Joan Miró

Palma de Mallorca, Spanien

Porträt von Joan Miró

Foto: Wikimedia commons/Carl Van Vechten,1935 (Ausschnitt)

Musik der Stille.

20.04.1893

25.12.1983

miromallorca.com

Die Kunst Joan Mirós ist unseren Augen wohlvertraut. Seine Gemälde begegnen uns in Kalendern und an Zimmerwänden, seine Skulpturen prägen den öffentlichen Raum, seine Keramikwände schmücken das Pariser Unesco-Gebäude, den Flughafen von Barcelona und das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen. Selbst das offizielle Logo des spanischen Fremdenverkehrsamts lehnt sich seit langem an Mirós charakteristischen Malstil an. Nur sein rmonumentaler Wandteppich im World Trade Center ging am 11. September 2001 mit den Zwillingstürmen in Schutt und Asche unter.

Auf manche wirken Mirós farbstarke Werke zu eingängig und gefällig. Vielleicht weil der katalanische Künstler sein Leben lang um eine universell verständliche Bildsprache kreiste und sie in Urzeichen wie Vogel, Auge, Frau, Sonne, Mond, Stern, Ring, Strich oder Punkt vielfach variierte: „Es ist das Luftigste, das Leichteste, was ich je gesehen habe. In einem gewissen Sinn ist es absolut perfekt. Wenn Miró einen Punkt setzt, gelingt er ihm immer genau. In der Tat ist er ein Maler, der drei Farbflecke auf einer Leinwand lassen kann: sie sind da und damit auch ein Bild“, so brachte es sein Künstlerkollege Alberto Giacometti buchstäblich auf den Punkt.

Als junger Mann hatte sich Miró im Kreis der Surrealisten in Paris bewegt, wurde von ihnen inspiriert und ging dennoch seinen ganz eigenen künstlerischen Weg. Die Zeitläufte brachten ihn in Opposition zum Franco-Regime, vertrieben ihn aus Spanien und führten ihn schließlich für den Rest seines Lebens nach Mallorca. Seit Kindertagen war ihm die spanische Mittelmeerinsel vertraut, sowohl seine Mutter als auch seine Frau Pilar Juncosa stammten von dort. 1956 ließ er sich endgültig in Mallorca nieder und erfüllte sich seinen Traum von einem „sehr großen Atelier“.

In Cala Mayor, dem westlichsten Zipfel der Hauptstadt Palma, erwarb er ein terrassiertes Anwesen mit weitem Blick aufs Meer und die damals noch unzersiedelte Landschaft. In der Nähe seines Hauses „Son Abrines“ ließ er sich von seinem Freund Josep Lluis Sert ein Ateliergebäude bauen, das in der Tradition des Bauhauses, insbesondere Le Corbusiers, steht. Der weiße Kubus „Taller Sert“ mit Türen in kraftvollem Rot, Gelb und Blau und das an Vogelschwingen erinnernde Dach fügen sich harmonisch in die Umgebung ein. Die lichte Atelierhalle mit umlaufender Galerie bot Miró endlich „Platz für viele Leinwände, denn je mehr ich arbeite, umso mehr Lust habe ich zu arbeiten.“ Seine Werke sind dort auch heute noch (natürlich als Reproduktionen) inmitten von Staffeleien, Schaukelstühlen und Schemeln zu sehen. Überall verstreut finden sich Zettel, Postkarten, Fotografien, Treibgut und Fundstücke des Alltags, die der Künstler von seinen Spaziergängen und Reisen mitbrachte – ein faszinierender Inspirationsraum künstlerischer Kraft.

1959 konnte Miró das benachbarte Gut „Son Boter“ erwerben, ein typisches mallorquinisches Landhaus aus dem 18. Jahrhundert. Dort richtete er ein weiteres Atelier ein, das ihm aufgrund seiner massiven Mauern vor allem in den Sommermonaten als Werkstatt diente. An den weißgetünchten Wänden finden sich flüchtig hinskizzierte Kohlezeichnungen - Vorstudien für spätere Skulpturen.

Miró lebte über 25 Jahre auf seinem mallorquinischen Anwesen. Der schmächtige, zurückhaltend auftretende Mann fand hier den idealen Rückzugsort für seine Arbeit an einer „Musik der Stille“, wie er sein künstlerisches Streben einmal beschrieb. Unangemeldete Besucher wimmelte er gelegentlich mit der Ausrede ab, er sei nur der Gärtner, der Künstler selbst halte sich gerade in New York auf. Wenn er dann tatsächlich auf Reisen ging, hatte er angeblich in seiner Hosentasche stets ein paar Schoten vom Johannisbrotbaum dabei, der noch heute vor „Son Boter“ steht .

Man kann sich Mirós Entsetzen vorstellen, als der beginnende Bauboom der 1970er Jahre auch vor seiner eigenen Haustür nicht Halt machte. Stück für Stück Natur musste nichtssagenden Betonblöcken weichen. Kurz vor seinem Tod entschloss er sich, eine Stiftung zu gründen und der Stadt Palma seine Ateliers zu vermachen: „Ich möchte nicht, dass eines Tages an dieser Stelle irgend eines dieser schrecklichen Hochhäuser gebaut wird, die mich von allen Seiten umringen“, sagte er. „Mich quält die Vorstellung, dass ein Vorschlaghammer die Wände niederreißen und die Zeichnungen dort für immer verloren gehen könnten.“ Seit 1992 wird das Areal vom Museumsbau Rafael Moneos komplettiert, in dem zahlreiche Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Grafiken des Künstlers zu sehen sind.

Ob man seine Werke nun für zu eingängig und gefällig hält oder nicht - mit Picasso und Dali gehört Miró zu den drei großen Künstlern, mit denen sich Spanien in die Kunstgeschichte der Moderne eingeschrieben hat.

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