Franz von Lenbach
München, Deutschland
Ich gedenke mir einen Palast zu bauen, der das Dagewesene in den Schatten stellen wird.13.12.1836
06.05.1904
Man wüsste zu gern, wie er aus dem Dämmerschein seiner Gemächer heraus in die lichte Zukunft geblickt hätte, in die hohen, offenen Räume des neuen Erweiterungsbaus, der sich kühn an die alte Villa des ehemaligen Hausherrn anschließt. Der Maler Franz von Lenbach, der so viel lieber zurück in die Vergangenheit schaute und sich an deren ästhetischen Vorbildern orientierte, wäre wohl über diesen Anblick mehr als irritiert gewesen. Ein toller Coup des Architektenteams um Norman Foster, beide Welten, den Ergänzungsbau von 2013 und die historischen Wohnräume Lenbachs, durch eine angedeutete Türöffnung zu verbinden und gleichzeitig miteinander zu kontrastieren.
Von den ehemaligen Wohn- und Repräsentationsräumen im Lenbachhaus ist nur der Mitteltrakt original erhalten geblieben, aber er zeigt in seinem eklektizistischen Arrangement sehr eindrucksvoll den damaligen Lebensstil Franz von Lenbachs: kostbare Gobelins und Stofftapeten, reich verzierte Holzdecken, eine Fülle an Antiquitäten, antike und mittelalterliche Kunstwerke im Original oder als Replik. Darunter mischen sich eigene Gemälde Lenbachs, etwa ein Familienbild, das den Maler, bärtig und ernstblickend, mit seiner zweiten Frau Charlotte und den Töchtern Marion und Gabriele zeigt. Natürlich darf ein Bismarck-Porträt nicht fehlen. Immerhin hat Lenbach den damaligen deutschen Reichskanzler in mehr als achtzig Gemälden festgehalten und dadurch maßgeblich dessen öffentliches Image mitgeformt. Der abgedankte Bismarck ehrte seinen Leibmaler 1892 mit einem Besuch in München, wo er vom Balkon des Lenbachhauses aus die Ovationen der Bevölkerung entgegennahm.
Bezeichnenderweise fehlen in Lenbachs Sammlung Werke anderer zeitgenössischer Künstler. Für die „dreiste Kunstjugend“ der beginnenden Moderne hatte er so gar kein offenes Auge: „Ein junges Geschlecht ist herangewachsen, das in pietätlosem Dünkel den großen Vorfahren nichts verdanken, aller Tradition den Rücken kehren, die Kunst von vorne anfangen will“, empörte er sich. Aber auch hier hat ihm der Lauf der Geschichte ein Schnippchen geschlagen. Seine Witwe vermachte der Stadt München das Gebäudeinventar, darunter auch zahlreiche Werken ihres verstorbenen Gatten. 1929 wurde dann im Lenbachhaus die Städtische Galerie eröffnet, die seit 1957 mit der Schenkung Gabriele Münters über einen weiteren Schatz verfügt, der weltweit größten Kunstsammlung zum „Blauen Reiter“. Genau jene Künstlervereinigung aber hatte Lenbach zeitlebens mit Missbilligung gestraft.
Ihn, der sich an Rubens, Tizian und Rembrandt orientierte, hatte gerade sein altmeisterlicher Malstil zum gefeierten Porträtisten seiner Zeit gemacht. Nicht nur Bismarck, auch die Kaiser Wilhelm I., Wilhelm II. und Franz Joseph I. sowie Richard Wagner, Franz Liszt, Wilhelm Busch und viele andere Prominente ließen sich von ihm malen. Das typische Helldunkel seiner Gemälde war Lenbachs Markenzeichen. Es stellte vor dem meist monochromen Hintergrund das Gesicht des Porträtierten ins leuchtende Zentrum.
Seine Bilder waren gefragt und verhalfen dem aus kleinen Verhältnissen stammenden Lenbach zu Reichtum und Ansehen. Eine soziale Aufsteigerkarriere wie aus dem Märchenbuch also. Nicht nur, dass er vom bayerischen König Ludwig II. in den persönlichen Adelsstand erhoben wurde, Lenbach ließ sich auch an einem standesgemäßen Ort nahe dem klassizistischen Königsplatz eine herrschaftliche Künstlerresidenz errichten. „Ich gedenke mir einen Palast zu bauen, der das Dagewesene in den Schatten stellen wird; die machtvollen Zentren der europäischen großen Kunst sollen dort mit der Gegenwart verbunden sein“, umriss er sein ambitioniertes Vorhaben. 1887 bis 1891 entstand nach den Plänen des Architekten Gabriel von Seidl eine dreigeschossige Villa im toskanischen Landhausstil. Die ockergelbe Fassade und der durch Brunnen, Bäume und Hecken gegliederte Garten strahlen eine mediterrane Heiterkeit aus, die im Kontrast zu den gedämpften Farben der Innenräume steht. Die stilistische Hinwendung zur Vergangenheit hinderte Lenbach jedoch nicht daran, sein Domizil mit dem neuesten technischen Komfort wie Dampfheizung und elektrischem Licht auszustatten.
Im langgestreckten Atelierbau fand Lenbachs Inszenierung zum „Malerfürsten“ dann folgerichtig ihren Höhepunkt. Über zwei prächtig ausgestattete Empfangssalons gelangte man zum eigentlichen Atelier, das heute infolge der Kriegszerstörungen leider nicht mehr existiert. Immerhin wissen wir von Gästen: „es sah aus wie in einem Museum“. Das einstmals prunkvoll dekorierte Atelier war Verkaufs-, Ausstellungs- und Festsaal zugleich und zog zahllose Interessierte an.
Letztlich hat es die Zukunft mit diesem vergangenheitsverliebten Maler dann doch gut gemeint. Auch wenn ihm die moderne Kunst zeitlebens fremd blieb, dank einer großartigen Kunstsammlung, die auch heutzutage viele Menschen ins Lenbachhaus strömen lässt, fällt nun auf sein Haus und seinen Namen ein Glanz, wie ihn sich Lenbach wohl immer erträumt hatte.