Eberhard I. im Bart von Württemberg
Bad Urach, Deutschland
Attempto – Ich wag‘s.11.12.1445
25.02.1496
„Attempto“ (ich wag’s) war die gelebte Devise des württembergischen Grafen und späteren Herzogs Eberhard im Bart. Und ohne Zweifel, dieser außergewöhnliche württembergische Herrscher hat viel gewagt und viel gewonnen. Der junge Eberhard wuchs in einem geteilten Land auf. Wegen Erbstreitigkeiten zwischen seinem Vater Ludwig I. und seinem Onkel Ulrich V. war Württemberg seit 1442 in einen nördlichen Landesteil mit der Residenzstadt Stuttgart und einen südwestlichen mit der Residenzstadt Urach gespalten. In diesem Städtchen am Fuße der Schwäbischen Alb hatte sein Vater das Uracher Residenzschloss errichten lassen. Dort wurde Eberhard 1445 geboren. Als Fünfjähriger bereits Halbwaise, sein Vater war an der Pest gestorben, übernahm er mit 14 Jahren die Herrschaft über das württembergische Territorium. Eine Pilgerreise zum Heiligen Grab nach Jerusalem im Alter von 22 Jahren hatte wegweisenden Einfluss auf sein weiteres Leben. Fortan trug Eberhard einen Pilgerbart, die Palme mit dem Wahlspruch „Attempto“ wurde zu seinem bildschönen Markenzeichen.
Und dieses Markenzeichen begegnet einem im Uracher Schloss auf Schritt und Tritt, bereits in der bemalten Toreinfahrt und natürlich am eindrucksvollsten im Palmensaal. All diese Ausschmückungen haben wir wohl Barbara Gonzaga, der Tochter des Markgrafen Ludovico III. Gonzaga von Mantua, zu verdanken. Für die Hochzeit mit ihr war Eberhard kein Aufwand zu groß. Ein Brautwerber hatte die Ehe eingefädelt, bevor Eberhard 1474 persönlich nach Mantua gereist war, um seine zehn Jahre jüngere Braut in Augenschein zu nehmen. Offenbar fanden die beiden Gefallen aneinander. „Das Fräulein Barbara war 18 Jahre alt, schön, von angenehmer Gestalt und gefiel diesem Graf Eberhard sehr“, heißt es bei einem Mantuaner Chronisten. Eberhard beschrieb er als „mager, stark behaart, mit einer Adlernase“ und „ziemlich guten Gesichtszügen“.
Nach der Vermählung im Dom von Mantua war Eberhard zurück nach Urach geeilt, um die Hochzeitsfeierlichkeiten vorzubereiten. Das Schloss wurde umgestaltet und herausgeputzt, seine kultivierte italienische Braut und die Hochzeitsgästen sollten beeindruckt werden. Eberhard ließ in die sich über das ganze Erdgeschoss erstreckende Dürnitz, die damals als Aufenthalts- und Arbeitsraum für das Gesinde diente, ein Kreuzrippengewölbe einbauen. Der über eine Reitertreppe zugängliche Palmensaal im ersten Stock wurde mit den Wappen seiner Vorfahren festlich ausgemalt. Diese sogenannte Ahnenprobe machte seine vornehme Abstammung für alle sichtbar. Auch der Goldene Saal im zweiten Stock mit seiner umlaufenden Fensterfront stammt aus Eberhards Zeit, wurde allerdings später im Stil der Spätrenaissance umgestaltet.
1474 fand die legendäre Uracher Hochzeit statt, ein rauschendes Fest, wie man es dort so noch nie erlebt hatte. Barbara war mit einem imposanten Gefolge und einer imposanten Aussteuer in dem kleinen Residenzstädtchen angekommen. Mit weit mehr als tausend Gästen wurde getanzt, gespielt, geschlemmt. Auch ein Brunnen, aus dem Tag und Nacht Wein floss, war im Schlosshof aufgebaut. Vier Tage lang schwäbisches Schlaraffenland.
Dass die beiden sich anfangs nur über einen Dolmetscher verständigen konnten, scheint ihrer Verliebtheit keinen Abbruch getan zu haben. Sogar bei Tisch, so berichtete es ein Gesandter, hielten sie einander an den Händen, sodass man ihnen das Essen auf dem Teller vorschneiden musste. Bald wurde ein Töchterchen geboren, das jedoch nur wenige Monate überlebte. Weitere Nachkommen blieben dem Paar versagt. Vermutlich warf die Kinderlosigkeit einen schweren Schatten auf die Ehe, war es doch damals die wichtigste Aufgabe einer Frau, für gesunden männlichen Nachwuchs und damit für den Fortbestand der Linie zu sorgen.
Barbaras lebenslanges Heimweh nach ihrer Familie in Mantua kennen wir aus ihren Briefen. Der Kontrast zwischen dem glanzvollen Renaissancehof ihres Vaters und dem schlichten Uracher Grafenschloss war eklatant. In Mantua war sie unter Künstlern und Gelehrten aufgewachsen. Andrea Mantegna, der Hofmaler ihres Vaters, hatte im Jahr ihrer Hochzeit die wunderbare Camera degli Sposi in der markgräflichen Residenz vollendet, in der Barbara im Kreise ihrer Familie abgebildet ist.
Da ihr eine Reise in die oberitalienische Heimat zeitlebens verwehrt wurde, blieb ihr nichts anderes übrig als ein Stück Italien nach Württemberg zu holen. So baute sie Basilikum, Rosmarin, Nelken und Spargel im Garten an, allesamt unbekannte exotische Sorten im damaligen Schwaben. Auch ihr Einfluss auf Eberhards Bildungsstreben, sein Interesse an der Kultur und Wissenschaft des Humanismus, ist nicht zu unterschätzen. Eberhard, des Lateinischen unkundig, ließ sich Bücher, die ihn interessierten, ins Deutsche übersetzen. 1477 gründete er in Tübingen die erste württembergische Universität, deren Zeichen noch heute die „Attempto“-Palme ist.
Auch die Überwindung der 40-jährigen Teilung Württembergs ist Eberhards Verdienst. Im Münsinger Vertrag von 1482 gelang es ihm, die beiden Landesteile wieder zusammenzuführen und sein Haus für die Zukunft zu bestellen: „So habe ich die Sorge und Last des Regiments übernommen und dem Vetter seine Lust, Kurzweil und Ergötzlichkeit überlassen.“ Die Residenz wurde zurück nach Stuttgart verlegt, Urach verlor seinen Status als Regierungssitz. Das Uracher Schloss diente jedoch weiterhin den nachfolgenden württembergischen Herrschern als Jagdrefugium.
Kurz vor seinem Tod gelang Eberhard sein wohl größter Triumph. 1495 auf dem Reichstag zu Worms wurde er von Kaiser Maximilian I. in den Herzogsstand erhoben. Württemberg wurde Herzogtum. Kein Wunder, dass Eberhard im Bart später von seinen Württembergern romantisch verklärt wurde. Zurückgehend auf einen Bericht Philipp Melanchtons über den Wormser Reichstag verfasste Justinus Kerner 1818 sein Gedicht “Der reichste Fürst“, das bis heute als inoffizielle Württemberg-Hymne gilt. Beim Gastmahl in Worms soll es zwischen den Fürsten zu einem Streitgespräch über den Reichtum ihrer Länder gekommen sein. Eberhard ging daraus als Sieger hervor, weil er als „Württembergs geliebter Herr“ sein „Haupt kann kühnlich legen, jedem Untertan in Schoß“. So lebt der Mythos vom guten Herrscher Eberhard im Bart, der viel gewagt und viel gewonnen hat, noch heute im kulturellen Gedächtnis vieler Württemberger.