Emil Nolde

Seebüll, Deutschland

Foto: Wikimedia commons/Minya Diéz-Dührkoop (Ausschnitt)

Die Farben waren mir ein Glück, es war als ob sie meine Hände liebten.

07.08.1867

13.04.1956

www.nolde-stiftung.de

Seine Bilder wurden von Hitler als „Misthaufen“ verspottet. Über tausend seiner Werke ließen die Nationalsozialisten aus deutschen Museen entfernen, an die vierzig wurden 1937 in der Ausstellung  „Entartete Kunst“ als undeutsch an den Pranger gestellt, darunter auch das Aquarell „Reife Sonnenblumen“, das Goebbels Wohnung geschmückt hatte und nach einem Wutanfall Hitlers abgehängt worden war. Und dennoch, Emil Nolde, NSDAP-Mitglied und überzeugter Anhänger des Führers, empfand sich als urdeutscher Maler, der für das „Starke, Herbe, Innige“ in der Kunst und gegen deren antisemitische Überfremdung eintrat. Wie geht das zusammen? Es ist ein Paradox, dem Emil Nolde und im übrigen auch wir Heutigen nicht entkommen, wenn wir seine Bilder betrachten und sein Atelier- und Wohnhaus im nordfriesischen Seebüll besuchen.

Emil Nolde wuchs als Sohn eines Bauern im deutsch-dänischen Grenzgebiet auf, einer kargen Marschlandschaft zwischen Meer und Wolken. Zeitlebens fühlte er sich seiner nordischen Heimat verbunden. Wasser und Himmel gehören zu den vielfach variierten Motiven seiner Bilder: „Die Heimat bleibt der Urboden“. Auch der Name Nolde, eigentlich hieß er Emil Hansen, den er 1902 nach der Heirat mit der dänischen Schauspielerin Ada Vilstrup annahm, war ein Bekenntnis zu seinem Geburtsort Nolde.

Ganz in der Nähe auf einer einsam gelegenen Warft fand das Ehepaar später den geeigneten Platz für seinen Alterswohnsitz. 1927, Nolde war bereits sechzig Jahre alt, wurde nach seinen Entwürfen mit dem Bau begonnen. Entstanden ist ein massiver, asymmetrisch geformter Baukörper aus dunkelrotem Klinkerstein, der in seiner Modernität so gar nicht zu den friesischen Bauernhäusern der Umgebung passte. Ebenso wie beim zeitgleich in Berlin entstandenen Gebäude des Bildhauers Georg Kolbe ist die Anlehnung an die Bauhausästhetik unverkennbar. Einige Jahre später kam dann ein weiteres Stockwerk für den Bildersaal hinzu, in dem auch heute noch Noldes Werke ausgestellt werden. Die ehemaligen Wohnräume im Erdgeschoss wirken im Vergleich zum lichten Atelier und zum großzügigen Bildersaal klein und gedrungen. Ihre farbigen Wände gehen ebenso wie einige Möbel, Keramiken und Textilien auf Ideen und Entwürfe Noldes zurück.

Auch der prächtige Bauerngarten wurde nach den Vorstellungen der Noldes angelegt. „Wir standen auf unserer Warft Seebüll, die ganze weite Himmelswölbung über uns, nackte grüne Felder um das Haus herum. Ein Stück solches Grasfeld sollte unser Garten werden.“ In mühevoller Arbeit schufen sie sich ein üppiges Blumenparadies. Der Verlauf der Gartenwege folgt der Form ihrer Initialen E wie Emil und A wie Ada – „wir sagten es niemand“. Ein Teich und ein reetgedecktes Gartenhäuschen, das von ihnen liebevoll „Seebüllchen“ genannt wurde, ergänzen das Ensemble. Nolde ließ sich von diesem Blumengarten zu vielen farbkräftigen Bildern inspirieren. „Die Farben waren mir ein Glück, es war als ob sie meine Hände liebten“, heißt es in seinen Lebenserinnerungen.

Die Wintermonate verbrachten die Noldes üblicherweise in Berlin. Aber weder in der Künstlervereinigung „Die Brücke“ noch in der Berliner Secession, wo es zum Konflikt mit dem Altmeister des Impressionismus Max Liebermann kam, hielt es Emil Nolde lange. „Ich war geworden, was ich sein wollte, ein künstlerisch Einsamer.“ Nolde sah sich mit seiner expressionistischen Kunst in der urdeutschen Tradition Albrecht Dürers, Matthias Grünewalds und Caspar David Friedrichs.

Doch dieses Bekenntnis zur deutschen Kunst hinderte die Nationalsozialisten nicht daran, den zwischenzeitlich auf dem Kunstmarkt überaus erfolgreichen Maler als undeutsch zu brandmarken und schließlich 1941 mit Berufsverbot zu belegen. Nolde litt unter diesem Missverständnis, hatte er doch gehofft, dass sein expressionistischer Stil zur eigentlichen nationalsozialistischen Staatskunst erhoben werden würde. Er protestierte gegen die Ächtung bei Propagandaminister Joseph Goebbels, „besonders weil ich von Beginn der Nationalsozialistischen Bewegung als fast einzigster deutscher Künstler im offenen Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Kunst, gegen das unsaubere Kunsthändlertum und gegen die Machenschaften der Liebermann- und Cassirerzeit gekämpft habe.“

In seinem Seebüller Refugium malte er dennoch mehr oder weniger heimlich weiter. Und genau daraus konnte er dann nach 1945 die beschönigende Halbwahrheit vom stigmatisierten Opfer nationalsozialistischer Kunstpolitik in die Welt setzen. Dass er bis zum Kriegsende auf der Seite der Nazis gestanden hatte, dass er deren Antisemitismus und völkischen Rassismus emphatisch geteilt hatte, davon war keine Rede mehr.

Unangepasst und ideologisch unberührbar blieb Emil Nolde allein in seiner Kunst. Man muss ihm zugute halten, dass er nicht versucht hat, sich dem herrschenden Kunstgeschmack der Nationalsozialisten anzubiedern. Seine Werke mit biblischen und mythologischen Szenen wie auch seine Naturbilder folgen ihren eigenen Gesetzen, fern vom Nazikitsch.

Seebüll, wo sich auch die Grabstätte von Ada und Emil Nolde befindet, ist heute eine Stiftung. Dies hatte das kinderlose Ehepaar bereits zu Lebzeiten in seinem Testament verfügt: Es soll „der suchende, geistige Wanderer aus allen Landen eine besondere Stätte finden, wo ihm etwas Glück und künstlerisch-geistige Erholung gegeben wird.“ Seebüll erfüllt all diese Erwartungen, wohl wissend, dass zu seiner heiteren Ausstrahlung auch die Schatten der Vergangenheit gehören.