Konrad Adenauer
Rhöndorf, Deutschland

Foto: Creative Commons/Katherine Young, 1952 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de (Ausschnitt)
05.01.1876
19.04.1967
Konrad Adenauer hat der jungen Bundesrepublik Deutschland die Richtung gewiesen – wirtschaftlich, innenpolitisch und außenpolitisch. Nicht ohne Grund gelten die vierzehn Jahre seiner Amtszeit als die „Ära Adenauer“. Mit Beharrlichkeit, Weitsicht und Durchsetzungsstärke prägte Adenauer als erster deutscher Bundeskanzler die Geschicke Deutschlands. Eine Mammutaufgabe angesichts des kriegszerstörten und durch den Nationalsozialismus international diskreditierten Landes. Konfrontiert mit vier Besatzungsmächten und einem sich zunehmend verhärtenden Ost-West-Konflikt hielt er allein die Einbindung in die westeuropäisch-transatlantische Staatengemeinschaft für einen zukunftstauglichen Weg. Unter diesem Dach, so seine Überzeugung, konnte es gelingen, Deutschland wieder eine geachtete Rolle in der Welt zu erkämpfen.
Sein klarer Westkurs war untrennbar verbunden mit einem strikten Antikommunismus: „Ich bin seit Jahr und Tag davon ausgegangen, dass das Ziel Sowjetrusslands ist, im Wege der Neutralisierung Deutschlands die Integration Europas zunichte zu machen, die USA aus Europa wegzubekommen und damit Europa in seine Machtsphäre zu bringen.“ Adenauer war eingefleischter Europäer, seine Vision war die politische, wirtschaftliche und auch militärische Einheit des Westens. „Ich war überzeugt, dass sie die Europäer aus der Enge ihres nationalstaatlichen Lebens herausführen würde in die Weite des europäischen Raumes, die dem Leben des Einzelnen einen größeren und reicheren Sinn geben würde“, schrieb er in seinen Memoiren. Doch der Kalte Krieg hatte zugleich die Teilung in zwei deutsche Staaten weiter verfestigt. Die Wiedervereinigung, so Adenauers realistische Einschätzung, wurde zwar nicht aufgegeben, galt ihm aber eher als langfristiges Ziel.
Aber nicht nur außenpolitisch, auch im Inneren waren viele Weichen zu stellen. Zum Kraftakt des Wiederaufbaus kam die Herausforderung, Millionen Flüchtlinge und Heimatvertriebene zu integrieren. Mit der Einführung der sozialen Marktwirtschaft begann ein unerwartet rascher wirtschaftlicher Aufschwung. Zugleich stellte sich die Bundesrepublik ihrer historischen Verantwortung. Adenauer leitete die Wiedergutmachungspolitik gegenüber Israel und den jüdischen Opfern des Holocaust ein.
Einen Höhepunkt seiner Popularität erreichte er 1955, als es ihm nach zähen Verhandlungen mit der Kreml-Führung gelang, die letzten 10.000 deutschen Kriegsgefangenen aus den sowjetischen Lagern heimzuholen. Zwei Jahre später errang die CDU/CSU dann bei der Bundestagswahl die absolute Mehrheit. Diesem Erfolg waren viele politische und private Lebensstationen vorausgegangen. Sie alle haben Konrad Adenauer zu einem führungsstarken und strategisch versierten Staatsmann geformt.
Aus einfachen Verhältnissen stammend - sein Vater war Justizbeamter - war der junge Adenauer die Karriereleiter hochgestiegen. Auch die Heirat 1904 mit der aus einer angesehenen Kölner Familie stammenden Emma Weyer trug dazu bei. Ihr früher Tod 1916 hinterließ ihn mit drei kleinen Kindern. Ein Jahr später überlebte er nur knapp einen Autounfall, dessen Spuren sein Gesicht lebenslang zeichneten. 1917 wurde Adenauer mit 41 Jahren Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Köln. Bald darauf heiratete der Witwer die 19 Jahre jüngere Auguste "Gussie" Zinsser. Vier weitere Kinder ergänzten in der Folge die Familie.
Doch das berufliche und private Glück endete jäh. 1933 wurde Adenauer von den Nationalsozialisten aus dem Kölner Rathaus vertrieben. Als katholischer Christ und Zentrumspolitiker hatte er sich allzu widerständig und distanziert gegenüber den neuen Machthabern gezeigt. Mehrfach musste Adenauer untertauchen und lebte schließlich im inneren Exil - stets unter den Augen der Gestapo.
1937 bezog er mit seiner Familie ein neuerbautes Haus in Rhöndorf in der Nähe von Bonn. Das Anwesen lag idyllisch oberhalb eines ehemaligen Weinbergs. Hier verbrachte Adenauer als Privatier die weiteren Jahre der Diktatur. Er bestellte den Garten und tüftelte an kuriosen Erfindungen herum wie einem beleuchteten Stopfei, einem elektrischen Insektentöter, einer Harke mit Hammerkopf. Nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli 1944 geriet er erneut ins Visier der Gestapo. Obwohl Adenauer sich dem aktiven Widerstand nicht angeschlossen hatte, entging er nur knapp der Hinrichtung.
Nach dem Krieg beriefen ihn die amerikanischen Besatzer zurück ins Kölner Rathaus. Als dann die Briten die Macht im Rheinland übernahmen, wurde er nach fünf Monaten wegen Meinungsverschiedenheiten wieder abgesetzt. Adenauer wandte sich nun mit ganzer Kraft dem Aufbau der neugegründeten Partei CDU zu. Ein schwerer Schicksalsschlag traf ihn 1948, als seine zweiten Frau Gussie vermutlich an den Folgen ihrer Haft verstarb. Adenauer, nun ein zweites Mal Witwer, warf sich mit noch größerer Energie in die politische Arbeit. Er profilierte sich als Vorsitzender des Parlamentarischen Rats, der die Aufgabe hatte, das Grundgesetz auszuarbeiten. Und als bei der ersten Bundestagswahl 1949 die CDU/CSU als stärkste Kraft hervorging, zog er geschickt die Strippen und sicherte sich – damals bereits 73-jährig – die Kanzlerkandidatur.
Zum Ende seiner Amtszeit schwand sein Nimbus, der Druck in Partei und Medien nahm zu. Der Abschied von der Macht fiel schwer, zumal sein missliebiger Rivale Ludwig Erhard bereits in den Startlöchern stand. Kritikern erwiderte er: „Es sind die schlechtesten Früchte nicht, an denen die Wespen nagen.“ 1963 wurde „der Alte“ mit 87 Jahren in den Ruhestand verabschiedet.
In den verbleibenden vier Jahren widmete sich Adenauer der Arbeit an seinen „Erinnerungen“, die er in seinem eigens dafür errichteten Pavillon zu Papier brachte. Dafür wie auch für seinen sorgfältig angelegten Garten hatte er sich von seinem italienischen Urlaubsort Cadenabbia am Comer See inspirieren lassen. „In meinem Rhöndorfer Garten finde ich nach getaner politischer Arbeit Entspannung, Ruhe und neue Kraft für kommende Aufgaben, und hier auch wird mir stets wieder bewusst, was die Natur uns zu lehren vermag – man muss Geduld haben, wenn man etwas erreichen will, in der Natur und in der Politik.“ In Oberitalien war auch seine Leidenschaft für das Bocciaspiel erwacht, auf das er zuhause nicht verzichten wollte. Neben seinem Wohnhaus ließ er sich eine Bocciabahn anlegen.
Das unprätentiöse weißverputzte Haus mit seinem gediegenen Interieur blieb weitgehend unverändert. Auch Geschenke wie etwa das von Churchill gemalte Bild einer antiken Tempelruine oder das Landschaftsgemälde des späteren US-Präsidenten Eisenhower sind noch an ihrem Platz. Zwei Mal empfing Adenauer hier in privatem Ambiente den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle - ein starker symbolischer Akt der Aussöhnung mit dem alten Erbfeind Frankreich.
Bis zuletzt blieb Rhöndorf sein Rückzugsort. Dort starb Adenauer 1967, 91-jährig in seinem Schlafzimmer. Im Rückblick lässt sich sagen, sein patriarchalischer Politikstil passte in die Wirren der deutschen Nachkriegszeit. Konrad Adenauer war es gelungen, Deutschland wieder zu internationalem Ansehen zu verhelfen und zu einem stabilen demokratischen, wirtschaftlich und gesellschaftlich konsolidierten Land zu machen. Das war zum damaligen Zeitpunkt alles andere als eine Selbstverständlichkeit.