Carl Eugen von Württemberg

Stuttgart (Schloss Solitude), Deutschland

Foto: Wikimedia commons/Christian Jakob Schlotterbeck, 1782 (Ausschnitt)

Was Vaterland! Ich bin das Vaterland!

11.02.1728

24.10.1793

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Schloss Solitude. Wie wurde dort wohl parliert, soupiert, promeniert, antichambriert,  intrigiert, arrangiert, reüssiert, beim Tête-à-Tête mit galanten Mätressen – Teint, Dekolleté, Taille vom Feinsten oder auch nicht. Was für ein Pläsier, das Leben ein Fest. Französisch war en vogue, in der Sprache, der Architektur, der Mode. Und die Strahlen des legendären Sonnenkönigs von Versailles reichten bis zum herzoglichen Hof Carl Eugens in Württemberg.

Carl Eugen war bereits als 16-Jähriger nach dem frühen Tod seines Vaters Carl Alexander Landesherr über Württemberg geworden. Zwar ließ er gleich nach seinem Regierungsantritt 1744 den Leichnam des in Ungnade gefallenen herzoglichen Finanzberaters Joseph Süß Oppenheimer abhängen, der dem Volk sechs Jahre lang in einem eisernen Käfig zur Schau gestellt worden war, machte aber ansonsten eher durch seine prunkvolle Hofhaltung von sich reden. Jagden, Bälle, Theater- und Opernaufführungen, für die er international bekannte Sänger, Schauspieler und Tänzer anwarb, waren sein Markenzeichen. Immerhin, Giacomo Casanova bezeichnete in seinen Memoiren den Hof Carl Eugens als den „glänzendsten in Europa“: „Großzügige Gehälter, prachtvolle Gebäude, Jagdzüge und Verrücktheiten aller Art.“ Vermutlich war Carl Eugen auch durch seine preußische Schwiegermutter Wilhelmine inspiriert worden, die ihre Residenzstadt Bayreuth zu einem glanzvollen höfischen Zentrum ausgebaut hatte. Dort im zauberhaften Markgräflichen Opernhaus fand 1748 die Hochzeit Carl Eugens mit der Markgrafentochter Elisabeth Friederike Sophie von Brandenburg-Bayreuth statt.

Aber die Ehe war nur von kurzer Dauer. Elisabeth kehrte nach acht Jahren enttäuscht und gedemütigt ins elterliche Bayreuth zurück, während sich ihr Gatte weiterhin in zahllose amouröse Abenteuer stürzte. Insgesamt 77 uneheliche Söhne soll Carl Eugen als seine Nachkommen anerkannt haben. Sogar Johann Caspar Lavater war in einem Brief an Goethe nicht frei von Bewunderung: „unersättliche Eitelkeit! Adlersblick! Heldengang! Wirkungsglut! Reflektierendes, vergleichendes Selbstgefühl – Tod und Leben! Himmel und Hölle!“

Die außen- und innenpolitische Bilanz Carl Eugens ist allerdings recht bescheiden, auch wenn das Deckengemälde vom Hofmaler Nicolas Guibal im Weißen Saal von Schloss Solitude, das die Herrschaft Carl Eugens zum Wohle Württembergs symbolisch verherrlicht, etwas anderes behauptet. Mit seiner verschwenderischen Lebensführung trieb der Herzog das Land an den Rand des Ruins. „Was Vaterland! Ich bin das Vaterland!“, war seine an König Ludwig XIV. anknüpfende Antwort auf die missliche Lage. Auch in seine Prachtbauten flossen enorme Steuergelder. Neben Schloss Solitude ließ er das Neue Schloss in Stuttgart, Schloss Monrepos und Schloss Hohenheim errichten.

Doch Schloss Solitude, das so gut wie unverändert die Jahrhunderte überdauert hat, erzählt am eindrücklichsten von Carl Eugen. Dieses Sommerschloss für die Jagd- und Festausflüge der württembergischen Hofgesellschaft entstand ab 1763 mitten im herzoglichen Jagdrevier westlich von Stuttgart. Von Anfang an war der Herzog selbst in die Planungen der Architekten Johann Friedrich Weyhing und Philippe de La Guêpière eingebunden. Und 1769 konnte der Reigen der Festlichkeiten im Schloss Solitude dann schließlich eröffnet werden.

Schloss Solitude ist ein schönes Beispiel für den Übergang vom Rokoko zum Frühklassizismus. Gesellschaftsräume voll ornamental-verspielter Verzierungen münden in den eleganten Weißen Saal, das Herzstück und zugleich die axiale Mitte des Gebäudes. Die Fenstertüren dieses Empfangs- und Festsaals führen auf den umlaufenden Balkon hinaus mit weitem Blick ins Land und auf die 13 km lange Allee, die Schloss Solitude effektvoll mit der Hauptresidenz Ludwigsburg verband. Der Marmorsaal, ebenfalls mit klassizistischen Stilelementen, gehört zum Westflügel, in dem das Appartement Carl Eugens mit Schlafzimmer und Bibliothek lag. Es war hohen Gästen vorbehalten, Carl Eugen selbst wohnte mit seinem Gefolge in den das Schloss umrahmenden Flügelbauten. Von dort aus hatte er direkten Zugang zu seiner Loge in der katholischen Schlosskapelle, damals ein Fremdkörper im streng protestantischen Württemberg.

Umgeben war die Schlossanlage von einem weitläufigen Barockgarten mit Skulpturen, Pavillons, Labyrinthen, Orangerie, künstlichem See, Heckentheater und chinesischem Garten. Es muss ein imposanter, aufwendig arrangierter Vergnügungspark für die höfische Gesellschaft gewesen sein, von dem heute leider nichts mehr zu sehen ist. Das letzte rauschende Fest auf der Solitude wurde 1782 anlässlich der Vermählung von Carl Eugens Nichte mit dem Zarensohn gefeiert und ging in die Literaturgeschichte ein. Dieses Fest, das die Aufmerksamkeit aller Beteiligten absorbierte, nutzte Friedrich Schiller zur heimlichen Flucht aus seiner Heimat Württemberg.

Schloss Solitude ist nicht nur stilgeschichtlich ein Ort des Wandels. Auch die vieldiskutierte persönliche Wandlung Carl Eugens hin zu einem aufgeklärten Landesherrn nahm hier ihren Anfang. Carl Eugen machte 1765 seine umfangreiche Bibliothek öffentlich zugänglich und gründete 1770 auf der Solitude eine Eliteschule, die spätere Hohe Karlsschule, die der Dichterrebell Christian Friedrich Daniel Schubart gleichwohl als „Sklavenplantage“ verspottete und zu deren Absolventen auch Friedrich Schiller gehörte. Freilich lagen pädagogische Projekte und Modernisierungspläne ganz im Trend der Zeit, auch hier imitierte Carl Eugen seine Vorbilder. Mag sein, dass sein zweijähriger Erziehungsaufenthalt als Jugendlicher am Berliner Hofe Friedrichs des Großen nun nachträglich Wirkung zeigte.

Auf der Solitude lernte Carl Eugen 1771 auch seine zweite Ehefrau kennen, Franziska von Leutrum, spätere von Hohenheim. Mit ihr zog er nach einigen Jahren auf einen Gutshof in Hohenheim und widmete sich dort – auch das ganz adlige Attitude – der Landwirtschaft und Parkgestaltung. Den Einzug ins Schloss Hohenheim erlebte er nicht mehr. Der Herzog starb mit 65 Jahren und wurde in der Gruft von Schloss Ludwigsburg beigesetzt.

Carl Eugen, diese schillernde Herrscherfigur des 18. Jahrhunderts, hat fast fünfzig Jahre lang mehr schlecht als recht das Land Württemberg regiert. Was aber bleibt sind seine prächtigen Schlossbauten, allen voran das Kleinod Solitude, an dem wir uns heute promenierend und parlierend erfreuen können.