Franz Joseph I.

Bad Ischl, Österreich

Foto: Wikimedia commons (Ausschnitt)

Komm, komm heim nach Ischl.

18.08.1830

21.11.1916

www.kaiservilla.at

„Komm, komm heim nach Ischl“, schrieb Kaiser Franz Joseph an seine Frau Elisabeth, die, kaum da, schon wieder weg, rastlos reisend und wohl auf ihre Art genauso einsam und schwermütig wie ihr Gemahl war. Im Juli 1898 sahen sich die Eheleute ein letztes Mal. Zwei Monate später wurde Kaiserin Elisabeth in Genf von einem Anarchisten erstochen, ein Zufallsopfer, dem Hass auf die damaligen Oberschichten geschuldet. „Mir bleibt doch nichts erspart auf dieser Welt“, soll der trauernde Kaiser nach dem Empfang der Todesnachricht gesagt haben. Denn dies war nicht die einzige familiäre Katastrophe, die Franz Joseph im Leben ereilte. Bereits 1857 war die erstgeborene Tochter Sophie im Alter von zwei Jahren verstorben, zehn Jahre später war sein Bruder Maximilian, kurzzeitig Kaiser von Mexiko, von Revolutionären erschossen worden. Und 1889 war sein einziger Sohn Rudolph im Jagdschloss Mayerling zusammen mit seiner Geliebten freiwillig in den Tod gegangen.

Dabei hatte alles – wie im populären „Sissi“-Film – so märchenhaft begonnen. Der junge Kaiser Franz Joseph lernte in der oberösterreichischen Kurstadt Ischl seine 15-jährige Cousine Elisabeth aus dem Hause Wittelsbach kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Franz Joseph schwärmte: „Nein, wie süß Sisi ist, sie ist frisch wie eine aufspringende Mandel und welch herrliche Haarkrone umrahmt ihr Gesicht! Was hat sie für liebe, sanfte Augen und Lippen wie Erdbeeren!“ Nach der Verlobung in Ischl wurde 1874 geheiratet. Die Ischler Villa war das Hochzeitsgeschenk von Mutter Sophie an die Frischvermählten. Sie wurde in klassizistischem Stil umgebaut und durch zwei Seitenflügel ergänzt – Absicht oder Zufall, ihr Grundriss bildet ein E wie Elisabeth. Arrondiert wurde die Kaiservilla durch einen großzügig angelegten Landschaftspark mit einem luxuriös ausgestatteten „Cottage“ im Elisabethanischen Stil, das der Kaiserin als Rückzugsort diente.

In den Sommermonaten verwandelte sich die Villa in eine kaiserliche Residenz. Dann blühte das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Ischl, Kurgäste und Künstler strömten nur so in das österreichische Bergstädtchen. Operettenstars wie Franz Lehár und Johann Strauß hatten dort sogar eigene Villen. Fast sein ganzes Leben lang feierte Franz Joseph seinen Geburtstag am 18. August in Ischl und nahm an der Messe in der Stadtkirche teil.

Natürlich kann die Kaiservilla in Ischl nicht mit der Pracht von Schloss Schönbrunn oder der Wiener Hofburg mithalten. Sie war in Größe und Ausstattung vergleichsweise bescheiden. Dennoch, für Franz Joseph war Ischl „der Himmel auf Erden“. Hier konnte er sich der Uniform entledigen und in Lederhosen und Joppe seiner Jagdleidenschaft nachgehen – erfolgreich, wie die zahllosen Jagdtrophäen an den Wänden beweisen. Aber auch in Ischl verrichtete der Kaiser gewissenhaft seine Regierungsgeschäfte, ließ sich morgens um halb vier wecken und widmete sich nach dem Bad dem Aktenstudium. Sein Arbeitszimmer mit der Marmorbüste der jungen Sisi ist original erhalten, ebenso sein soldatisch karg eingerichtetes Schlafzimmer mit eisernem Bett und Waschtisch. Auch die Audienzen wurden in Ischl weiterhin abgehalten. Der Wartesalon der Damen mit dem auffällig geblümten Mobiliar etwa war ein Geschenk der britischen Königin Victoria. Kleinere Empfänge fanden im roten Salon statt, größere wurden ins Ischler Kurhaus verlegt. Der privat-familiäre Charakter der Villa sollte gewahrt werden. Die Bediensteten hatten separate Unterkünfte, ja sogar die Küche war in einem Nebengebäude untergebracht, weil Elisabeth keine Essensgerüche im Haus duldete.

Das exzessives Fitnessprogramm der Kaiserin, ihr Schlankheits- und Schönheitswahn sind hinlänglich bekannt. Hinter der Villa lag ihr Schwimmbad. Den nahegelegenen Jainzenberg erklomm sie im Laufschritt, sodass die Hofdamen ihre liebe Not hatten hinterherzukommen. Sie war eine exzellente Reiterin. Ihre Lieblingspferde ließ sie malen, viele Pferdebilder hängen auch heute noch in der Villa. Sisis Schreibkabinett ist original erhalten. Ihre anderen Räume werden heute von den Nachfahren bewohnt.

Lange hielt es die Ruhelose an keinem Ort aus, wohl auch nicht in Ischl, das ihr immerhin ermöglichte, dem steifen Rahmen des Wiener Hofzeremoniells zu entfliehen. Exzentrisch und selbstbezogen – „die Seele gab es nie, die mich verstand“ – flüchtete sich Elisabeth in ihre Phantasiewelten, den angestammten Aufgaben einer Kaiserin verweigerte sie sich so gut sie konnte. Es wundert nicht, dass ihre „Wolkenkraxlereien“, wie Franz Joseph es nannte, die Ehe belasteten. Sisi billigte die Affären und das Liebesarrangement ihres Gemahls mit der Burgschauspielerin Katharina Schratt.

Zu den privaten Sorgen kamen die politischen. Habsburg hatte bereits durch die verlorene Schlacht von Königgrätz 1866 und die Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 seinen Einfluss in Deutschland verloren. Bismarcks Preußen zog die Führung an sich. Auch innenpolitisch hatte Franz Joseph in seinem Vielvölkerreich mit enormen nationalistischen Fliehkräften zu kämpfen. Ungarn erstritt sich 1867 weitgehende Autonomie. Fortan gab es eine österreichische und eine ungarische Reichshälfte mit Franz Joseph als Oberhaupt der kaiserlich-königlichen Doppelmonarchie. Mit den tödlichen Schüsse serbischer Nationalisten in Sarajewo auf den Thronanwärter Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Frau eskalierten schließlich die Nationalitätenkonflikte.

Franz Joseph sah sich gezwungen, auf diese Provokation am 28. Juli 1914 mit der verhängnisvollen Kriegserklärung an Serbien zu antworten und noch am selben Tag die amtliche Mitteilung „An meine Völker“ zu verfassen. Danach verließ er Ischl zusammen mit dem neu designierten Thronfolger Erzherzog Karl für immer. Der anfangs lokale Konflikt entfesselte eine Kettenreaktion, die in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs mündete. Millionen von Menschen verloren darin ihr Leben. Der Kaiser starb 1916 mitten im Krieg. Bis wenige Stunden vor seinem Tod soll er sich pflichtbewusst seinen Amtsgeschäften gewidmet haben.

68 Jahre lang hatte Kaiser Franz Joseph sein Vielvölkerreich aus einer stoisch konservativen Grundhaltung heraus regiert. Er war das Gesicht der K.u.k-Monarchie, sein Bildnis mit dem ergrauten Backenbart und der ordensgeschmückten Generalsuniform war in der ganzen Donaumonarchie verbreitet. Mit seinem Tod ging das letzte Band verloren, das den krisengeschüttelten Vielvölkerstaat zusammengehalten hatte. Das Ende des Krieges 1918 war zugleich das Ende der jahrhundertealten habsburgischen Monarchie.

Nur in Bad Ischl scheint die K.u.k.-Zeit stehengeblieben zu sein. Jedes Jahr im August feiert man dort – nostalgisch oder augenzwinkernd – den Geburtstag des Kaisers, zelebriert die Kaisermesse und singt Joseph Haydns Kaiserhymne „Gott erhalte, Gott beschütze/Unsern Kaiser, unser Land“. Felix Austria.