Albert Einstein
Caputh, Deutschland
Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt.14.03.1879
18.04.1955
Als Albert Einstein 1929 das Sommerhaus in Caputh bezog, war er bereits Physiknobelpreisträger und durch seine bahnbrechende Formel E =mc² weltberühmt. Seine Relativitätstheorie hatte die Vorstellung vom Kosmos revolutioniert und Newtons Gesetz der Schwerkraft relativiert. Masse kann in Energie und Energie in Masse umgewandelt werden, Raum und Zeit sind nicht länger absolute Größen. Oder mit den Worten Einsteins erklärt: „Wenn man zwei Stunden lang mit einem netten Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.“ Bis auf den heutigen Tag sind Einsteins Theorien in Experimenten immer wieder bestätigt und noch nie widerlegt worden.
Im naturnahen Caputh südwestlich von Berlin konnte sich Albert Einstein für einen Großteil des Jahres dem städtischen Trubel entziehen. Kurz nach dem Einzug schrieb er an seine Schwester Maja: „In dem neuen Holzhäuschen gefällt mirs großartig. Trotz der durch dasselbe erzeugten Pleite. Das Segelschiff, die Fernsicht, die einsamen Herbstspaziergänge, die relative Ruhe, es ist ein Paradies.“
Dem Einzug war der missglückte Plan eines von der Stadt Berlin zugesagten Geburtstagsgeschenks vorausgegangen. Doch das Haus am See, das Einstein versprochen worden war, hatte ein solch langes städtisches Hickhack ausgelöst, dass der Jubilar dann irgendwann die Nase voll hatte. Er nahm den Grundstückskauf und den Hausbau selbst in die Hand, auf eigene Kosten. Der junge, auf Holzhäuser spezialisierte Architekt Konrad Wachsmann bot sich an, Einstein das Haus nach dessen Vorgaben zu bauen.
Die rotbraune Holzfassade korrespondiert harmonisch mit den weißen Klappläden und den bodentiefen Fenstern. Die heute nicht mehr originale Inneneinrichtung war schlicht und funktional und wurde aus Sparsamkeitsgründen durch Möbelstücke aus der Berliner Wohnung der Einsteins ergänzt. Lediglich das Interieur in Einsteins Schlaf- und Arbeitszimmer im Erdgeschoss wurde eigens für den Hausherrn angefertigt: der Schreibtisch mit drei Schubfächern, der ledergepolsterte Stuhl und das Holzregal, das Platz für seine Bücher und seine Geige bot und über dem ein Bild Newtons hing. Auch das Zimmer seiner zweiten Frau Elsa, das der beiden Stieftöchter und das der Haushälterin waren einfach und schmucklos eingerichtet.
In Caputh kamen zahlreiche Gäste zu Besuch: Künstler und Schriftsteller wie Gerhart Hauptmann, Käthe Kollwitz, Heinrich Mann, Anna Seghers, Rabindranath Tagore oder Max Liebermann, aber auch Wissenschaftler wie etwa Max Planck oder Otto Hahn. Einstein verbrachte die Sommertage am liebsten barfuß und mit freiem Oberkörper. Als seine Frau ihn bat, Würdenträger doch etwas formeller zu empfangen, erwiderte er: „Wenn sie mich sehen wollen, bin ich da. Wenn sie meine Kleider betrachten wollen, öffne ich den Kleiderschrank.“
Der Nichtschwimmer Einstein segelte leidenschaftlich gerne auf den nahen Havelseen, am liebsten allein und unerreichbar für alle. 1931 schickte er eine Einladung an Eduard, seinen Sohn aus der geschiedenen Ehe mit Mileva, aus der drei Kinder hervorgegangen waren: „Sei ein gutes faules Tier, streck alle Viere weit von Dir. Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt, und auf Papa, wenn Dirs gefällt.“ Diese verschmitzte Lässigkeit ist charakteristisch für Einsteins Habitus. Er war ein unangepasster Freigeist, der nichts auf Konventionen und Autoritäten gab und in dem legendären Foto mit herausgestreckter Zunge seinen populärsten Ausdruck fand.
Doch über allem stand die wissenschaftliche Arbeit. Mehrmals besuchte Einstein den Telegrafenberg bei Potsdam. Das Teleskop in Erich Mendelsohns großartigem Einsteinturm war zur experimentellen Erforschung der Relativitätstheorie eingerichtet worden. Aber Einstein war kein weltfremder Gelehrter. Als „leidenschaftlicher Pazifist und Antimilitarist“ mischte er sich in politische und gesellschaftliche Fragen ein, kämpfte für Frieden, Freiheit und Menschenrechte. „Ich bin zwar im täglichen Leben ein typischer Einspänner“, bekannte er. „Aber das Bewusstsein, der unsichtbaren Gemeinschaft derjenigen anzugehören, die nach Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit streben, hat das Gefühl der Vereinsamung nicht aufkommen lassen.“ Mit Sigmund Freud und Ghandi stand Einstein im Briefkontakt. Als Zionist sprach er sich für die Versöhnung von Juden und Arabern aus. „Ohne friedliche Zusammenarbeit“, schrieb er an Chaim Weizmann, den späteren ersten israelischen Präsidenten, hätten „wir absolut nichts aus unseren 2000 Jahren des Leidens gelernt.“
Die Nationalsozialisten und deren antisemitische Hetze machten dem idyllischen Landleben bald ein Ende. Einstein, der Ende 1932 zu Gastvorlesungen nach Kalifornien gereist war, kehrte nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 nicht mehr in seine deutsche Heimat zurück. Sein Besitz wurde konfisziert, seine Bücher wurden verbrannt, die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm entzogen. Bis zu seinem Tod 1955 lebte er in Princeton. Den melodisch-schwäbischen Tonfall hat der in Ulm geborene Einstein allerdings auch im amerikanischen Exil nie ganz verloren.
Seine Asche solle an unbekanntem Ort verstreut werde und sein Haus solle auf keinen Fall ein Museum werden, heißt es in seinem Testament. Nun erinnert die einzige heute noch erhaltene Lebens- und Arbeitsstätte Einsteins in Caputh doch an das große Physikgenie – eindrucksvoll, respektvoll, aber nicht verklärend. Darüber hinaus dient das Haus dem interdisziplinären Austausch, ganz so wie ihn Albert Einstein lebenslang geschätzt und gepflegt hat.