Ferdinand II. von Tirol
Innsbruck (Schloss Ambras), Österreich
Zum ewigen Gedächtnis.14.06.1529
24.01.1595
www.schlossambras-innsbruck.at
Sammeln, egal was, scheint eine menschliche Grundkonstante zu sein. Leidenschaftlich gesammelt hat auch der österreichische Erzherzog Ferdinand II., einer der großen Sammlerpersönlichkeiten des Renaissancezeitalters. Doch Ferdinand sammelte nicht irgendwas, sondern das Staunenswerteste, Kostbarste und Außergewöhnlichste, das die damalige Welt zu bieten hatte. Im Schloss Ambras bei Innsbruck, das er 1564 nach dem Tod seines Vaters, Kaiser Ferdinand I., erbte und in den darauffolgenden Jahren in eine prunkvolle Schlossanlage umbauen ließ, präsentierte er seine enormen Schätze. Eigens für sie ließ er das sogenannte Unterschloss bauen, eines der ersten Museumsgebäude überhaupt und heute die einzige Kunst- und Wunderkammer der Renaissance, die noch an ihrem ursprünglichen Bestimmungsort erhalten geblieben ist. Man kann daher sagen, im Schloss Ambras wurde der Grundstein für ein systematisches Sammlungswesen gelegt. Die über 3000 Exponate sind einerseits angeordnet nach stofflichen Kriterien wie Koralle, Bergkristall, Gold, Silber, Elfenbein oder Perlmutt, andererseits nach inhaltlichen Kriterien wie Artificalia (von Menschenhand geschaffene Kunstwerke), Naturalia (Naturprodukte), Scientifica (wissenschaftliche Instrumente), Exotica (fremdländische Objekte) und Mirabilia (Naturwunder). Darüber hinaus werden präparierte Tiere – Haifisch, Krokodil, Kugelfisch – gezeigt sowie eine Reihe von Gemälden, darunter das berühmte „Wunder von Lissabon“, ein Panzernashorn, das der portugiesische König Manuel I. nach Europa hatte importieren lassen.
Auch der sogenannte eiserne Fangstuhl ist ein Hingucker. Wahrscheinlich stand er in der künstlich angelegten Bacchusgrotte im weitläufigen Schlosspark, wo die Gäste einst beim Empfang ein Saufritual zu überstehen hatten. Verborgene mechanische Greifarme hielten sie so lange an Schultern, Armen und Beinen fest, bis der Weinkrug zur Gänze geleert war. Erst nach erfolgreich bestandener Trinkprobe wurden sie befreit und durften sich in das Trinkbuch eintragen. Auch der nicht mehr existierende Tisch, an dem die Gäste mittels eines durch Wasserkraft betriebenen Mechanismus völlig unerwartet nassgespritzt wurden, gehörte zum Repertoire fürstlicher Scherze. Zu bewundern gibt es heute aber noch den großartigen „Sternenhimmel“, ein 1586 vom Hofmaler Giovanni Battista Fontana aus Holz gefertigtes Deckengemälde, das ursprünglich den fürstlichen Speisesaal zierte.
Neben der Kunst- und Wunderkammer war auch eine umfangreiche Bibliothek im Besitz des Tiroler Landesfürsten. Ferdinand sammelte kostbare Bücher. Und er sammelte Menschen. In den Rüstkammern sind die Waffen, Rüstungen und Porträts bedeutender Persönlichkeiten „zum ewigen Gedächtnis“ ausgestellt. All diese Kostbarkeiten wurden schon zu seinen Lebzeiten vielfach bewundert. Natürlich waren sie auch Ausdruck fürstlicher Macht und Überlegenheit.
Vom Unterschloss geht es hinüber zum imposanten Spanischen Saal mit seiner Helligkeit und Leichtigkeit verströmenden Atmosphäre. Das sich anschließende Hochschloss war der eigentliche Wohnsitz, also auch das Reich der Philippine Welser. Über alle Standesgrenzen hinweg hatte Ferdinand 1557 heimlich die zwar reiche, aber bürgerliche Kaufmannstochter aus Augsburg geheiratet. Sogar in Liebesdingen ging der habsburgische Kaisersohn unkonventionelle Wege. Als der erboste Vater später davon erfuhr, forderte er von den Eheleuten strenge Geheimhaltung. Die vier gemeinsamen Kinder wurden daher im Schloss offiziell als Findelkinder aufgezogen. Zwei verstarben im Kindesalter, zwei Söhne erlangten das Erwachsenenalter. Materiell zwar versorgt, blieben sie jedoch von der habsburgischen Erbfolge ausgeschlossen. Philippine, die von Ferdinand reichlich beschenkt wurde, er überschrieb ihr sogar Schloss Ambras, lebte dort fast zwei Jahrzehnte zum Schein als seine Konkubine. Vor allem ihr Kräutergarten und ihre kulturgeschichtlich wertvolle Badestube mit Umzieh- und Ruheraum erzählen noch heute von ihr. Philippine war medizin- und kräuterkundig. Auch die Pflanzenkunde erhielt damals durch die Entdeckungsfahrten nach Südamerika und Asien neue Impulse. Exotische Gewächse und exotische Tiere kamen nach Europa. Wie die Kunst- und Wunderkammer sollte auch die Vielfalt der Gärten und der Menagerien das umfassende Weltwissen repräsentieren.
Erst 1576, als Sohn Andreas zum Kardinal ernannt werden sollte und seine Herkunft nachzuweisen hatte, kam es zum Outing. Der Papst entband die heimlichen Eheleute von ihrem Schweigegelübde. Philippine, die damals schon kränkelte, starb 1580. Zwei Jahre später heiratete Ferdinand, dieses Mal standes-, aber wenig altersgemäß, seine fast vierzig Jahre jüngere Nichte Anna Katharina von Gonzaga-Mantua, die ihm drei Töchter gebar. Als Ferdinand II. 1595 starb, wurde er wie Philippine in der Innsbrucker Hofkirche bestattet. Seine wunder-vollen Sammlungen des damaligen Weltwissens, die uns bis heute zum Staunen bringen, leben weiter und zeugen von einem neugierigen, gebildeten Geist, der prototypisch für die neuerwachte Weltzugewandtheit der Renaissance steht.
Unter den Habsburgern gab es viele Sammler. Ein anderer österreichischer Erzherzog, Ludwig Salvator, hinterließ zum Beispiel ein erstaunliches enzyklopädisches Werk zum gesamten Mittelmeerraum.