätzchen suchen. Der Sohn Theobald hat dieses umtriebige Leben in seinem Buch „Das Kernerhaus und seine Gäste“ (1894) liebevoll verklärend beschrieben.

In den Räumen des Hauses lebt die Atmosphäre dieser vergangenen Zeit auch heute noch weiter. Vieles ist original erhalten: im ersten Stock etwa Kerners Studierzimmer mit  Biedermeiertapete und selbstgezimmertem Schreibtisch, das Wohnzimmer mit Kerners Lehnstuhl und das Esszimmer im angebauten Schweizerhaus. Ganz im Geist der Romantik sammelte der Hausherr auch mittelalterliche Kirchenglasfenster und Mariendarstellungen.

Justinus Kerner, bodenständig und gemütvoll  – „ich bin innen nicht so dick wie außen“, – lebte über vierzig Jahre in seinem Weinsberger Domizil. Dort, wo er „als Chemiker laboriert, als Sänger dichtet, und als Exorzist Geister beschwört“, so Gustav Schwab über den Dichterfreund, hielt dem Vielbeschäftigten zu seinem Glück Gattin Friederike, genannt Rickele, den Rücken frei.

Als Arzt war Kerner Anhänger des sogenannten Mesmerismus, einer damals modischen Therapieform, die davon ausging, dass sich Krankheiten mittels magnetischer Energieströme heilen ließen. Der ausgestellte „Nervenstimmer“ ist ein erstaunliches Beispiel für diese parapsychologische Heilmethode. Kerner wurde weit über Deutschland hinaus bekannt mit seinem Patientenbericht über die „Seherin von Prevorst“ mit dem Untertitel „Eröffnungen über das innere Leben der Menschen und über das Hereinragen der Geisterwelt in unsere“.

Seine Neigung zum Okkulten, Geheimnisvollen und Wunderbaren macht Kerner zu einem typischen Vertreter der deutschen Romantik. Schmerz, Todessehnsucht und Melancholie grundieren viele seiner Gedichte. In Todesgefahr brachte sich Kerner auch ganz persönlich durch seine medizinischen Selbstversuche. So testete er etwa die Folgen einer Wurstvergiftung unerschrocken am eigenen Leib. Oder wie Nikolaus Lenau berichtete, der bei einem Besuch im Kernerhaus ein „wunderliches Bild“ vorfand: Justinus Kerner lag mit Frau und Kindern unbeweglich auf dem Boden. Erst als er angesprochen wurde, gab er zur Antwort: „Wir probieren da eben, wie es sein wird, wenn wir so nebeneinander im Grabe liegen werden.“

Nach dem Tod seiner Frau verfiel Kerner zunehmend der Schwermut und Krankheit. „Meine Saiten sind gesprungen/Und mein Tag hat sich geneigt.“ Er ist in Weinsberg zusammen mit seinem Rickele begraben. Ganz bescheiden überließ er ihr auch auf der efeuumrankten Grabplatte die Hauptrolle: „Friederike Kerner gest. 1854 und ihr Justinus gest. 1862“.

Justinus Kerner lebt fort in seinen innigen Gedichten, vielfach vertont durch Robert Schumann, Friedrich Silcher und Hugo Wolf, er lebt weiter in der inoffiziellen württembergischen Landeshymne „Preisend mit viel schönen Reden“ und, nicht zu vergessen, in einer Weißweinsorte, die seinen Namen trägt.