Frédéric Chopin

Valldemossa (Mallorca), Spanien

Foto: Wikimedia commons/Ary Scheffer (Ausschnitt)

Mit einem Wort, ich schreibe Dir von einem seltsamen Ort.

22.02.1810

17.10.1849

cartoixadevalldemossa.com

Ein Winter auf Mallorca – er hätte so schön werden sollen. Für die Schriftstellerin George Sand und ihren Geliebten, den Musiker Frédéric Chopin, sollte es ein romantischer Liebesurlaub fernab von den Pariser Klatschmäulern werden. Gemeinsam mit Sands beiden halbwüchsigen Kindern plante das Paar, sich für eine Weile in die mediterrane Wärme Spaniens zurückzuziehen. Warum gerade Mallorca? Ein Spleen im Geiste Rousseaus? Die Baleareninsel konnte damals mit keinerlei touristischer Infrastruktur aufwarten. Es kostete die französischen Reisenden nach ihrer Ankunft im November 1838 dann auch einige Mühe, überhaupt eine Bleibe zu finden. Schließlich kamen sie in der Nähe von Palma im Landhaus Son Vent unter.

Das Liebesabenteuer der beiden hatte ein halbes Jahr zuvor begonnen. Zwar waren sie sich schon früher bei einem der Empfänge von Franz Liszt begegnet, aber da konnte Chopin an der rauchenden, hosentragenden Frau, zudem geschieden mit zwei Kindern und angeblich zahlreichen Liebschaften, nichts Sympathisches finden. Der Exilpole Chopin war damals in den Pariser Salons bereits ein gefeierter Pianist und Komponist. „Chopin ist der Liebling jener Elite, die in der Musik die höchsten Geistesgenüsse sucht. Sein Ruhm ist aristokratischer Art“, bescheinigte ihm Heinrich Heine. Doch George Sand ließ in ihrer Passion für den Musiker nicht locker, „ihre glühenden Blicke umfingen mich“, schrieb Chopin in sein Tagebuch. „Mein Herz war gefangen.“

Der Aufenthalt auf Mallorca verlief zunächst wie erhofft. „Herrliches Wetter“, schwärmte George Sand, „die Zitronenbäume und die Myrthen blühten noch.“ Und Chopin schrieb euphorisch nach Paris: „Kurzum, ein wundervolles Leben.“ Doch die sonnig warmen Tage waren gezählt. „Plötzlich hörten die so heiteren Nächte auf“, erinnerte sich Sand, „und die Sintflut begann.“ Der Winter hielt mit Dauerregen und böigen Winden Einzug auf der Insel. Man fror bitterlich zwischen den feuchtkalten Hauswänden. Der Zustand des ewig kränkelnden Chopins verschlimmerte sich. Medizinische Hilfe musste gerufen werden, die Chopin in einem Brief an seinen Freund Jules Fontana selbstironisch kommentierte: „Die drei berühmtesten Ärzte der ganzen Insel haben mich untersucht; der eine beschnupperte, was ich ausspuckte, der zweite klopfte dort, von wo ich spuckte, der dritte befühlte und horchte, wie ich spuckte. Der eine sagte, ich sei bereits krepiert, der zweite meinte, dass ich dabei sei, zu krepieren, der dritte, dass ich auf jeden Fall krepieren werde.“

Nachdem sich die Diagnose Tuberkulose unter den Nachbarn herumgesprochen hatte, wollte man den dauerhustenden Fremden so schnell wie möglich loswerden. Das Quartett musste das Haus verlassen und zu allem Unglück auch noch das Mobiliar bezahlen, weil der Vermieter es wegen der befürchteten Ansteckungsgefahr austauschen ließ.

Im ehemaligen Kartäuserkloster im Bergdorf Valldemossa kamen die gestrandeten Urlauber schließlich unter. Seitdem die Mönche 1835 in Folge der Säkularisierung das Kloster hatten verlassen müssen, wurden die Räume an Privatleute vermietet. Chopins Zelle, heute Gedenkstätte mit Bildern, Handschriften und Devotionalien, bestand aus drei Räumen und einem angegliederten Gärtchen mit weitem Blick bis zu den Tramuntana-Bergen. „Die Zelle hat die Form eines hohen Sargs“, so Chopin in einem Brief an Jules Fontana. „Mit einem Wort, ich schreibe Dir von einem seltsamen Ort.“

Auch in Valldemossa hielt das kalte Regenwetter an mit „großen Nebelschwaden, die durch die zerbrochenen Bögen in die Klostergänge eindringen.“ Von den Mallorquinern misstrauisch beäugt, passte das unkonventionelle Paar – die 34-jährige exzentrische Französin und ihr feingliedriger, sechs Jahre jüngerer Geliebter – so gar nicht in die ländliche Umgebung. „Wir hatten fast bis zum Schluss keine Ahnung, wie sehr sie von unserer Art und Weise schockiert waren“, bekannte George Sand. Chopin, der sehnlichst auf sein beim Zoll feststeckendes Pariser Pleyel-Klavier wartete, musste für seine Arbeit mit einem einfachen Dorfpiano Vorlieb nehmen. Der mallorquinische Regen ist dennoch in die Musikgeschichte eingegangen. In seiner Zelle komponierte Chopin das „Regentropfen-Prélude“, in dem ein Ton durch den gesamten Klaviersatz hindurch in der Mittelstimme klopft. Der Name des Musikstücks, „das einem das Herz schwermacht“, stammt von George Sand. Der Komponist selbst hingegen lehnte jegliche Tonmalerei in seiner Musik entschieden ab.

Unter der anhaltenden Kälte verschlimmerte sich Chopins Lungenkrankheit zusehends. „Unser Aufenthalt in der Kartause von Valldemossa war eine Qual für ihn und eine Marter für mich“, schrieb George Sand. Das Liebesprojekt Mallorca, das so vielversprechend begonnen hatte, wurde im Februar 1839 abgebrochen. Drei Jahre später erschien Sands literarischer Reisebericht „Ein Winter auf Mallorca“.

Noch sieben Jahre blieben George und Frédéric einander verbunden, pendelnd zwischen Paris und dem Sommersitz Nohant, immer mit Abstand in getrennten Wohnungen oder Zimmern. 1847 kam es endgültig zum Bruch. Der schwerkranke Chopin starb zwei Jahre später im Alter von 39 Jahren. Vom Malerfreund Eugène Delacroix existierte einstmals ein Porträt des Künstlerpaars, aber das Ölbild wurde später unbekannterweise zerschnitten. Chopins Bildnis hängt nun im Pariser Louvre, Sands Bildnis im dänischen Ordrupgaard Museum. Kein Paarbild hält mehr ihre berühmte Liaison fest, die damals ein Winter auf Mallorca in schwere Turbulenzen gebracht hatte.