Wilhelmine von Preußen

Bayreuth (Eremitage), Deutschland

Foto: Wikimedia commons/Jean-Etienne Liotard, 1745 (Ausschnitt)

Es machte mir Spaß, die Pläne selbst zu entwerfen und diesen Ort anziehend zu machen.

03.07.1709

14.10.1758

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„Es machte mir Spaß, die Pläne selbst zu entwerfen und diesen Ort anziehend zu machen“, schrieb Friederike Sophie Wilhelmine, Prinzessin von Preußen und damals bereits verheiratete Markgräfin von Bayreuth, in ihren Memoiren. Gemeint war die vor den Toren Bayreuths liegende markgräfliche Sommerresidenz „Eremitage“ mit ihrer gut 50 Hektar großen Parkanlage. Aber mit diesen Worten hätte Wilhelmine genauso gut das gesamte Bayreuth jener Zeit beschreiben können. Denn in den zwei Jahrzehnten ihres Wirkens verwandelte sie die fränkische Provinz in eine glanzvolle Residenzstadt.

Mit 22 Jahren verschlug es Wilhelmine von Berlin nach Bayreuth. Vorausgegangen waren am preußischen Hof zermürbende Machtkämpfe zwischen ihren ehrgeizigen Eltern. Die Mutter aus dem Hause Hannover wollte ihre älteste Tochter mit dem britischen Thronfolger verheiraten, der Vater hingegen, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., verfolgte ganz andere machtpolitische Heiratspläne. Wilhelmine geriet zwischen die elterlichen Fronten und war zu allem Übel auch noch intriganten Hofbediensteten wie etwa ihrer Erzieherin ausgeliefert: „Es verging kein Tag, an dem sie nicht die gefürchtete Kraft ihrer Fäuste an mir erprobte“. Wie ihr drei Jahre jüngerer Bruder Friedrich, der spätere Friedrich der Große, litt Wilhelmine unter der repressiven Atmosphäre des preußischen Hoflebens. „Bedenke, dass ich mit meiner Bayreuther Schwester aufgewachsen und erzogen bin, dass diese erste Anhänglichkeit unzerstörbar ist“, urteilte Friedrich später über die Beziehung zu seiner Lieblingsschwester.

Der Vater setzte schließlich 1731 die Heirat mit dem zukünftigen Markgrafen von Bayreuth durch – sehr zum Verdruss der Mutter. Zornig schleuderte sie Wilhelmine entgegen: „Ich erkenne Sie nicht länger als meine Tochter an und sehe in Ihnen von nun an meine ärgste Feindin, da Sie es sind, die mich meinen Gegnern, die jetzt triumphieren, geopfert hat. Rechnen Sie nicht mehr auf mich; ich schwöre Ihnen einen ewigen Hass und werde Ihnen niemals verzeihen.“

All diesen bösartigen Machenschaften konnte sich Wilhelmine durch die Heirat entziehen. Doch in Bayreuth erwartete die junge preußische Königstochter alles andere als ein glamouröses Hofleben. Wilhelmine war entsetzt, die Bayreuther Adligen „sahen alle aus wie Knecht Ruprecht; statt der Perücken ließen sie ihre Haare tief ins Gesicht hineinfallen, und Läuse von ebenso alter Herkunft wie sie selbst hatten in diesen Strähnen seit undenklichen Zeiten ihren Wohnsitz aufgeschlagen.“ Standesbewusst ließ sie sich weiterhin mit „Königliche Hoheit“ anreden, wohingegen ihr Gemahl lediglich Friedrich Markgraf von Bayreuth blieb.

Ihr Glück war, dass sie ihrem Mann liebevoll zugetan war und dass er ihr nach dem Tod des Schwiegervaters 1735 freie Hand bei ihren Unternehmungen ließ. Nun endlich bekam Wilhelmine die Chance, ihre vielseitigen künstlerischen und intellektuellen Begabungen auszuschöpfen. Sie komponierte die Oper „Argenore“, sie schrieb Libretti, sie malte, sie spielte Laute und Cembalo, sie führte Theaterregie und sie stand in regem Briefwechsel mit Voltaire und ihrem Bruder Friedrich II. von Preußen. Sie war Schauspielerin, Opernintendantin und architektonische Planerin von Schlössern und Gärten: die „Eremitage“, die ihr Markgraf Friedrich zum Geburtstag geschenkt hatte, das Felsentheater „Sanspareil“, das kurz vor ihrem Tod fertiggestellte Neue Schloss im Zentrum Bayreuths und vor allem das barocke markgräfliche Opernhaus, heute Unesco-Kulturerbe, das 1748 anlässlich der Hochzeit ihres einzigen Kindes Elisabeth Friederike Sophie mit Herzog Carl Eugen von Württemberg eingeweiht wurde – alle diese Bauten gäbe es nicht ohne diese kreative, tatkräftige Frau.

In der Sommerresidenz „Eremitage“ mit seiner von einer Schleife des Roten Mains umschlossenen Parkanlage kommt man der privaten Lebenswelt Wilhelmines wohl am nächsten. Sie ließ das alte Schloss umgestalten und ganz nach ihren Vorstellungen erweitern. Der mittig angeordnete Marmorfestsaal verbindet den Herren- und den Damenflügel. Wilhelmines Privaträume sind Ausdruck ihrer Vorlieben und ihres erlesenen Geschmacks: das phantastische Spiegelscherbenkabinett mit filigranen Chinoiserien, das im Stil des Rokoko gestaltete Musikzimmer mit den stuckierten Musikinstrumenten, das mit zauberhaften asiatischen Lacktafeln geschmückte japanische Zimmer und die antikisierenden Deckengemälde, auf denen sie auch ihr geliebtes Hündchen Folichon verewigen ließ. Gleich nebenan ließ Wilhelmine 1750 das neue Schloss mit einer Fassade aus bunten Glas- und Kristallsplittern bauen, auf dessen Mittelbau ein vergoldeter Apoll im Streitwagen glänzt.

In die „Eremitage“ zog sich Wilhelmine auch aus Verbitterung über die Untreue ihres Gemahls zurück, der sich ausgerechnet ihre enge Freundin zur Mätresse genommen hatte. Hier verfasste sie ihre Memoiren, eine Art Sittengemälde des Berliner Hoflebens. So schrieb sie sich ihre Kränkungen von der Seele, ihr Körper aber kränkelte weiter. „Ich bin so schwach, dass ich kaum kritzeln kann“, heißt es in einem Brief an ihren Bruder Friedrich den Großen.

1758 mit nur 49 Jahren verstarb Wilhelmine. Das Opernhaus wurde geschlossen, Bayreuth versank in Bedeutungslosigkeit. Erst über hundert Jahre später, als Richard Wagner auf der Suche nach einem Aufführungsort für seine Opern zufällig auf Wilhelmines wundervolles Opernhaus stieß, begann Bayreuth erneut kulturell aufzublühen.

Wilhelmine, diese Powerfrau des 18. Jahrhunderts, hat der Stadt so viel Glanz, Schönheit und Kunstgenuss geschenkt. Für Bayreuth war und ist die preußische Königstochter noch immer ein Glücksfall.