Joan Miró
Palma de Mallorca, Spanien
Musik der Stille.20.04.1893
25.12.1983
Die Kunst Joan Mirós ist unseren Augen wohlvertraut. Seinen Gemälden begegnet man in Kalendern und an Zimmerwänden, seine Skulpturen prägen den öffentlichen Raum, seine Keramikwände zieren das Pariser Unesco-Gebäude, den Flughafen von Barcelona oder das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen. Und auch das offizielle Logo des spanischen Tourismusamtes lehnt sich schon seit geraumer Zeit an Mirós charakteristischen Malstil an. Nur sein riesiger Wandteppich im World Trade Center versank am 11. September 2001 zusammen mit den Zwillingstürmen in Schutt und Asche.
Auf manche wirken Mirós farbstarke Kunstwerke zu eingängig und gefällig. Vielleicht weil der katalanische Künstler sein Leben lang um eine universal verständliche Bildsprache kreiste und sie in Urzeichen und Urbildern wie Vogel, Auge, Frau, Sonne, Mond, Stern, Ring, Strich oder Punkt vielfach variierte: „Es ist das Luftigste, das Leichteste, was ich je gesehen habe. In einem gewissen Sinn ist es absolut perfekt. Wenn Miró einen Punkt setzt, gelingt er ihm immer genau. In der Tat ist er ein Maler, der drei Farbflecke auf einer Leinwand lassen kann: sie sind da und damit auch ein Bild“, so brachte es sein Künstlerkollege Alberto Giacometti buchstäblich auf den Punkt.
Als junger Mann hatte sich Miró im Kreis der Surrealisten in Paris bewegt, wurde von ihnen inspiriert und beeinflusst und ging dennoch seinen ganz eigenen künstlerischen Weg. Die Zeitläufte brachten ihn in Opposition zum Franco-Regime, vertrieben ihn aus Spanien und führten ihn schließlich für den Rest seines Lebens nach Mallorca. Seit Kindertagen war ihm die spanische Mittelmeerinsel vertraut, seine Mutter und auch seine Ehefrau Pilar Juncosa stammten von dort. 1956 ließ er sich endgültig in Mallorca nieder und erfüllte sich seinen Traum, ein „sehr großes Atelier zu besitzen“.
In Cala Mayor, dem westlichsten Zipfel der Hauptstadt Palma, erwarb er ein terrassiertes Anwesen mit weitem Blick aufs Meer und die damals noch unzersiedelte Landschaft. In der Nähe seines Hauses „Son Abrines“ ließ er sich von seinem Freund Josep Lluis Sert ein Ateliergebäude bauen, das in der Tradition des Bauhauses, insbesondere Le Corbusiers, steht. Der weiße Kubus „Taller Sert“ mit Türen aus kraftvollem Rot, Gelb und Blau und das an Vogelschwingen erinnernde Dach fügen sich harmonisch in die Umgebung ein. Die lichte Atelierhalle mit umlaufender Galerie bot Miró endlich „Platz für viele Leinwände, denn je mehr ich arbeite, umso mehr Lust habe ich zu arbeiten.“ Seine Werke, halbfertig oder fertig, sind dort auch heute noch (natürlich als Reproduktionen) inmitten von Staffeleien, Schaukelstühlen und Schemeln zu sehen. Überall verstreut finden sich Zettel, Postkarten, Fotografien,Treibgut und Fundstücke des Alltags, die der Künstler von seinen Spaziergängen und Reisen mitbrachte – ein faszinierender Inspirationsraum künstlerischen Schaffens.
1959 konnte Miró das benachbarte Gut „Son Boter“ hinzukaufen, ein typisches mallorquinisches Landhaus aus dem 18. Jahrhundert. Dort richtete er sich ein weiteres Atelier ein, das ihm aufgrund seiner massiven Mauern vor allem in den Sommermonaten als Werkstatt diente. Die meisten der dort an den weißgetünchten Wänden flüchtig hinskizzierten Kohlezeichnungen sind Vorstudien für seine Skulpturen.
Miró lebte über 25 Jahre bis zu seinem Tod auf seinem mallorquinischen Anwesen. Dieser schmächtige, bescheiden auftretende Mann fand hier den geeigneten Rückzugsort für seine Arbeit an einer „Musik der Stille“, wie er sein künstlerisches Ansinnen einmal beschrieb. Unangemeldete Besucher konnte er mit der Erklärung abwimmeln, er sei nur der Gärtner, der Künstler selbst hingegen halte sich gerade in New York auf. Wenn er dann tatsächlich auf Reisen ging, hatte er angeblich in seiner Hosentasche immer ein paar Schoten vom noch heute vor „Son Boter“ wachsenden Johannisbrotbaum dabei.
Man kann sich Mirós Entsetzen vorstellen, als der beginnende Bauboom der 1970er Jahre auch vor seiner eigenen Haustür nicht Halt machte. Stück für Stück Natur musste nichtssagenden Betonblöcken weichen. Kurz vor seinem Tod entschloss er sich, eine Stiftung zu gründen und der Stadt Palma seine Ateliers zu vermachen: „Ich möchte nicht, dass eines Tages an dieser Stelle irgend eines dieser schrecklichen Hochhäuser gebaut wird, die mich von allen Seiten umringen“, sagte er. „Mich quält die Vorstellung, dass ein Vorschlaghammer die Wände niederreißen und die Zeichnungen dort für immer verloren gehen könnten.“ Seit 1992 wird das Areal vom Museumsbau Rafael Moneos komplettiert, in dem viele Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Graphiken des Künstlers gezeigt werden.
Mag sein, dass manche Mirós Werke zu eingängig und gefällig finden, mit Picasso und Dali gehört er dennoch zu den drei großen Künstlern, mit denen sich Spanien in die Kunstgeschichte der Moderne eingeschrieben hat.