Eduard Mörike
Ochsenwang, Deutschland
Foto: Wikimedia commons/Bonaventura Weiss (Ausschnitt)
08.09.1804
04.06.1875
„Frühling lässt sein blaues Band/ wieder flattern durch die Lüfte …“
„Im Nebel ruhet noch die Welt/ noch träumen Wald und Wiesen …“
„Gelassen stieg die Nacht ans Land/ lehnt träumend an der Berge Wand …“
Der, dem wir solche Poesieperlen verdanken, ließ sich nur schwer in ein von Pflicht und Ordnung geprägtes Erwerbsleben hineinzwängen. Eduard Mörike galt bei seinen schwäbischen Landsleuten als faul oder, sagen wir es freundlicher, als müßiggängerisch. Doch gerade im Widerstand gegen das pietistische Arbeitsethos erwuchs eine Poesie, die bis heute berührt. „Ich lag den halben Vormittag mit unsteten Gedanken lesend und brütend auf dem Bett, schlenderte durch den Garten und sah die Hummeln in den Sonnenblumen wühlen.“ Kein Wunder, dass seinesgleichen von den schaffenswütigen Nachbarn misstrauisch beäugt wurde.
Die Ausbildung zum Theologen war nicht aus Neigung, sondern vielmehr aus materieller Not heraus erfolgt. „Zweifel, ob ich denn auch wirklich zum Geistlichen tauge“, quälten ihn fortwährend. Seit 1826 wurde Mörike als Pfarrgehilfe von einem schwäbischen Örtchen zum andern geschickt. Sein Leben lang kam er kaum aus dem Württembergischen heraus. Er litt an der „Vikariatsknechtschaft“, träumte von einem freien Poetenleben, aber auch das gelang ihm nicht. „Ich für meine Person weiß nichts, als bei der Kirche bleiben“, gestand er sich schließlich ein. Und da gab es, wenn ihm alles über den Kopf wuchs, zumindest die Flucht in die Verweigerung und in die zumeist eingebildete Krankheit. Ihr verdankte er so manche kreativen Freiräume.
Nach Ochsenwang, einem Dorf auf der Schwäbischen Alb, wurde er im Januar 1832 als Pfarrvikar versetzt. Dort im ersten Stock des Schulhauses wies man ihm zwei Zimmer zu, die er mit seiner Mutter und zeitweise seinem Bruder teilte. Gleich gegenüber lag die Dorfkirche, „reinlich und rührend klein, wie von Kinderhänden aufgestutzt.“ Obwohl inzwischen Ausstellungsfläche, lässt sich in den „hellen, geweißten Stübchen“ noch immer die Kargheit und Beengtheit des damaligen Lebens erahnen. Von biedermeierlicher Idylle keine Spur. „Mörike ist dem banalen Wohlsein eines glücklichen Lebens so fern gestanden wie nur möglich“, bemerkte später Hermann Hesse.
In Ochsenwang, wo er sich „unter treuherzigen, zutraunsvollen Menschen“ wusste, hatte Mörike als Vertreter der Obrigkeit neben Predigt und Seelsorge auch das Schulwesen zu beaufsichtigen. Regelmäßig musste er an seinen Vorgesetzten Berichte über den Zustand der Gemeinde abliefern - etwa über den „hiesigen Kirchengesang, welcher fast immer schreiend und ohne Ausdruck ist", eine Qual für sein musikalisch sensibles Gehör. Oder über den Unterricht, in dem „die Kinder zu wenig im Selbstdenken geübt“ würden.
In Ochsenwang vollendete er seinen Künstlerroman „Maler Nolten“. Doch zum Ende seiner Ochsenwanger Zeit ging auch die Verlobung mit der Pfarrerstochter Luise Rau in die Brüche: „Lass, oh Welt, oh lass mich sein/ Locket nicht mit Liebesgaben/ lasst dies Herz alleine haben/ seine Wonne, seine Pein!“ Im Oktober 1833 verließ der Dichter Ochsenwang und wechselte zur nächsten Landpfarrei.
Nur ein einziges Mal in seinem Berufsleben übte Eduard Mörike das Pfarramt tatsächlich aus. Von 1834 bis 1843 war er, mehr schlecht als recht, protestantischer Dorfpfarrer in Cleversulzbach. Und auch dort flüchtete er oftmals vor seinen Dienstpflichten in die Krankheit. Justinus Kerner, der Dichterfreund im nahen Weinsberg, stand ihm mit ärztlichem Rat zur Seite. Als Mörikes Mutter, die ihm den Haushalt geführt hatte, starb, ließ er sie in Cleversulzbach neben Schillers Mutter begraben.
Endlich, mit 39 Jahren, wurde Mörike in den ersehnten Ruhestand versetzt. Eine späte Ehe mit Margarethe von Speeth, einer Katholikin, folgte. Mit ihr und seiner Schwester Klara zog er 1851 nach Stuttgart. Zwei Töchter wurden geboren. Doch der gemeinsame Haushalt erwies sich als konfliktreich. In Stuttgart erhielt Mörike eine Anstellung als Literaturlehrer. Mit der Märchendichtung „Das Stuttgarter Hutzelmännlein“ und vor allem mit der Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“ kam er nun endlich zu Ruhm und Ehre. Dichterkollegen wie Theodor Storm, Turgenjew oder Friedrich Hebbel statteten ihm Besuche ab. Seine Werke verkauften sich dennoch weiterhin mehr schlecht als recht.
In den letzten zwei Lebensjahrzehnten schwanden seine literarischen und körperlichen Kräfte. Eduard Mörike verstarb 1875. In Gottfried Kellers Nachruf heißt es: „Wenn sein Tod nun seine Werke nicht unter die Leute bringt, so ist ihnen nicht zu helfen, nämlich den Leuten!“