Georg Friedrich Händel

London, England

Foto: Wikimedia commons/Thomas Hudson (Ausschnitt)

Man muss lernen, was zu lernen ist, und dann seinen eigenen Weg gehen.

23.02.1685

14.04.1759

handelhendrix.org

Der Dielenboden im Komponierzimmer, dem Geburtsort vieler seiner Opern und Oratorien, knarrt wohl bei jedem Schritt noch genauso wie zu seinen Lebzeiten. Georg Friedrich Händel hat in der Londoner Brook Street ein enormes musikalisches Lebenswerk geschaffen. Hitcharakter hatte einiges schon damals und hat es noch immer: das mitreißende „Hallelujah“ aus dem Oratorium „Messias“, die wunderbar zarte Arie „Ombra mai fu“ aus der Oper „Xerxes“ oder die heutige Hymne der Fußball-Champions-League, die auf eine Händelsche Komposition zurückgeht.

Georg Friedrich Händel hat 36 Jahre im ersten und zweiten Stock dieses georgianischen Stadthauses gelebt und gearbeitet. Nach Lehr- und Wanderjahren in deutschen und italienischen Städten, wo er gegen den anfänglichen Widerstand seines Vaters als Musiker und Komponist erste triumphale Erfolge gefeiert hatte, wurde London ab 1712 seine zweite Heimat. „Man muss lernen, was zu lernen ist, und dann seinen eigenen Weg gehen“, war seine Devise. Verehrt und geliebt vom Publikum, protegiert vom Königshaus, nahm Händel  1727 die britische Staatsbürgerschaft an und hieß fortan George Frederick Handel.

Seine „Wassermusik“ etwa hat er eigens für eine Themse-Lustfahrt des britischen Königs Georg I. komponiert und bis heute erklingt bei englischen Krönungsfeiern Händels Krönungsmesse. Zusammen mit dem im selben Jahr geborenen Johann Sebastian Bach – die beiden sind sich zeitlebens nie persönlich begegnet – gilt Händel als der bedeutendste Komponist des Barock. „Händel ist der größte Komponist, der je gelebt hat. Ich würde mein Haupt entblößen und an seinem Grabe niederknien“, bekannte Beethoven Jahrzehnte später.

Im Gegensatz zu seiner Musik, die umfänglich dokumentiert und überliefert ist, wissen wir wenig über den zeitlebens unverheiratet gebliebenen Privatmenschen Händel. Kein Tagebuch und nur wenige Briefe sind erhalten. So bietet nur seine rekonstruierte Wohnung im Londoner Stadtteil Mayfair die Möglichkeit, diesem Mann mit der zeittypisch gepuderten Lockenperücke ein wenig näherzukommen. Es war eine für damalige Verhältnisse großzügig eingerichtete Stadtwohnung, zwei Rembrandt-Gemälde etwa gehörten zur Kunstsammlung des Komponisten.

Im Musikzimmer im ersten Stock wurde diniert, geprobt, unterrichtet und empfangen. In all dem Trubel seines von Arbeit und gesellschaftlichen Verpflichtungen übervollen Lebens – den „Messias“ hat Händel in nur 24 Tagen komponiert – war das Schlafgemach im zweiten Stock wohl sein wichtigster Rückzugsort. Das purpurrote, mit einem Baldachin überwölbte Bett war ganz augenscheinlich zu kurz für den korpulenten Hünen. Aber man schlief ja damals halbliegend, halbsitzend, angeblich um die Verdauung anzuregen.

In dieser Wohnung haben sich Geschichten ereignet, auf die man sich wegen der mageren Quellenlage umso mehr stürzen möchte. So wurde der Bühnenbildner Joseph Goupy einst von Händel zu einem gemeinsamen Essen eingeladen. Nach dem recht bescheidenen Mahl zog sich Händel entschuldigend zurück und ließ den düpierten Gast alleine sitzen. Der, auf der Suche nach dem Hausherrn, fand diesen schließlich in einem Hinterzimmer, genüsslich schwelgend in Bergen von Delikatessen. Oder die italienische Starsängerin Francesca Cuzzoni, die sich weigerte, eine für sie vorgesehene Liebesarie zu singen. Der wutentbrannte Händel drohte, sie kurzerhand aus dem Fenster zu werfen. Die völlig verängstigte Dame tat danach widerspruchslos alles, was von ihr verlangt wurde.

Händels maßlose Trink- und Essanfälle, die ihm den Spitznamen „The Bear“ eintrugen, und wohl auch sein maßloses Arbeitspensum ruinierten mit der Zeit seine Gesundheit. In den letzten Lebensjahren kam noch eine vermutlich durch Bleivergiftung verursachte Erblindung hinzu. Händel starb am Karsamstag 1759 in diesem Haus. Davor hatte er angeblich sämtliche Besuche abgelehnt und erklärt, er sei „fertig mit der Welt“. Ihm wurde die Ehre eines Grabmals in der Westminster Abbey zuteil.

Im Testament hatte Händel großzügig sein Personal bedacht. Seine soziale Haltung zeigte sich auch in der Förderung des Londoner Foundling Hospitals. Vermutlich wurde Händel durch die wegweisende Schulstiftung des Theologen August Hermann Francke in seiner Heimatstadt Halle dazu animiert.

Über zweihundert Jahre später zog nebenan ein anderes Musikgenie ein und machte sich sogleich in den Plattenläden des Viertels auf die Suche nach Aufnahmen seines berühmten Nachbarn. Das Doppelhaus, das die zwei Musikheroen in seinen Mauern beherbergte und sie in Ehren hält, heißt heute bezeichnenderweise „Handel & Hendrix-Museum“ und ist überaus sehens- und hörenswert.