Robert Oppenheimer

Los Alamos, USA

Porträt von Robert Oppenheimer

Foto: Wikimedia Commons/1964 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de (Ausschnitt)

Die Physiker haben erfahren, was Sünde ist und dieses Wissen wird sie nie mehr ganz verlassen.

22.04.1904

18.02.1967

www.nps.gov

Los Alamos, von 1942 bis 1945 die geheime amerikanische Forschungsstadt im Hochland von New Mexico, war auf keiner Landkarte verzeichnet. Abgesichert durch tiefe Felsschluchten lebten und arbeiteten dort bis zu 8000 Menschen, miteinander verbunden durch eine nationale Geheimmission unter der Leitung von J. Robert Oppenheimer. Der Physiker war für das sogenannte Manhattan-Projekt zuständig, das den Auftrag hatte, im Wettlauf mit dem nationalsozialistischen Deutschland die mutmaßlich kriegsentscheidende Atomwaffe zu entwickeln.

Bereits zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die amerikanische Regierung durch Wissenschaftler, darunter auch Albert Einstein, alarmiert, in Deutschland, wo wenige Jahre zuvor die Kernspaltung entdeckt worden war, wäre ein Forschungsprojekt zum Bau einer Nuklearwaffe im Gange. Aber erst mit dem Kriegseintritt der USA 1941 wurde die amerikanische Atomwaffenentwicklung massiv ausgeweitet. Enorme Geldsummen wurden aufgeboten, über 150.000 Menschen, verteilt auf mehrere Standorte, waren an der wissenschaftlich-militärischen Mammutaufgabe beteiligt. „Ich denke nicht, dass uns die Nazis die Option lassen, diese Entwicklung nicht zum Abschluss zu bringen“, begründete Oppenheimer das US-Kernwaffen-Programm. Dabei waren die Forscher in Deutschland letztlich nicht einmal in die Nähe einer funktionierenden Bombe gekommen.

J. Robert Oppenheimer hatte zunächst Chemie in Harvard studiert und dann in Cambridge und Göttingen seine Passion für Quantenphysik entdeckt. In den Folgejahren profilierte er sich in den USA als einer der führenden Kernphysiker. „Ich brauche die Physik mehr als Freunde“, schrieb er einmal. Der Sohn einer jüdischen Einwandererfamilie aus Deutschland, die im Textilhandel wohlhabend geworden war, galt als exzellenter Wissenschaftler und mitreißender akademischer Lehrer. Seine Interessen gingen weit über die Naturwissenschaften hinaus hin zu Literatur, Kunst, Philosophie und Sprachen. Er war ein hagerer, hochgewachsener Mann mit faszinierenden blauen Augen, dem Arroganz, aber auch Charisma zugeschrieben wurden. Ein Kollege erinnerte sich: "Allein seine körperliche Erscheinung, seine Stimme und seine Manieren sorgten dafür, dass sich die Leute in ihn verliebten – Männer wie Frauen.“

Oppenheimer selbst hatte Los Alamos – Codename „The Hill“ – als Standort für das Geheimlabor vorgeschlagen. Er kannte und liebte die Wüstenlandschaft New Mexicos. Auf dem abgelegenen Areal befand sich damals lediglich ein Jungeninternat, dessen Gebäude in Beschlag genommen wurden. Oppenheimer wohnte mit seiner Frau Kitty und den zwei Kindern Peter und Katherine in einem bereits bestehenden Steinhaus, während die „Fuller Lodge“ zum zentralen Versammlungsort wurde.

Es gelang, in Windeseile eine Infrastruktur aufzubauen, Labore, Büros und Wohnraum für die Forscher, Techniker und Militärs bereitzustellen. Oppenheimer selbst ließ es sich nicht nehmen, die klügsten Köpfe für sein Forschungsteam selbst anzuwerben. Keine einfache Aufgabe, musste er sie doch davon überzeugen, ihre komfortablen Leben zu verlassen und mit ihren Familien in die Einöde New Mexicos zu ziehen. Das hieß, sich auf eine einfache, provisorische Lebensweise mit gelegentlichem Wassermangel und Stromausfall einzulassen und gegenüber Freunden und Verwandten Stillschweigen zu bewahren.

Los Alamos wurde militärisches Sperrgebiet mit strengen Ein- und Ausgangskontrollen, Telefonüberwachung und Briefzensur. Dennoch herrschte dort, so ein beteiligter Physiker, eine „einzigartige Atmosphäre der Begeisterung und der Herausforderung“.

Nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 entfiel die ursprüngliche Begründung für das Projekt. Dennoch ging die Forschungsarbeit an der Bombe – Codename „The gadget“ – fieberhaft weiter. Oppenheimer und sein Team waren kurz vor dem Ziel. Am Morgen des 16. Juli 1945 wurde südlich von Los Alamos auf dem Testgelände „Trinity“ die erste Atombombe gezündet. Oppenheimer erinnerte sich: „Wir wussten, die Welt würde nicht mehr dieselbe sein.“ Beim Anblick der gewaltigen Explosion seien ihm Worte aus einer heiligen Schrift des Hinduismus in den Sinn gekommen: „Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten“.

Aber noch befanden sich die USA im Krieg mit Japan. Nicht einmal einen Monat nach dem „Trinity-Test“ warfen US-Maschinen die Atombomben „Little Boy“ über Hiroshima und „Fat Man“ über Nagasaki ab und zwangen Japan damit zur Kapitulation. Mehr als 200.000 Menschen verbrannten oder wurden tödlich verstrahlt.

Angesichts der atomaren Zerstörungskraft und deren Folgen kamen bei Oppenheimer und vielen seiner Kollegen Skrupel auf. Und nachdem seit 1949 auch die Sowjetunion über Atomwaffen verfügte, war die Gefahr eines atomaren Wettrüstens absehbar. Oppenheimer sprach sich entschieden für eine internationale Kontrolle der Atomtechnologie aus und gab zu, dass „die furchtbare Superwaffe, die die Welt auf einen Schlag tiefgreifend verändert hat und die nach allen Maßstäben, mit denen wir aufgewachsen sind, etwas Böses ist.“ 

Als er sich dann 1950 gegen eine weitere Eskalationsstufe, die Entwicklung der noch gefährlicheren Wasserstoffbombe, stellte, wies Amerikas Politik den lästigen Kritiker und Mahner in die Schranken. 1954 musste sich Oppenheimer einer von Anfang an unfairen und inszenierten Anhörung unterziehen, die ihn zu Fall bringen sollte. Im überreizten antikommunistischen Klima des beginnenden Kalten Kriegs wurde ihm seine längst bekannte Nähe zum Kommunismus in den 1930er Jahren zum Vorwurf gemacht. Und ohne gesicherte Beweise denunzierte man ihn als sowjetischen Spion. Der einstige gefeierte Nationalheld wurde plötzlich zum Sicherheitsrisiko, man entzog ihm den Zugang zu geheimen Regierungsinformationen und enthob ihn seiner Funktion als Regierungsberater. Wenngleich Präsident Kennedy ihn 1963 rehabilitierte, war Oppenheimer inzwischen ein körperlich und seelisch gebrochener Mann. Er starb mit 62 Jahren an Kehlkopfkrebs.

Oppenheimer hat bis zuletzt seine Mitarbeit am Manhattan-Projekt verteidigt. „Ich bedaure es nicht, dass ich etwas mit dem technischen Erfolg der Atombombe zu tun hatte“, auch weil damit Chancen für eine zivile Nutzung der Nuklearforschung einhergingen. Aber die Verantwortung für die Tragweite der Atomtechnologie sah er bei den Politikern. „Unsere Arbeit hat die menschlichen Lebensbedingungen verändert, aber was mit diesen Veränderungen geschieht, ist das Problem der Regierungen, nicht der Wissenschaftler.“

Bis zum Lebensende kämpfte J. Robert Oppenheimer gegen atomare Aufrüstung und warnte vor den Gefahren einer möglichen Auslöschung der ganzen Menschheit durch atomare Vernichtungswaffen. Ihm war schuldhaft bewusst: „Die Physiker haben erfahren, was Sünde ist und dieses Wissen wird sie nie mehr ganz verlassen.“

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