Georg Kolbe

Berlin, Deutschland

Foto: Wikimedia commons/Unknown author, ca. 1940 (Ausschnitt)

Jedoch die hellen und die dunklen Tage zusammen heißen Leben, Da-Sein.

15.04.1877

20.11.1947

georg-kolbe-museum.de

Man kann ihm nur zustimmen: „Die hellen und die dunklen Tage zusammen heißen Leben, Da-Sein.“ Im Leben des Bildhauers Georg Kolbe waren Hell und Dunkel im Künstlerischen wie im Persönlichen auf zwei Phasen verteilt. Es gab die helle Zeit, in der Kolbe zu den erfolgreichsten und populärsten deutschen Bildhauern seiner Zeit gehörte. In den 1920er Jahren war er ein gefragter Künstler, der mit öffentlichen und privaten Aufträgen geradezu überschüttet wurde. Er schuf Porträtbüsten von Friedrich Ebert, Max Liebermann oder Henry van de Velde, das Heine-Denkmal in Frankfurt am Main oder den Rathenau-Brunnen im Berliner Volkspark Rehberge. Ein regelrechtes Kultobjekt wurde seine Bronzefigur „Die Tänzerin“, eine anmutige Mädchengestalt, die im Tanz versunken mit weit ausgebreiteten Armen ein neu erwachtes Freiheits- und Körpergefühl zum Ausdruck brachte und damals besonders den Nerv der jungen Generation traf. In diese Zeit fiel auch Kolbes privates Glück mit der holländischen Sängerin Benjamine van der Meer de Walcheren, von ihm kurz „Ben“ genannt, mit der er seit 1902 verheiratet war. 1904 zog das Paar zusammen mit der kleinen Tochter Leonore nach Berlin.

Mit dem Tod seiner Frau im Alter von nur 45 Jahren hielten die dunklen Tage Einzug in Georg Kolbes Leben. Er entschied sich, im Berliner Stadtteil Westend nahe am Friedhof Heerstraße, wo sich Bens Grab befand, ein Grundstück zu kaufen. Schon davor hatte Kolbe bereits mit den Architekten des sogenannten Neuen Bauens zusammengearbeitet. Sein Interesse galt der Verbindung von Architektur und Skulptur, paradigmatisch verwirklicht im bekannten Barcelona-Pavillon Mies van der Rohes für die Weltausstellung 1929. Dort korrespondiert Kolbes figurative Plastik „Der Morgen“ stimmig mit dem sie umgebenden Raumgefüge. Kein Wunder also, dass auch in sein eigenes Haus, mit dessen Gestaltung er den Schweizer Architekten Ernst Rentsch beauftragt hatte, viele seiner vom Bauhaus inspirierten Ideen einflossen.

Entstanden sind 1929 zwei gegenüberliegende kubische Baukörper aus rotbraunem Backstein. Bald war klar, dass Kolbe das Atelierhaus auch zum Wohnen nutzen und seine Tochter Leonore mit ihrer Familie in das zweite Haus einziehen würde. Ein ursprünglich dazwischen verlaufender Waldweg wurde in die Gartenplanung miteinbezogen. 1935 kam der vorgelagerte Skulpturenhof hinzu. 

Kolbes Hauptinteresse galt der Funktionalität der Räume, die ihm ein ungestörtes Arbeiten ermöglichen sollten. „Zu repräsentieren war nicht Aufgabe der Häuser, sondern rein dem Zweck zu dienen und so galt es, die geforderten Räume in schlichtester Form zu Körpern zusammenzufassen und diese unter sich in Einklang zu bringen.“ So formulierte der Architekt seinen Bauauftrag. Das großzügige hohe Atelier mit Oberlicht und bodentiefen Fenstern zum Garten hin war der zentrale Raum im Kolbe-Haus. Ihm waren ein Wohnatelier und einige kleine Privaträume angegliedert. Eine uneinsehbare Dachterrasse, die als Freiluftatelier diente, ermöglichte es dem Künstler, über einen Sehschlitz hinüber zum Friedhof zu schauen. Das Anwesen ist durch eine schützende Mauer von der Straße getrennt. Nicht von ungefähr nannte Kolbe es seine „Burg“ und seine „Einsiedler-Klause“. 

Die dunklen Tage führten auch zu einem Wandel in seinem Kunstschaffen. Nun dominierten ernste athletische Figuren, die meist in statischer Haltung und überlebensgroß von Kolbe gestaltet wurden. Dass dieser Stil fatalerweise gut in das Ästhetikprogramm der Nationalsozialisten passte, haftet dem Künstler bis heute als Makel an. Kolbe erhielt nicht wie so viele seiner Künstlerkollegen Berufsverbot, er konnte weiterhin öffentlich ausstellen. Aber er war kein überzeugter Anhänger der Nationalsozialisten, das belegen private Äußerungen. Der „Befreite“ gilt nach Kriegsende als seine erste große künstlerische Arbeit: ein gebeugter Mensch, der erschüttert sein Gesicht in den Händen verbirgt.

Das Dunkel ließ Georg Kolbe nicht mehr los. Halbblind und schwerkrank verstarb er 1947. Begraben ist er neben seiner Frau Benjamine auf dem Friedhof Heerstraße. Es war Georg Kolbes testamentarischer Wille, sein Anwesen und seine umfangreiche Kunstsammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er beschenkt uns Heutige mit der Möglichkeit, in ein in Berlin einmaliges Architekturensemble der 20er Jahre einzutauchen, in dem Raum und Skulptur eine gelungene Symbiose eingehen.