Marie Curie

Paris, Frankreich

Porträt von Marie Curie

Foto: Wikimedia commons/Fotograv.-Generalstabens Litografiska Anstalt Stockholm, 1911 (Ausschnitt)

Ich glaube, dass die Fähigkeiten, die eine wahre wissenschaftliche Berufung verlangt, unendlich kostbar sind.

07.11.1867

04.07.1934

musee.curie.fr

„Radioaktiv“ ─ diese Wortschöpfung geht auf die Physikerin und Chemikerin Marie Curie zurück. Damals konnte sie wohl kaum ahnen, dass dieser Entdeckung eine zerstörerische Kraft innewohnen würde.

Maria Salomea Sklodowska kam als junge Polin mit 24 Jahren nach Paris - endlich, nach vielen Umwegen. Im russischen Teil Polens waren Frauen nicht zum Studium zugelassen und so erfüllte sich ihr Traum erst an der Sorbonne, wo sie Physik und Mathematik studierte. Mit Pierre Curie, ihrem späteren Ehemann, fand sie bald einen Gleichgesinnten, der ihre Forschungsleidenschaft teilte. Beide waren fasziniert von den Experimenten Henri Becquerels, der nachgewiesen hatte, dass das Uranmineral ohne chemische Reaktion aus sich heraus strahlt.

Marie Curie widmete diesem rätselhaften Phänomen ihre Doktorarbeit. Tonnenweise ließen sie und Pierre sich Pechblende in ihren Experimentierschuppen karren, zerkleinerten und kochten das Gestein in mühevoller Arbeit. „Manchmal verbrachte ich einen ganzen Tag damit, eine kochende Masse mit einem schweren Eisenstab umzurühren, der fast so groß war wie ich selbst“, erinnerte sich Marie Curie später. Und der Chemikerkollege Wilhelm Ostwald staunte nicht schlecht über diese bescheidenen Forschungsbedingungen: „Es war eine Kreuzung zwischen Stall und Kartoffelkeller, und wenn ich nicht die chemischen Apparate auf dem Arbeitstisch gesehen hätte, hätte ich das Ganze für einen Witz gehalten.“

Doch dann gelang es den Curies, ein stark strahlendes Element zu extrahieren: Radium. Mit Radium und Polonium, das Marie nach ihrem Heimatland Polen benannte, fügten sie dem Periodensystem zwei sensationelle neue Elemente hinzu. Sie hätten ihre Entdeckung patentieren lassen können, aber ihrer Meinung nach waren es Substanzen der Natur, die der ganzen Menschheit gehörten.

Dass diese Elemente gesundheitliche Schäden anrichteten, war ihnen lange Zeit nicht bewusst, auch als sich erste Krankheitszeichen wie Übelkeit, Abgeschlagenheit und entzündete Fingerspitzen bemerkbar machten. Stattdessen bestaunten sie sogar noch nachts „die schwach leuchtenden Silhouetten“ im Labor. „Die strahlenden Reagenzgläser sahen aus wie zarte Feenlichter“, schwärmte Marie.

1903 erhielten die Curies gemeinsam mit Henri Becquerel den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung und Erforschung der natürlichen Radioaktivität. Erst aufgrund Pierres Intervention wurde Marie überhaupt in die Ehrung einbezogen. Sie war damit die weltweit erste Frau, die mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Drei Jahre später fand die Lebens- und Forschungsgemeinschaft mit dem Unfalltod Pierres ein jähes Ende. Marie, plötzlich alleingestellt mit ihren zwei kleinen Töchtern, kam nur langsam über den Schmerz hinweg. Ihre Forschungen setzte sie dennoch unbeirrt fort, übernahm Pierres Lehrtätigkeit und wurde damit die erste Professorin an der Pariser Universität.

Sie war nun eine Berühmtheit. Doch dann kam es zum Eklat. Als ihre Liebesbeziehung zu dem verheirateten Wissenschaftler Paul Langevin bekannt wurde, schoss sich die rechtskonservative Presse auf sie ein und beschimpfte sie als eine „Fremde, eine Intellektuelle, eine Emanze“, die eine französische Familie zerstöre. Vor diesen Schmähungen knickte sogar das Nobelpreiskomitee ein und versuchte, sie von der Verleihung des Chemie-Nobelpreises 1911 fernzuhalten. Doch Marie Curie ließ sich nicht einschüchtern. Sie reiste nach Stockholm und nahm die Auszeichnung persönlich entgegen. Erst danach brach sie zusammen. Lange litt sie unter den öffentlichen Anfeindungen. Albert Einstein, mit dem sie 1913 einen gemeinsamen Wanderurlaub verbracht hatte, schrieb später: „Madame Curie hörte nie die Vögel singen.“

Mit der Erforschung strahlender Substanzen hat Marie Curie der Wissenschaft ein neues  ─ hilfreiches und gefährliches ─ Gebiet eröffnet. Denn bisher war die Fähigkeit bestimmter Atome, Energie freizusetzen, nicht erkannt worden. Das 1911 gegründete „Institut du Radium“ bezog drei Jahre später zwei neue Laborgebäude, eines für die Physik und Chemie radioaktiver Forschung, das Marie Curie bis 1934 selbst leitete, und eines für die medizinischen Anwendungsmöglichkeiten der Radioaktivität. Zunehmend verlagterte Marie Curie ihren Schwerpunkt auf die Radiotherapie. Bestrahlung konnte Tumore verkleinern - eine bis dahin ungeahnte Möglichkeit der Heilung.

Im Gebäude ist heute ihr originales Chemielabor zu besichtigen. Doch keine Angst, es soll in den 1980er Jahren vollständig dekontaminiert worden sein. Daneben ihr Büro mit massiven Eichenschränken, Schreibtisch und Blick auf den Garten, den Marie so liebte. Eine Ausstellung zur Geschichte der Radioaktivität sowie zur außergewöhnlichen Familie Curie ist ebenfalls Teil der Präsentation.

Marie Curie starb mit 66 Jahren an Anämie, eine Folge des jahrzehntelangen Kontakts mit den schädlichen Strahlen. Für ihren Dienst an der Forschung hatte sie einen hohen Preis bezahlt. „Ich glaube, dass die Fähigkeiten, die eine wahre wissenschaftliche Berufung verlangt, unendlich kostbar sind. Ein seltener Schatz.“ Mit ihrer Haltung errang sich diese starke, zielstrebige Frau einen respekteinflößenden Platz in der damaligen männerdominierten Wissenschaft.

Bis heute ist sie die einzige Frau mit zwei Nobelpreisen. Aus ihrer Familie gingen insgesamt fünf Nobelpreise hervor - einzigartig in der Geschichte. Ihre Tochter Irène und deren Ehemann Frédéric Joliot-Curie traten in ihre Fußstapfen. Und noch im Tod bezwang Marie Curie eine weitere Männerbastion. Als erste Frau fand sie aufgrund eigener Verdienste Aufnahme ins Pariser Panthéon. Seite an Seite mit Pierre.

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