Friedrich August von Kaulbach
Ohlstadt, Deutschland
Habe 3 kleine Großfürstinnen in Pastell gezeichnet.02.06.1850
26.01.1920
Sie ist vermutlich das meistporträtierte weibliche Wesen der jüngeren Kunstgeschichte: Mathilde von Kaulbach, genannt Quappi. Sie war sowohl das Lieblingsmotiv ihres Vaters Friedrich August von Kaulbach als auch ihres Ehemanns Max Beckmann. Im einstmaligen Ohlstädter Sommerhaus der Kaulbachs ist Mathilde noch heute auf mehreren Gemälden präsent. Dort geben zahlreiche weitere Werke einen Einblick in Kaulbachs künstlerisches Schaffen: an erster Stelle Porträts, aber auch Landschaftsbilder und Gemälde mit mythologischem oder religiösem Gehalt.
1893 hatte sich Friedrich August von Kaulbach nach eigenen Plänen im oberbayerischen Ohlstadt einen Sommersitz bauen lassen. Das schmucke Gebäude mit Schindeldach und teils verputzter, teils holzverkleideter Fassade fügt sich harmonisch in den Landhausstil der Region ein. Vom ehemaligen Garten mit Pavillons, Kegelbahn und Schwimmbad ist heute allerdings nicht mehr viel übrig.
In Ohlstadt verbrachte Kaulbach die Sommermonate mit seiner zweiten Frau Frida Schytte, einer dänischen Violinistin, und den drei Töchtern. Hier konnte er seiner Jagd- und natürlich seiner Malleidenschaft ungestört nachgehen. Das 100 m² große Atelier mit Staffeleien und Möbeln in historisierendem Stil ist original erhalten. Von dort führt eine Eichenstiege hinauf zum ebenfalls originalen Studierzimmer. In diese holzvertäfelte Bauernstube, in der noch heute sein Zeichenstuhl mit Zeichenbrett steht, zog sich der Hausherr zum Entspannen, Lesen und Zeichnen zurück. Von der Holzbank des kleinen Balkons aus hatte er eine weite Sicht auf das Murnauer Moos, auf dessen gegenüberliegender Seite zur gleichen Zeit mit Gabriele Münter, Wassily Kandinsky und Franz Marc eine so ganz andere Kunst im Entstehen war. Kaulbach hat sich nie diesen neuen Strömungen des Impressionismus und Expressionismus geöffnet. Sein Kunst- und Weltbild war rückwärtsgewandt, gebunden an die altmeisterlichen Traditionen vergangener Jahrhunderte. Und warum sollte er auch, denn der Erfolg gab ihm Recht. Kaulbach war gut im Geschäft, er galt als einer der angesehensten und bestbezahlten deutschen Porträtmaler seiner Zeit. Sein herrschaftliches Münchner Stadtpalais im Renaissancestil legt davon Zeugnis ab. Zusammen mit Franz von Lenbach und Franz von Stuck gehörte er zu den sogenannten Münchner Malerfürsten. Alle drei, mit Personaladel ausgezeichnet, pflegten einen aufwendigen, pompösen Lebensstil.
Die Aufträge kamen vor allem aus dem Adel und dem Großbürgertum, deren Kunstgeschmack und Weltverständnis Kaulbach in seinen Bildern perfekt zu spiegeln verstand. Auch die Zarenfamilie gehörte zu seinen Kunden. In einem Brief an seine Frau heißt es: „habe 3 kleine Großfürstinnen in Pastell gezeichnet, zwar nicht fertig, aber es ist genug geschehen für die kurzen Sitzungen.“ Besonders die Damen ließen sich gern von Kaulbach malen, denn vor bösen Überraschungen waren sie bei ihm gefeit. In seinen schmeichelnden, idealisierenden Porträts gelang es Kaulbach immer, die glanzvollen Seiten seiner Kundinnen zu betonen. Zwar hatten ihm etwa auch Kaiser Wilhelm II. und Prinzregent Luitpold von Bayern Porträt gesessen, aber im Gegensatz zum „Herrenmaler“ Lenbach galt Kaulbach als Spezialist für Damen- und Kinderporträts. Auch das Bild „Kinderkarneval“ gehört dazu, das die fünf Kinder der Familie Pringsheim im Clownskostüm zeigt. Thomas Mann hatte es als 16-Jähriger in der „Illustrierten Zeitung“ entdeckt und als Reproduktion an seine Zimmerwand geheftet – ohne zu ahnen, dass er auf seine spätere Ehefrau Katia mit ihren vier Brüdern blickte und später im Palais Pringsheim dem Originalgemälde begegnen sollte.
Dass Friedrich August von Kaulbauch neben seiner dekorativen Salonmalerei auch eine ganz andere künstlerische Seite hatte, war zu seinen Lebzeiten wenig bekannt. In einem separaten Ausstellungsraum ist eine Auswahl seiner meisterhaften Karikaturen zu sehen, die ihn als satirisch-kritischen Menschen- und Zeitbeobachter zeigen.
Mit den Erschütterungen des Ersten Weltkriegs durchdrang dann erstmals eine dunklere Motivik Kaulbachs Schaffen. Den Anfang machte das bekannte Gemälde der „Germania“, eine allegorische Frauengestalt mit deutscher Kaiserkrone, Schwert und Schild, die martialisch in den Krieg zieht. Dieser Krieg brachte die gesicherte Lebenswelt Kaulbachs endgültig zum Einsturz. Vorboten hatte es längst gegeben. Die Aufträge waren eingebrochen, zudem machte die Konkurrenz der Porträtfotografie dem Maler zu schaffen. Kaulbauch starb 1920 in Ohlstadt, das er schon ein Jahrzehnt zuvor als Alterswohnsitz gewählt hatte. Wenige Jahre später heiratete seine jüngste Tochter Mathilde den Maler Max Beckmann. Beckmann hielt sich mit Quappi mehrfach in Ohlstadt auf und malte im ehemaligen Atelier seines Schwiegervaters. Aber das war nun eine neue Zeit, eine neue Kunst, der die vergangenheitsselige Welt eines Kaulbach völlig fremd geworden war.