Ludwig XIV. von Frankreich

Versailles, Frankreich

Foto: Wikimedia commons/Attributed to Charles le Brun (Ausschnitt)

Im übrigen ist es eine der hervorragendsten Wirkungen unserer Macht, einer Sache, die an sich keinen Wert hat, einen unbezahlbaren Preis zuzuordnen.

05.09.1638

01.09.1715

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Er will glänzen. Er will leuchten. Er will blenden. Nicht zufällig hatte der französische König Ludwig XIV. die Sonne, das Symbol des griechischen Lichtgottes Apollon, zu seinem zentralen Herrschaftszeichen bestimmt. Diesem begegnet man an allen Ecken und Enden der kolossalen Versailler Schlossanlage – am goldglänzenden Palastgitter, auf Fresken, Gemälden, Medaillen oder als Skulptur. Und nicht zufällig lag seit 1701 das königliche Schlafzimmer direkt in der Mitte der Residenz, nach Osten ausgerichtet, sodass die morgendlichen Sonnenstrahlen zuallererst auf den französischen Monarchen fielen. Sonnengleich wollte er sein wie das zentrale Himmelsgestirn, von dem alles Leben ausgeht und abhängt. Und diejenigen konnten von Glück sagen, die sich im Strahlenkranz des Königs tummeln durften, denn die Sonne, so Ludwig, „ist ohne Zweifel das lebendigste und schönste Sinnbild eines großen Fürsten.“ Was für eine raffinierte Inszenierungsstrategie.

Absolut wollte der Sonnenkönig Ludwig XIV. regieren, nachdem er mit 22 Jahren die Alleinherrschaft angetreten hatte. Bereits als Kind war er nach dem Tod seines Vaters Ludwig XIII. als Nachfolger bestimmt worden, dann hatten vorläufig die Kardinäle Richelieu und Mazarin in Abstimmung mit Ludwigs Mutter Anna von Österreich die Staatsgeschäfte übernommen. Nun aber ließ Ludwig seinen Ministerrat wissen: „Es ist an der Zeit, dass ich meine Angelegenheiten selbst in die Hand nehme.“ Fortan lag die gesamte Staatsgewalt in seinen Händen, der Monarch zeichnete persönlich für die Regierungsgeschäfte verantwortlich. Im Hintergrund unterstützte ihn sein Finanzminister Jean Baptiste Colbert bei der Modernisierung von Staat, Wirtschaft und Kultur.

Ludwig wusste um die Gefährlichkeit des Hochadels, der in seiner Jugend im Fronde-Aufstand gegen das Herrscherhaus rebelliert hatte. Ihn galt es in Schach zu halten und politisch ruhigzustellen. Nun zwang das „System Versailles“ die Adligen, am Hof und unter dem kontrollierenden Blick des Monarchen zu leben. Ihr Rang hing davon ab, ob und wie viele Räume sie im Schloss und welche Aufgaben sie beim Hofzeremoniell zugewiesen bekamen. Die Nähe zum Herrscher und dessen Wohlwollen bestimmten ihr Prestige. Darüber hinaus verteilte Ludwig Auszeichnungen, Geschenke, Titel und hielt den Adel mit Brot und Spielen oder besser gesagt mit opulenten Tafel- und Festfreuden bei Laune. Tagtäglich gab es in Versailles Theater- und Opernaufführungen, glanzvolle Maskenbälle, Turniere, Bankette und Jagden. „Im übrigen ist es eine der hervorragendsten Wirkungen unserer Macht, einer Sache, die an sich keinen Wert hat, einen unbezahlbaren Preis zuzuordnen“, heißt es bezeichnenderweise in den königlichen Memoiren. Zum Glück verfügen wir über Zeitzeugen wie den Herzog von Saint-Simon, Ludwigs Schwägerin Lieselotte von der Pfalz und Marie de Sévigné, die am Hof verkehrten und ihre Eindrücke festhielten.

Ludwigs Ansinnen war es gewesen, den kleinen Jagdsitz seines Vaters südwestlich von Paris zu einem riesigen Schlossimperium auszuweiten. 1668 begann der Architekt Louis Le Vau in Versailles mit den Bauarbeiten, der Hofmaler Charles Le Brun war für die Innenausstattung zuständig und der Gartenarchitekt André Le Nôtre für die großartige Parkanlage. Entstanden ist eine barocke Königsresidenz, wie sie Europa zuvor noch nie gesehen hatte, mit über 2000 Räumen, darunter der legendäre Spiegelsaal.

1682 zog Ludwig mitsamt seinem Hofstaat nach Versailles, die imposante Traumkulisse für seine Selbstverherrlichung und Machtdemonstration. „In allem liebte er Glanz, Verschwendung, Fülle“, attestierte ihm der Herzog von Saint-Simon. Trotz allem Luxus galt Versailles nicht als besonders wohnliches Schloss. „Man erträgt lieber die Zugluft durch die Türen“, klagte Madame de Maintenon, „man muss in Symmetrie zugrunde gehen.“

Bei allem Divertissement galt Ludwig als pflichtbewusster Regent, der seinen staatspolitischen Aufgaben diszipliniert nachkam. Sein Tagesablauf war einem streng geregelten Hofzeremoniell unterworfen. Fast sein ganzes Leben vom morgendlichen Aufstehen (Lever) bis zum abendlichen Zubettgehen (Coucher) vollzog sich unter den Augen und Ohren seiner Entourage. Verheiratet war Ludwig mit der Tochter des spanischen Königs Marie Thérèse, eine Zweckehe. Das glamouröse Leben am Hof wurde eher von seinen Mätressen geprägt, besonders von der Marquise de Montespan und danach von der Marquise de Maintenon, die Ludwig nach dem Tod seiner Ehefrau heimlich heiratete.

Es heißt, dass die Damen sich in den amourösen Stunden ein parfümiertes Taschentuch unter die Nase hielten. Denn der König hatte Mundgeruch. Seine kariösen Zähne waren ihm angeblich auf einen Schlag gezogen worden. Bei dieser brachialen Prozedur blieb ein Loch im Gaumen zurück, in dem sich ständig faulende Essensreste bis hinein in die Nebenhöhlen verfingen. Und Ludwig war ein großer Esser wie wir aus Briefen seiner Schwägerin Lieselotte von der Pfalz wissen: „Ich habe oft den König vier Teller verschiedener Suppen essen sehen, einen ganzen Fasanen, ein Rebhuhn, einen großen Teller mit Salat, zwei große Scheiben Schinken, mit Knoblauch zubereitetes Hammelfleisch mit Brühe, einen Teller voller Backwaren, dann noch Obst und harte Eier.“ Viele dieser Köstlichkeiten kamen aus dem riesigen, auch heute noch staunenswerten königlichen Obst- und Gemüsegarten (Potager du Roi).

Zum Ende hin verlor Ludwig dann allerdings den Appetit. Ein Wundbrand aufsteigend vom linken Bein entzog ihm alle Lebenskraft. Kurz vor seinem 77. Geburtstag verstarb er in seinem Schlafzimmer im Versailler Schloss. In den über fünf Jahrzehnten seiner Regentschaft hatten seine prachtvolle Hofhaltung und seine langandauernden Eroberungskriege Frankreichs Staatsfinanzen ruiniert und dessen ehemals starke Stellung in Europa geschwächt. Ludwigs Sonne war untergegangen. An den Fürstenhöfen in halb Europa aber gingen andere, kleinere Sonnen auf, die Ludwigs Strahlkraft, seine barocke Pracht- und Machtentfaltung nach Kräften zu imitieren versuchten.

Der württembergische Herzog Carl Eugen etwa nahm sich den französischen Sonnenkönig zum Vorbild und Jahrhunderte später auch der Bayernkönig Ludwig II.