Ary Scheffer
Paris, Frankreich

Foto: Musée de la Vie Romantique (Ausschnitt)
10.02.1795
15.06.1858
„Man hört nur den Gesang der Amseln und der Nachtigallen im Grün der Gärten, und alles mischt sich mit dem Duft der Verse, die hier geschrieben und komponiert werden. Abends dann vernimmt man den Lärm der Kutschen aus der Stadt wie das Rauschen eines fernen Wasserfalls.“ So poetisch verträumt hat jenes Pariser Viertel am Rande des Montmartre-Hügels zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf den Publizisten Dureau de la Malle gewirkt. Auch das Haus des niederländischen Malers und Bildhauers Ary Scheffer lag in dieser Gegend, von der damals viele Intellektuelle und Künstler angezogen wurden.
Ein gepflasterter Weg zweigt von der Rue Chaptal ab und öffnet sich zu einem Idyll: ein zweistöckiges Haus im italienischen Landhausstil, umgeben von einem Gärtchen und flankiert von zwei Atelierhäusern. Von 1830 bis zu seinem Tod 1858 lebte und arbeitete Scheffer hier. Nicht zufällig heißt dieses Ensemble heute Musée de la Vie romantique, denn dieser Ort ist eine geradezu idealtypische Verkörperung romantischer Gestimmtheit.
Ary Scheffer, Kunstlehrer der Kinder des späteren „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe, war in den 1830er und 1840er Jahren ein renommierter Künstler. „Macht niemals etwas, dessen Äquivalent ihr nicht in der Natur gesehen habt“, war sein malerisches Prinzip. Er porträtierte Franz Liszt, Frédéric Chopin und viele andere Berühmtheiten seiner Zeit. Seine Werke nehmen oft Bezug auf historische oder literarische Stoffe, etwa von Dante, Goethe oder Lord Byron. Einer seiner Schüler war übrigens der Bildhauer Frédéric Auguste Bartholdi, der später die legendäre Freiheitsstatue in New York erschuf.
Man kann Ary Scheffer vielleicht am ehestens mit Gerhard von Kügelgen, dem Dresdner Maler der Romantik, vergleichen. Auch sein Haus war ein geselliger Treffpunkt für Persönlichkeiten aus Kunst, Literatur, Musik und Politik. Delacroix, Chopin, Liszt, Rossini und Dickens gehörten zu den Gästen, die Scheffer beim freitäglichen Jour-Fixe in seinem Ateliersalon empfing.
Seit 1848 ist bei Ary Scheffer eine Hinwendung zu religiösen Themen zu beobachten. Der Tod seines Bruders und seiner Frau haben vermutlich dazu beigetragen, dass seine Schwermut und Erschöpfung zunahmen. Ludovic Vitet, dessen Porträt ebenfalls von Scheffer stammt, erinnerte sich nach dem Tod des Malers an die kultivierte Atmosphäre der Räume: „Es war ein Atelier, wo man nicht rauchte, wo nichts in Unordnung war, wo man plauderte, zwar nicht ohne Heiterkeit, aber ohne das laute Gelächter der Salons. Mit einem Wort: ein Atelier voller Geist.“
Scheffers ehemaliges Domizil ist heute ein Museum. Im Erdgeschoss ist der Schriftstellerin George Sand eine Ausstellung gewidmet, die erste Etage zeigt Erinnerungsstücke und Werke von Ary Scheffer und seinen Zeitgenossen.
Auch wenn Ary Scheffer heute aus dem Blick geraten zu sein scheint und andere Künstler der französischen Romantik unsere Wahrnehmung dominieren, vermag dieser Ort uns noch immer am stillen Zauber jenes romantischen Lebensgefühls teilhaben zu lassen - ganz im Sinne seines einstigen Bewohners.