Franz Liszt

Weimar, Deutschland

Foto: Wikimedia commons/Franz Hanfstaengl (Ausschnitt)

Zu einer Hälfte Zigeuner, zur anderen Franziskaner.

22.10.1811

31.07.1886

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Er war ein Star – extravagant, charismatisch, genial, gutaussehend. Schon als Kind wurde er auf rastlosen Tourneen von seinem marketingschlauen Vater durch die Konzertsäle Europas gemanagt. Bei seinen Auftritten verfielen die Fans in ekstatische Begeisterung, die Damen warfen sich ihm zu Füßen, Groupies so viele er wollte. Fanartikel mit seinem Porträt auf Handschuhen, Tabakdosen, Bonbons fanden reißenden Absatz, befeuert durch seine gekonnt inszenierten Starallüren, die in dem Ausruf kulminierten: „Das Konzert bin ich!“ Die Rede ist von keinem Popstar des 20. oder 21. Jahrhunderts, auch wenn sich die Phänomene bis aufs Haar gleichen, die Rede ist von Franz Liszt, dem Starpianisten des 19. Jahrhunderts, der damals, wie es Heinrich Heine nannte, eine regelrechte „Lisztomanie“ auslöste: „Es war ein erhabener Anblick, wie der Triumphator mit Seelenruhe die Blumensträuße auf sich regnen ließ und endlich, graziöse lächelnd, eine rote Kamelia, die er aus einem solchen Bukett hervorzog, an seine Brust steckte.“

Im Alter von 36 Jahren beendete Liszt abrupt seine Pianistenkarriere und verlegte sich aufs Komponieren und Dirigieren. Da kam der Großherzog von Weimar gerade recht. Er bot Liszt das Amt des Hofkapellmeisters an und gab ihm freie Hand bei der Umsetzung seiner musikalischen Projekte. Dazu gehörte die Förderung von Berlioz und Wagner, dazu gehörten auch seine neuartigen symphonischen Dichtungen, die Musik und Literatur zu verbinden suchte. Doch Weimar war nicht empfänglich für diese „Zukunftsmusik“. Liszts Traum, zusammen mit Richard Wagner, wie einst Goethe und Schiller, „eine neue Kunstperiode“ einzuleiten, scheiterte. Auch das provokative Bohèmeleben in der Villa Altenburg mit Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein, seiner langjährigen Geliebten, tat ein Übriges, um die Weimarer gegen ihn aufzubringen. Enttäuscht verließ Liszt 1861 die Stadt.

Jahre später rückte Weimar ein zweites Mal  in den Fokus, wieder angelockt vom Großherzog, der sich durch den berühmten Musiker neuen Glanz für seine kleine Residenzstadt erhoffte. Liszt gab dem Werben nach. Weimar wurde ab 1869 neben den beiden Wohnorten Budapest und Rom bis zum Lebensende sein Sommerwohnsitz. Hier bezog er die ehemalige Hofgärtnerei, ein klassizistisches Wohnhaus am Rande des Ilmparks, opulent im gründerzeitlichen Stil von der großherzoglichen Familie höchstpersönlich für ihn eingerichtet. „Tatsache ist, dass diese Wohnung von ‚wagnerischem‘ Luxus“ ist, konstatierte Liszt. Im Wohn- und Arbeitszimmer stehen auch heute noch der schwarze Bechstein-Flügel und das Ibach-Klavier. Hier empfing der Musiker drei Mal wöchentlich seine aus ganz Europa angereisten Schüler, um sie gemeinsam in einer Art Meisterkurs – übrigens kostenlos – zu unterrichten. Herausragenden Schülern wurde dann gelegentlich die Ehre zuteil, bei den Sonntagsmatineen im Hause Liszt ihr Können zu zeigen.

Vom Musikzimmer durch schwere, farbkräftige Portieren getrennt lag das Arbeitszimmer. Hier hängt noch immer das Porträt von Beethoven, Liszts großem musikalischem Vorbild. Das sich anschließende Schlafzimmer mit Waschtisch und Bett ist äußerst schlicht eingerichtet. Der verschließbare Schrank enthielt nicht etwa Liszts Garderobe, sondern seine Partituren, Manuskripte und Briefe. Das Speisezimmer und das schmale Zimmer seines Dieners schließen sich an. Hier steht heute das stumme Klavier, das Liszt für Fingerübungen nutzte und zum Proben auf seinen zahlreichen Kutschfahrten mitführte.

Bayreuth war ein weiterer Bezugspunkt seiner späten Jahre. Dort lebte Cosima, die Tochter aus der Verbindung mit seiner ersten langjährigen Geliebten Marie d’Agoult. Das Verhältnis zu Cosima war jahrelang angespannt, vor allem nachdem sie ihren ersten Ehemann Hans von Bülow verlassen und Richard Wagner, den nur zwei Jahre jüngeren Musikerfreund ihres Vaters, geheiratet hatte. Doch Liszt wurde in Bayreuth gebraucht, seine Popularität sollte die Festspielidee voranbringen, und dies umso mehr nach Wagners Tod 1883. So reiste er 1886 nach Bayreuth zu den ersten von Cosima allein ausgerichteten Festspielen. Durch eine Lungenentzündung geschwächt, verstarb er dort. Seine Grabstätte liegt auf dem städtischen Friedhof in Bayreuth. Liszt war Zeit seines Lebens ein religiöser Mensch. So findet sich in einem seiner Briefe auch eine bezeichnende Selbstbeschreibung: „Man könnte mich auf deutsch ganz gut charakterisieren: Zu einer Hälfte Zigeuner, zur anderen Franziskaner.“

Schon ein Jahr später – noch immer riss der Strom der Liszt-Verehrer aus nah und fern nicht ab – wurde sein Haus in Weimar auf Geheiß des Großherzogs in ein Museum umgewandelt. Es solle „in unverändertem Zustande für ewige Zeiten“ erhalten bleiben. Wohl auch deshalb wirkt Liszts Wohnung im ersten Stock heute noch so authentisch. Musik- und Arbeitszimmer sind original erhalten, das weitere Inventar stammt ebenfalls aus dem Besitz des Musikers. Man kann sich heute nicht nur in Liszts ehemaliger Wohnwelt bewegen, im Erdgeschoss hat man im dort eingerichteten Hörkabinett zudem die Möglichkeit, in seine Klangwelt einzutauchen. Mit Liszts Musik im Ohr gelingt es mühelos, sich mitten in die einstigen Sonntagsmatineen hineinzuphantasieren, die der russische Komponist Alexander Borodin so geschildert hat: „Die Herren standen größtenteils. Die Damen saßen in Hüten und mit Sonnenschirmen in den Händen. Die vornehmen Herren, auch der Großherzog, waren in schwarzen Überröcken, den Hut in der Hand und mit einem kleinen Stöckchen, das sie nicht aus den Händen ließen.“ Und mittendrin: der Starpianist Franz Liszt.