Ferdinand II. von Neapel-Sizilien

Caserta, Italien

Foto: Wikimedia commons/F. Martorelli (Ausschnitt)

Ich bleibe Herr in meinem Haus.

12.01.1810

22.05.1859

reggiadicaserta.cultura.gov.it

Im Sommer 1831 ereignete sich vor der Küste Siziliens eine echte Sensation. Aus dem Nichts erhob sich plötzlich durch eine gewaltige Unterwasserexplosion eine 5 km große Vulkaninsel aus dem Meer empor. Deren strategisch interessante Lage weckte sogleich Begehrlichkeiten bei den Engländern wie auch bei den Franzosen. England versuchte die Insel unter dem Namen „Graham Island“ zu okkupieren, Frankreich unter dem Namen „Guilia“. Faktisch aber gehörte sie zum Besitz des Königreichs beider Sizilien. Und dessen Herrscher Ferdinand II. machte seinen Anspruch gleichfalls geltend. Das neugeborene Eiland wurde nach ihm „Ferdinandea“ getauft. Doch zur Enttäuschung aller versank der Lavakoloss schon nach wenigen Monaten wieder in den Meeresfluten. Ein Menetekel, das den Untergang des Königreichs beider Sizilien vorwegnahm?

Das Königreich beider Sizilien umfasste damals ganz Süditalien, genauer das Königreich Neapel und das Königreich Sizilien. Seit 1734 stand es unter der Herrschaft der spanischen Bourbonen. Und wie andere spätabsolutistische Machthaber jener Zeit verstanden es auch die Bourbonen, Herrschaft über Architektur zu demonstrieren. Das große Vorbild dafür war das Versailles Ludwigs XIV. Und so ließ sich auch der Bourbone Karl III. vom Versailler Schloss, der Residenz der französischen Könige, und vom Escorial-Palast, der Residenz der spanischen Könige, inspirieren. Nördlich von Neapel, fernab von den Gefahren des Vesuvs und dem Unmut des Volkes ließ er quasi auf freiem Felde von Luigi Vanvitelli die Palastanlage Caserta planen – ein politisches, gesellschaftliches und kulturelles Zentrum ganz im absolutistischen Sinne. Karl selbst hielt sich nach der Grundsteinlegung 1752 kaum in Caserta auf, er überließ seinem Sohn Ferdinand I. die Fortführung der Bauarbeiten. Tatsächlich fertiggestellt wurde das Schloss aber erst hundert Jahre später unter König Ferdinand II.

Der monumentale rechteckige Baukörper mit vier Innenhöfen und über 1200 Räumen wirkt in seiner strengen Geschlossenheit wahrlich respekteinflößend. Eine majestätische Marmortreppe führt in das oktogonale Vestibül im ersten Stock. Von dort geht es in die Repräsentationsräume und in die Hofkapelle, die eine auffallende Ähnlichkeit mit derjenigen im Versailler Schloss aufweist. Die prachtvolle Innenausstattung der Räume im Stil des Barock und Klassizismus ist in einem erstaunlich guten Zustand. Keine Revolution wie in Versailles hat hier Spuren hinterlassen. An den goldgeschmückten Thronsaal schließen sich die königlichen Privatgemächer an, etwa die Betkammer oder das Schlafzimmer, in dem Ferdinand II. verstarb. Die stilisierte Lilie, das Markenzeichen des Hauses Bourbon, macht an vielen Stellen im Schloss unmissverständlich klar, wer hier einstmals Herr im Hause war.

Kein Wunder, dass diese imposante Schlossanlage, seit 1997 Unesco-Kulturerbe, immer wieder auch als Filmkulisse begehrt ist. Szenen in „Star Wars“, „Mission Impossible“ und „Illuminati“ wurden hier gedreht.  Auch historisch ist Caserta bedeutsam. Im April 1945 wurde hier eine der Kapitulationserklärungen der deutschen Wehrmacht unterzeichnet.

Doch die ganze Dimension dieses Palastes lässt sich erst in Verbindung mit dem im wahrsten Sinne des Wortes grandiosen Park ermessen. Barocke Gestaltungselemente gehen an den Rändern in einen verwunschenen englischen Landschaftsgarten über. Entlang einer 3 km langen Sichtachse versorgt ein Wasserfall auf dem gegenüberliegenden Berghang Brunnen, Bassins und Kaskaden. Die gewaltige Viaduktanlage, über die das aus Quellen der Umgebung stammende Wasser nach Caserta geleitet wird, gehört ebenfalls zum Unesco-Kulturerbe.

Allzu oft war es Ferdinand II. wohl nicht vergönnt, in den Genuss dieser ganzen Pracht zu kommen. In eine andere Zeit hineingeboren wäre er vielleicht ein guter König gewesen. Aber zu viele außen- und innenpolitische Gegenkräfte zerrten an ihm. Bei seinem Regierungsantritt 1830 hatte er noch versucht, Verwaltung, Wirtschaft und Technik durch Reformen voranzutreiben. 1848 kam es dann aber in Sizilien zu einem Aufstand, den er blutig niederschlagen ließ. Ein Attentat auf ihn sowie die intriganten Einmischungen ausländischer Mächte schwächten seine Position weiter. Dennoch versuchte Ferdinand hartnäckig, die Souveränität seines Landes zu verteidigen: „Ich bleibe Herr in meinem Haus.“ Aber 1860, ein Jahr nach seinem Tod, hatten die Truppen Garibaldis sein Herrschaftsgebiet bereits überrannt. Seinem Sohn Franz II. und dessen Gemahlin Marie, einer Schwägerin des österreichischen Kaisers Franz Josef I., blieb nur noch die Kapitulation. 1861 ging das Königreich beider Sizilien im italienischen Nationalstaat auf.

Wie die Vulkaninsel „Ferdinandea“ sollte nicht nur das Reich Ferdinands II., sondern auch die Erinnerung an die Herrschaft der spanischen Bourbonen im Dunkel der Geschichte versinken. Da half auch der auf dem Grundstein eingravierte Wunsch des Caserta-Architekten nichts: „Möge das Haus und die Schwelle wie das Herrschergeschlecht der Bourbonen dauern, bis dieser Stein auffliegt aus eigener Kraft“. Dennoch, die Schlossanlage Caserta bleibt bis heute glanzvoller Zeuge der bourbonischen Herrschaft in Süditalien.