Robert Brady
Cuernavaca, Mexiko
La Casa de la Torre.1928
1986
Man bräuchte Stunden, Tage, nein Jahre, um all diese angesammelten Kostbarkeiten gebührend zu erfassen und zu würdigen. Dieses Haus in Cuernavaca ist eine hinter hohen Mauern verborgene Schatzkammer, der man nicht anders kann als viele Bewunderer zu wünschen. Ihr Schöpfer ist Robert Brady, ein US-amerikanischer Maler und Sammler, der hier seit Anfang der 60er Jahre bis zu seinem Tod 1986 lebte. Als Maler hat es Brady wohl nicht zur absoluten Meisterschaft gebracht. Sein wahres Meisterwerk jedoch ist ohne Zweifel sein Haus selbst.
Aber natürlich braucht es eine Menge Geld und viel ästhetisches Gespür, um so ein Gebäude in Besitz zu nehmen und zu gestalten. Brady hatte beides. Er stammte aus einer reichen Transportunternehmer-Familie aus Iowa. Schon in jungen Jahren fühlte er sich von der Welt der Kunst angezogen. Nach dem Kunststudium in Chicago zog es ihn zur Barnes Foundation nach Philadelphia. Albert C. Barnes‘ Kunstverständnis und sein Faible für afrikanische Stammeskunst haben Brady lebenslang geprägt. Auch Peggy Guggenheim, die exzentrische Sammlerin, mit der er sich während der darauffolgenden Jahre in Venedig angefreundet hatte, beeinflusste seine Sammelleidenschaft maßgeblich. Sie war es auch, die ihn zu einer Reise nach Mexiko inspirierte. Dort in Cuernavaca südlich von Mexico City fiel sein Auge auf dieses Anwesen, ein ursprünglich der Kathedrale angegliedertes Franziskanerkloster aus dem 16. Jahrhundert. Brady konnte es erwerben und renovierte es in den kommenden Jahren nach seinen Vorstellungen – Atelier, Garten, Wohnräume –, nicht ohne dabei den originalen Baubestand respektvoll zu integrieren. Entstanden ist ein urbanes Paradies, in dem Natur wie Kultur zu ihrem Recht kommen.
Alle Räume haben durch eine jeweils besondere Farbgebung ihren eigenen Charakter und ihr eigenes thematisches Zentrum. Da gibt es die mit mexikanischer Handwerkskunst dekorierte Hausbar, die Küche und die Badezimmer, allesamt mit wunderbaren handgefertigten Kacheln ausgestattet, oder neben dem Pool das Terrassenzimmer mit einer fulminanten ethnografischen Sammlung. Eine steinerne Außentreppe führt ins Obergeschoss zum „Gelben Zimmer“ und zu den in lasziven Rot- und Orangetönen gehaltenen Schlafzimmern.
Weit über tausend Exponate aus der ganzen Welt füllen jeden Winkel dieses Refugiums, ganz nach dem persönlichen Geschmack und Blick des ehemaligen Hausherrn arrangiert. Skulpturen, Möbel, Textilien, Keramiken, Gemälde aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen gehen in Bradys musealer Sammlung überraschende Korrespondenzen ein. Prähispanische Figuren, afrikanische Masken, mexikanische Puppen, orientalische Möbel, Kruzifixe, Buddhas haben ihren Platz neben zeitgenössischen Werken etwa von Frida Kahlo, Diego Rivera oder Rufino Tamayo.
Durch seine zahlreichen Reisen in die ganze Welt, die er immer mehrere Monate im Jahr unternahm, hat Brady seine Sammlung stetig erweitert. Brady war ein Weltreisender, der den staunenswerten Reichtum der „Weltkunst“ in sein Zuhause hineingenommen hat.
Auch seine eigenen Gemälde mischen sich darunter, etwa das Porträt von Peggy Guggenheim oder das seiner Köchin, das großformatig eine Küchenwand einnimmt. Eine andere Frau seines Lebens war die Sängerin und Tänzerin Josephine Baker. Auch von ihr sind mehrere Exponate zu sehen. Angeblich sollen der homosexuelle Brady und die bisexuelle Baker in Acapulco in ganz privatem Rahmen geheiratet haben, und angeblich soll Brady das orientalisch angehauchte Schlafzimmer gegenüber seinem eigenen speziell für sie entworfen haben. Eine Laune oder mehr? Wer weiß. An prominenten und illustren Gästen jedenfalls hat es in der „Casa de la Torre“ nicht gefehlt. Der Hausherr liebte Partys.
Mit 58 Jahren ist Robert Brady an Leberkrebs gestorben. Wie seine Freundin Peggy Guggenheim in Venedig ließ auch er sich im Garten neben seinen Hunden begraben. Und wie sein Vorbild Albert Barnes vermachte auch er sein Hausmuseum der Öffentlichkeit, verbunden mit der Maßgabe, alles im ursprünglichen Zustand zu belassen.
Und genau das macht heute den lebendigen Zauber der „Casa de la Torre“ aus. Brady ist in seinem Haus immer noch der heimliche Gastgeber, der uns einlädt, an seinem Leben als Liebhaber der „Weltkunst“ teilzuhaben. Nur den Drink an der Hausbar kann er uns leider nicht mehr persönlich servieren.