Richard Wagner

Bayreuth, Deutschland

Foto: Wikimedia commons/Franz Hanfstaengl, 1871 (Ausschnitt)

Wahn! Wahn! Überall Wahn!

22.05.1813

13.02.1883

www.wagnermuseum.de

„I hate Wagner, but I hate him on my knees“, bekennt der amerikanische Komponist Leonard Bernstein in einer Filmsequenz zur Wirkungsgeschichte Richard Wagners, die historisch passend im benachbarten Siegfried-Wagner-Haus gezeigt wird. Hier haben der Sohn Siegfried bis zu seiner Heirat und später dessen Witwe, die hitlerverliebte Winifred, bis zu ihrem Tod 1980 gelebt.

Dieses Bekenntnis Bernsteins zeigt die ganze Ambivalenz, die mit Richard Wagner – als Komponist, Publizist, Festspielleiter – verbunden war und noch immer ist. Aber statt sich ins Kreuzfeuer von Wagner-Verehrern und Wagner-Gegnern zu stürzen, lassen wir lieber gleich sein Haus sprechen oder ihn selbst: „Ihr habt meine Werke – lasst mir meine Torheiten.“

Eine Baumallee führt effektvoll auf sein Domizil zu. Es ist ein erratischer Baukörper im Stil der Neorenaissance mit einer Fassade aus Sandsteinquadern. „Wahnfried“, der Name prangt in Goldlettern über dem Eingangsportal. Unwillkürlich taucht dabei der Gedanke an die Wagner-Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ auf: „Wahn! Wahn! Überall Wahn!“. Laut Cosimas Tagebuch gab Richard Wagner dem Haus diesen Namen nach einem Ort im Hessischen, „es habe ihn so mystisch berührt, diese Zusammensetzung der beiden Worte.“

Auch eine Art Leitmelodie zu Wagners Leben ist die vor dem Gebäude positionierte Bronzebüste des jungen Bayernkönigs Ludwig II. Ohne ihn gäbe es Wagners Wohnstätte nämlich gar nicht. Denn der „Meister  von Bayreuth“ war auch ein Meister im Verschwenden und Schuldenmachen. Nur dank der großzügigen Unterstützung seines royalen Verehrers konnte der Komponist sich und seiner Familie diese herrschaftliche Villa in den Jahren 1872 bis 1874 bauen lassen. Hier entstanden große Teile des „Rings der Nibelungen“ und des „Parsifal“. Dass die Wahl auf das fränkische Bayreuth fiel, lag am legendären markgräflichen Opernhaus der Wilhelmine von Preußen, auf das Wagner bei seiner Suche nach einem geeigneten Aufführungsort für seine Musikdramen durch einen Lexikonartikel aufmerksam geworden war. Erst als sich dieses Barocktheater als ungeeignet erwies, verwirklichte er seinen Traum eines eigenen Festspielhauses, wiederum mit kräftiger Finanzhilfe König Ludwigs II. Dort auf dem „Grünen Hügel“ dürfen bis heute ausschließlich nur Wagners Werke aufgeführt werden.

Im April 1945 wurde die Villa Wahnfried durch alliierte Bombentreffer zur Hälfte zerstört. Jahre später hat man sie rekonstruiert und 1976 als Museum eröffnet. Auch wenn durch die Kriegsschäden nur wenige originale Elemente erhalten geblieben sind, ist im Haus dennoch die Lebensatmosphäre der Familie Wagner spürbar. Die 10 Meter hohe Eingangshalle in pompeijanischem Rot, von der seitlich das Speisezimmer und der Salon abgehen, bereitet auf den genau in der Mittelachse liegenden Saal vor. Theatralisch flankiert von den Büsten Richard und Cosima Wagners öffnet sich den Eintretenden dieser zentrale Repräsentationsraum. Glanzvoller Blickfang in der Fensterrotunde ist der Steinway-Flügel, ein Geschenk der Firma Steinway zur Eröffnung der ersten Bayreuther Festspiele 1876. Auch Wagners umfangreiche Bibliothek ist zu sehen, die dank rechtzeitiger Auslagerung den Krieg unversehrt überstanden hat. Im Saal mit seinen handbemalten Seidentapeten findet die Selbstinszenierung ihre Fortsetzung mit Porträts Richard und Cosima Wagners, des Schwiegervaters Franz Liszt und des Gönners Ludwig II. Eine alte Vorlage zeigt, wie gründerzeitlich überladen mit Bildern, Möbeln und Teppichen der Raum zu Wagners Zeiten gewesen sein mag. Auch ein Brief Wagners an Ludwig II. gibt über die originale Ausstattung Auskunft: Der Saal „schließt meinen ganzen Besitz ein: die Lambris der Wände enthalten meine Büchersammlung; unsere Bilder hängen darüber; rings umgebende niedere Schränke fassen alle unsere Papiere und Dokumente; da steht der Flügel, hier mein großer Schreibtisch mit einer schönen Bayreuther Marmorplatte; gegenüber ein kleinerer Schreibtisch Cosimas; dort wieder ein großer Mappentisch mit allen Geschenken und Andenken, ringsumher bequeme Möbel für den Empfang noch so zahlreicher Besucher; das Ganze erleuchtet durch einen auf den Garten hinausblickenden Rundbau.“ Eine Holztreppe führt in das Ober- und Zwischengeschoss, die Privatbereiche der Wagners, die durch eine umlaufende Galerie miteinander verbunden waren und heute als Ausstellungsräume dienen.

In den kalten Wintermonaten floh Richard Wagner oftmals aus seinem Bayreuther Domizil nach Italien. Dort in Venedig ist er mit 69 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben. Die letzte Ruhe aber hat er zusammen mit seiner Frau Cosima im Garten der Villa Wahnfried in einem efeuumrankten Grab gefunden, auf dem nichts als eine – für den Egomanen Wagner ganz untypische – namenlose Grabplatte liegt.